Ausraster des Nationalspielers

Warum Antonio Rüdiger neues Vertrauen erhält

Nach dem Wutausbruch im spanischen Pokalfinale äußert sich auch der DFB-Sportdirektor Rudi Völler kritisch über den Star. Konsequenzen für die Nationalmannschaft muss der Abwehrspieler aber wohl nicht fürchten.

Mitten in den Tumulten: Der wütende Antonio Rüdiger (Vierter von links) muss davon abgehalten werden, auf den Platz zu stürmen.

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Mitten in den Tumulten: Der wütende Antonio Rüdiger (Vierter von links) muss davon abgehalten werden, auf den Platz zu stürmen.

Von Carlos Ubina

Antonio Rüdiger hinterlässt Eindruck. Das ist jetzt so, wenn er das weiße Trikot von Real Madrid überstreift, und das war schon in seinen jungen Profijahren so, als er noch für den VfB Stuttgart auflief. Der Abwehrspieler sei vor Spielen derart voller Adrenalin, dass er bereits beim Aussteigen aus dem Auto auf dem Parkplatz den ersten Gegner abgrätschen wolle, hieß es damals beim Fußball-Bundesligisten.

Im Grunde hat sich nichts verändert. Rüdiger tritt noch immer aggressiv auf. Und er überschreitet dabei Grenzen. Trotz seiner Erfahrung mit mittlerweile 32 Jahren. Trotz seiner Triumphe in der Champions League. Gelassenheit ist nichts für den gebürtigen Berliner, Provokationen auf dem Platz schon. Für diese Attitüde, alles (ohne Rücksicht auf Verluste) für den Erfolg zu geben, schätzen ihn die Mitspieler – und fürchten ihn die Gegenspieler.

Beim spanischen Pokalfinale in Sevilla präsentierte sich der Innenverteidiger beim 2:3 gegen den FC Barcelona jedoch außer Rand und Band. Der ausgewechselte Rüdiger warf mit einem Eisbeutel nach dem Schiedsrichter, beschimpfte und beleidigte Ricardo de Burgos Bengoetxea und sah dafür die Rote Karte. Allerdings beruhigte sich die Situation nicht. Der Real-Star tobte weiter und war von Betreuern und Mitspielern nur schwer davon abzuhalten, den Unparteiischen körperlich zu attackieren. Wilde Szenen, die eine Diskussion über seine Vorbildfunktion sowie über den mangelnden Anstand und die angemessene Strafe auslösten.

In Spanien wird Rüdiger für seinen Ausraster wohl wochenlang gesperrt, in Deutschland soll der Nationalspieler zumindest suspendiert werden. Das forderten umgehend die Ex-Profis und TV-Experten Lothar Matthäus und Dietmar Hamann. Rüdiger solle bei den nächsten Länderspielen auf der Bank sitzen, meinte Matthäus. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reagierte zunächst einmal nicht. Mit fast zwei Tagen Abstand hat sich nun Rudi Völler zu dem Eklat geäußert. „Das geht nicht. Schon gar nicht als deutscher Nationalspieler. Das muss er ändern und das weiß er auch selbst, das zeigt seine öffentliche Reaktion“, sagt der DFB-Sportdirektor Rudi Völler.

Rüdiger zeigt Reue und hat sich über die sozialen Medien für sein Verhalten entschuldigt. Da er jedoch als Wiederholungstäter gilt und schon mehrfach in unterschiedlicher Form negativ aufgefallen ist, darf er kaum auf mildernde Umstände hoffen. Weder in der Sanktionierung durch das Sportgericht noch in der öffentlichen Wahrnehmung. Rüdiger bleibt eine Reizfigur.

Die Frage wird nun sein, ob der Bundestrainer Julian Nagelsmann auf den Weltklasse-Mann in der Abwehr verzichten will, wenn es vom 4. bis 8. Juni im Finalturnier der Nations League in München und Stuttgart um den Sieg geht. Denn Rüdiger ist eingeplant, Rüdiger ist wichtig, Rüdiger ist aber auch eine unberechenbare Größe. Bereits während seiner VfB-Zeit arbeitete er mit einem Mentalcoach zusammen, um seine Energie in die richtigen Bahnen zu lenken.

Sportlich ist das Rüdiger gelungen. „Toni ist ein klasse Spieler – aber Klasse muss er als Nationalspieler auch bei seinem Verhalten zeigen“, sagt Völler, „er fordert zu Recht Respekt für sich ein, diesen Respekt muss er ohne Ausnahme auch anderen entgegenbringen.“ Um die Situation zu klären, hat sich Rüdiger nach den Vorfällen bei Völler, dem guten Geist der Nationalmannschaft, sowie Nagelsmann, dem entscheidenden Mann für die Nationalelf, gemeldet. Das Thema wurde zudem im DFB-Kreis mit Präsident Bernd Neuendorf und Geschäftsführer Andreas Rettig besprochen, da sich der Verband nicht nur als sportliche Institution versteht, sondern ebenso als moralische Instanz.

Ein Teil der hochgehaltenen Werte wurde nun vom eigenen Vizekapitän mit Füßen getreten. Konkrete Konsequenzen leitet der DFB bisher jedoch nicht ab. Völler und Co. belassen es wohl dabei, den Zeigefinger zu heben und Rüdiger ins Gewissen zu reden. Eine Gelbe Karte, mag man urteilen. „Er ist ein sehr emotionaler Typ, ein Kämpfer auf dem Platz. Das soll er auch bleiben“, sagt Völler über das Mentalitätsmonster, das Nagelsmann in seiner Elf haben will. Allerdings mit Mäßigung. Dafür schenkt die Sportliche Leitung dem Abwehrchef neues Vertrauen. Es soll helfen, die Rambo-artigen Auftritte Rüdigers unter Kontrolle zu halten – was ebenfalls Eindruck hinterlassen würde.

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Erstellt:
28. April 2025, 17:04 Uhr

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