Wohnungsmarkt
Warum auch freie Wohnungen zum Problem werden können
In Deutschland gibt es rund zwei Millionen freie Wohnungen. Doch eine Lösung für die Wohnungskrise ist das nicht. Vielmehr sorgt es für andere Probleme.
Von Tobias Heimbach
In Berichten über den Wohnungsmarkt in Deutschland geht es meist um fehlenden Platz in Städten, Hunderte Interessenten bei Besichtigungen, um steigende Preise. Doch es gibt Teile in Deutschland, da ist die Lage völlig anders: Mietpreise von sechs Euro pro Quadratmeter und viele freie Wohnungen, zwischen denen sich Bewerber entscheiden können. Leerstand ist eine Realität in zahlreichen Regionen Deutschlands. Wie man damit umgeht, dazu hat Bauministerin Klara Geywitz (SPD) am Dienstag in Berlin eine Strategie vorgestellt. Das Wichtigste im Überblick.
Wie viel Leerstand gibt es?
Rund 1,92 Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer. Das geht aus Zensusdaten von 2022 hervor. Auf dem Land ist der Leerstand mit rund 6 Prozent am größten, in städtischen Kreisen liegt er bei 4,2 Prozent und in kreisfreien Großstädten ist er mit 3,4 Prozent am geringsten. Ausreißer nach oben und unten gibt es allerdings in jeder Kategorie.
In Ostdeutschland ist das Problem stärker ausgeprägt. Das Bundesland Berlin nicht mitgezählt, standen dort 535 000 Wohnungen leer, rund 7,6 Prozent des Bestands. Im Westen liegt der Wert bei 4 Prozent oder 1,35 Millionen Wohnungen. Zum Vergleich: In begehrten Städten wie Stuttgart liegt der Leerstand bei 0,3 Prozent – das bedeutet Klartext: Von 1000 Wohnungen sind drei verfügbar. Bei einer Leerstandsquote von zwei Prozent gilt ein Wohnungsmarkt eigentlich als gesättigt.
Kann man diese freien Wohnungen nutzen, um die Krise in den Städten abzumildern?
Eher nicht. „Der Leerstand ist kein Überlaufbecken der großen Metropolen“, sagte Geywitz. Viele Städte und die umliegenden Speckgürtel seien bereits erschlossen. Ein großer Teil der leerstehenden Wohnungen liege abseits davon. Man müsse es schaffen, diese Regionen wieder attraktiv zu machen, sagte Geywitz. „Demografie ist kein Schicksal. Man kann tatsächlich etwas dagegen machen.“
Was will das Ministerium tun?
Die vorgestellte Strategie nennt mehrere Punkte. Etwa durch Städtebauförderung will man helfen, dass Orte an Lebensqualität gewinnen und so Menschen vom Wegzug abhalten – oder neue Bewohner anziehen. „Guter öffentlicher Nahverkehr, Bildung und Arbeitsplätze sind unerlässlich“, sagte Geywitz. Ein weiteres Rezept gegen Leerstand ist die Umnutzung, etwa von leerstehenden Gewerbeflächen zu Wohnungen. Zudem gibt es das Programm „Jung kauft Alt“. Damit erhalten Familien mit Kindern Förderung, wenn sie ein bestehendes Haus kaufen und sanieren. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Ortskerne verfallen, während am Stadtrand Neubaugebiete entstehen. Seit Programmstart im September 2024 wurden 223 Förderzusagen erteilt.
Warum ist zu viel Leerstand ein Problem?
Auch leerstehende Häuser müssen instandgehalten werden. Wohnungsunternehmen müssen zudem umfangreiche Sanierungen finanzieren, die in den kommenden Jahren aufgrund von Klimaschutzvorgaben anstehen. Mit niedrigen Mieteinnahmen ist das nur schwer zu finanzieren. Geywitz sagte daher: „Man muss auch realistisch sein. Das Thema Rückbau – man kann auch Abriss sagen – wird uns nicht verlassen.“ 2023 wurden laut Statistischem Bundesamt deutschlandweit mehr als 16 000 Wohnungen abgerissen. Das Problem: Auch der Abriss kostet Geld, das dann für andere Vorhaben fehlt.
Was ist mit Leerstand in begehrten Lagen?
Zum großen Teil ist Leerstand ein Nachfrageproblem. Wenn eine Region wirtschaftlich schwach ist, sinkt die Bevölkerungszahl. Doch auch in begehrten Städten gibt es immer wieder Wohnraum, der verfällt oder schlicht nicht genutzt wird, entweder aus Spekulationsgründen oder weil der Besitzer den Wohnraum schlicht nicht vermieten möchte und es sich finanziell leisten kann. Hier verwies Geywitz auf die Zuständigkeit der Länder und die Kommunen. In einigen Städten gibt es bereits solche Zweckentfremdungsverbote mit hohen Strafen. Geywitz sagte allerdings, dass es oft ein Durchsetzungsproblem gebe. „Die Kommune muss wirklich jemanden haben, der registriert, wenn Leerstand vorhanden ist und das auch kontrollieren.“