SPD-Generalsekretär
Von Popstar zum Politiker: Kevin Kühnert tritt zurück
Der SPD-Generalsekretär gibt aus gesundheitlichen Gründen sein Amt ab. Er hätte eine zentrale Rolle im Wahlkampf des Jahres 2025 gehabt. Wie er in Erinnerung bleiben möchte, hat der heute 35-Jährige schon vor Jahren verraten.
Von Tobias Peter
Alles begann mit einer gelben Tüte Hustenbonbons. Kevin Kühnert, gerade erst als Juso-Chef gewählt, drückte sie dem damaligen SPD-Chef Martin Schulz in die Hand. Also dem Mann, der eine weitere große Koalition mit Angela Merkels CDU erst ausgeschlossen hatte und dann doch Gespräche führen wollte. Folglich musste Schulz, schwer erkältet angereist, seine Pläne beim Juso-Bundeskongress verteidigen.
Kühnert gab Schulz die Bonbons – und las ihm dann die Leviten. Das war im Jahr 2017. Es war die Geburt eines politischen Popstars, der sich schon bald nicht scheuen sollte, Verantwortung in der Partei zu übernehmen. Als Generalsekretär der SPD wäre der 35-Jährige eine der zentralen Figuren bei der Organisation des Wahlkampfes im Jahr 2025 gewesen. Jetzt ist er zurückgetreten – aus gesundheitlichen Gründen, wie er in einem Brief an die Parteimitglieder und die Öffentlichkeit geschrieben hat.
Das Eingeständnis
Im Wahlkampf müsse jeder über sich hinauswachsen, hatte Kühnert noch vor wenigen Tagen gesagt. Nun müsse er eingestehen: „Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin.“ Deshalb wolle er auch nicht erneut als Kandidat bei der Bundestagswahl antreten. Sein Nachfolger soll SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch (55) werden.
Kühnert hat seit seinen Zeiten als Juso-Chef eine außergewöhnliche politische Karriere hingelegt. Obwohl es ihm nach der Bundestagswahl 2017 nicht gelang, eine große Koalition zu verhindern, wurde er damals zur Projektionsfläche für die Hoffnungen all jener, die sich eine andere SPD wünschten. „Der Personenkult war absurd“, sagte Kühnert einmal darüber, wie er zu Zeiten des Kampfes gegen die große Koalition gefeiert wurde.
Kühnert war der mächtigste Juso-Chef aller Zeiten: weit bedeutender als Gerhard Schröder, der ebenfalls mal die Jugendorganisation geführt hat. Denn nach dem Sturz von Andrea Nahles als Parteichefin schafften es Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken mit Kühnerts Unterstützung, das Votum der Mitglieder über den Parteivorsitz zu gewinnen. Der Verlierer damals war: Olaf Scholz, der später Kanzlerkandidat und Regierungschef werden sollte.
Angst davor, auch selbst in der Partei Verantwortung zu übernehmen, hatte Kühnert nach Scholz‘ Wahlsieg nicht. Er wurde SPD-Generalsekretär. Ein Job, unter dem Scholz selbst schon gelitten hatte, als er in früheren Zeiten Gerhard Schröders Hartz-IV-Reform verteidigen musste. Scholzomat wurde er damals wegen seiner floskelhaften Sprache genannt.
Auch als Generalsekretär blieb Kühnert eloquent – dankbar war die Aufgabe, letztlich die Politik des Olaf Scholz zu kommunizieren, oft aber nicht. Kühnert wurde vom Popstar zu jemandem, der als mehr oder weniger normaler Politiker damit leben musste, manche Hoffnungen zu enttäuschen. Ein Generalsekretär muss die Partei zusammenhalten – in Regierungszeiten und in Zeiten schlechter Umfragen ein Knochenjob.
Vier Jahrzehnte Zeit
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte, Kühnert brauche jetzt alle Zeit, um gesund zu werden. Co-Parteichefin Saskia Esken sagte, die Tür stünde für die Zukunft immer offen.
Auf die Frage, wie er in Erinnerung bleiben wollte, antwortete Kühnert in einem Interview einmal: „Als Freund, als einer, der wichtige zwischenmenschliche Beziehungen ein Leben lang gepflegt hat.“ Der Sozialdemokrat, der gern Fußballspiele und andere Sportarten anschaut, fügte hinzu: „Ich fände es cool, wenn es mir gelänge, mit meinem besten Kumpel im Alter von 75 Jahren noch auf Sportveranstaltungen abzuhängen.“ Bis dahin hat er noch vier Jahrzehnte Zeit. Vielleicht auch für ein Comeback.