Versuchter Mord an Ehefrau in Pforzheim

War es ein versuchter Femizid? Neuer Prozess am Landgericht

Ein Mann soll versucht haben, seine Frau zu töten. Wegen der „Familienehre“? Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Doch der Verteidiger hat viele Fragen - und Rückenwind vom BGH.

Nach seiner erfolgreichen Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) steht ein 38-Jähriger zum zweiten Mal vor dem Landgericht Karlsruhe. (Symbolbild)

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Nach seiner erfolgreichen Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) steht ein 38-Jähriger zum zweiten Mal vor dem Landgericht Karlsruhe. (Symbolbild)

Von red/dpa/lsw

Neuer Prozess wegen versuchten Mordes an einer Ehefrau in Pforzheim: Nach seiner erfolgreichen Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) steht ein 38-Jähriger zum zweiten Mal vor dem Landgericht Karlsruhe. 

Das Gericht hatte ihn im Frühjahr vergangenen Jahres zu 13 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Es sah es als erwiesen an, dass er die Mutter der vier gemeinsamen Kinder im Juni 2022 in Tötungsabsicht vom Balkon ihrer Pforzheimer Wohnung im vierten Stock gestoßen hat.

Sie soll dabei auf den darunter liegenden Balkon gefallen sein. Der Angeklagte sei hinterher gesprungen und habe sie dort geschlagen und gewürgt. Als die Nachbarn die Schreie der sich verzweifelt wehrenden Frau auf ihrem Balkon hörten und die Balkontür öffneten, soll der Mann seine Frau an den Haaren durch die Wohnung gezogen und sie im Treppenhaus weiter malträtiert und gewürgt haben. Das Opfer verlor das Bewusstsein, der Täter flüchtete. 

Opfer hatte sich von Ehemann getrennt

„Er wollte sie töten, um die „Familienehre wieder herzustellen“, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Drei Jahre zuvor habe sich das Opfer vom Ehemann getrennt. 

Der türkische Angeklagte hatte die Tat im ersten Prozess bestritten. Sein Anwalt hält die festgestellte Balkonwurf-Version aus verschiedenen Gründen nicht für plausibel. Die Revision beim BGH hatte aber aus ganz anderen Gründen Erfolg.

Die höchsten deutschen Strafrichter bemängelten im ersten Prozess einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, weil dem nur rudimentär Deutsch sprechenden Mann die Anklageschrift nicht schriftlich auf Türkisch vorlag.

Ein Angeklagter könne auf ein Urteil nur dann hinreichend Einfluss nehmen, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt sei. Eine mündliche Übersetzung des Anklagesatzes genüge nur in Ausnahmefällen.

Beruht das Urteil auf einem Informationsdefizit des Angeklagten?

Der 38-Jährige unterhält sich seinem Anwalt zufolge in der Regel kurdisch. In der Schule lesen gelernt habe er aber nur türkisch. Der BGH schloss nicht aus, dass das Urteil auf einem Informationsdefizit des Angeklagten beruht. Dieser habe das Tatgeschehen in weiten Teilen abweichend vom Anklagevorwurf geschildert.

Bis Ende September sind im neuen Prozess laut Gericht sieben Verhandlungstage angesetzt. Es sind neben Sachverständigen 20 Zeugen geladen. Auch das Opfer selbst und eines ihrer Kinder soll angehört werden. Die Frau, die nach der Attacke mehrere Tage im Krankenhaus lag, ist in einem Zeugenschutzprogramm. 

Der Anwalt des Angeklagten äußerte Zweifel, ob im zweiten Prozess über seinen Mandanten gerecht geurteilt wird. Er stellte einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. In den zeitlich dicht getakteten Zeugenvernehmungen sieht er Hinweise auf eine „mangelnde Bereitschaft zur Aufklärung“.

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Erstellt:
30. August 2024, 14:34 Uhr

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