Von Mykonos über Tahiti nach Paris?

Die Backnanger Judoka Katharina Menz hat eine wahre Odyssee hinter sich gebracht, um womöglich doch noch auf den Zug zu den Olympischen Spielen aufzuspringen. Ob es tatsächlich klappt, weiß sie erst in zwei Wochen.

Katharina Menz freut sich über den Sieg auf Tahiti. Foto: privat

Katharina Menz freut sich über den Sieg auf Tahiti. Foto: privat

Von Lars Laucke

Als Katharina Menz am Mittwochabend wieder nach Hause kommt, hat sie eine Odyssee hinter sich, die dem Namensgeber Odysseus zur Ehre gereichen würde – wenn nicht bei der zeitlichen Ausdehnung, dann aber ganz sicher bei der Strecke, die sie in den Tagen zuvor zurückgelegt hat. Begonnen hat alles genau genommen in Abu Dhabi bei der Weltmeisterschaft. Da wollte die Backnanger Judoka abliefern, um sich die in den eher erfolglosen Wochen zuvor ins Wackeln geratene Olympia-Qualifikation zu sichern. Doch dann die große Enttäuschung: Sie verliert den ersten Kampf nach nur wenigen Sekunden. Sie rutscht im Qualifikationsranking ab, der Traum von Olympia in Paris scheint geplatzt.

Heimtrainer Tom Reed beordert Katharina Menz aus dem Urlaub zurück

Die 33-Jährige fliegt erst mal in Urlaub, „der war eh im Vorfeld geplant“, sagt sie. Menz ist noch keine drei Tage auf der griechischen Insel Mykonos, da ruft ihr Heimtrainer Tom Reed an: „Pack dein Zeug, wir fliegen nach Tahiti! Du kannst die Olympia-Quali doch noch schaffen.“ Um den Hintergrund dieser Aussage vollständig zu verstehen, muss man wahrscheinlich ein Masterstudium in Qualifikationsarithmetik mit summa cum laude abgeschlossen haben. Fakt aber ist: In der zu diesem Zeitpunkt neuesten Olympia-Rangliste ist der Name von Katharina Menz rot hinterlegt und mit dem Vermerk „Returned Quota“ versehen. Das Gleiche gilt für die direkt vor ihr platzierte Brasilianerin Natasha Ferreira. Was dahintersteckt: Der Kontinentalverband Ozeanien kann zwei seiner Quotenplätze für Paris nach derzeitigem Stand nicht besetzen. „Man muss da wohl eine gewisse Anzahl an Punkten erzielt und eine Mindestanzahl an Wettkämpfen bestritten haben. So ganz haben wir das auch nicht verstanden“, sagt Menz. Klar ist aber: Bleibt es dabei, sind Ferreira und Menz für Paris qualifiziert. Kann aber Ozeanien nur einen Platz nicht besetzen, wäre nach diesem Stand Ferreira dabei und Menz draußen. Bekommt der Verband doch noch beide Plätze besetzt, müssen beide zuschauen.

Doch was hat das alles mit Tahiti zu tun? „Für den Fall, dass es nur noch einen Platz gibt, musste ich Ferreira überholen. Sie konnte ihre Punktzahl nicht mehr verbessern, ich schon. Dafür musste ich auf einem Open-Turnier antreten und gewinnen“, erklärt Katharina Menz. Ihr Trainer findet daraufhin die Tahiti Oceania Open. Dort verspricht er sich eine eher schwache Besetzung und somit die größten Chancen, das Turnier zu gewinnen. Allerdings ist der Wettkampf bereits für den folgenden Samstag angesetzt und es ist schon Mittwochmorgen. Tom Reed klärt zunächst ab, dass die kurzfristige Nachmeldung noch möglich ist, und beordert seinen Schützling dann aus dem Urlaub zurück. „Es gab am Mittwoch noch genau einen Flug von Mykonos nach Deutschland und der ging ausgerechnet nach Stuttgart. Der war zwar sauteuer, aber das war schon Glück, dass es den Flug überhaupt gab.“ Schließlich muss Katharina Menz erst nach Hause und den Bade- gegen den Judoanzug im Gepäck tauschen.

Am Donnerstag geht es dann weiter nach Tahiti, ironischerweise über Paris, den Austragungsort der Olympischen Spiele. Das kleinste Problem scheint dann fast schon der Wettkampf zu sein. Lediglich fünf Kämpferinnen haben in der Kategorie bis 48 Kilogramm für die Tahiti Oceania Open gemeldet. Katharina Menz legt zunächst Emma Gosset aus Französisch-Polynesien nach 16 Sekunden auf die Matte – und steht damit bereits im Finale. Dort trifft sie auf die Französin Manon Urdiales. Mit einem Waza-Ari für einen Haltegriff geht Menz schnell in Führung, kassiert dann aber zwei Bestrafungen. Doch quasi mit dem Schlussgong wirft sie ihre Gegnerin auf die Matte und bekommt dafür einen Ippon, der Sieg ist unter Dach und Fach.

Endgültige Gewissheit gibt es erst nach dem letzten Open-Turnier

Anschließend geht es auf die Heimreise, wobei Katharina Menz nach der Rückkehr nach Deutschland erst einmal noch nach München muss. „Da stand mein Auto, weil wir von dort nach Mykonos geflogen waren.“ Und hat sich der ganze Aufwand nun gelohnt? Genau weiß die TSG-Kämpferin das noch nicht. Auf jeden Fall hat sie das erste Ziel erreicht: Sie steht in der neuesten Olympia-Rangliste vor Natasha Ferreira. Beide sind nach wie vor rot hinterlegt mit dem Vermerk „Returned Quota“, aber wenn es nur noch einen Platz geben sollte, bekommt Menz diesen. Ob der ozeanische Verband nun aber beide Plätze zurückgeben muss oder nur einen oder womöglich gar keinen, das steht erst nach den beiden letzten Open-Turnieren kommendes Wochenende in Madrid und am 21./22. Juni in Lima fest. Sollte Katharina Menz dann immer noch auf einem Returned-Quota-Platz stehen, muss sie nur noch vom Deutschen Olympischen Sportbund nominiert werden. Aber das dürfte die kleinste Hürde sein.

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Erstellt:
7. Juni 2024, 06:00 Uhr

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