Naher Osten

Warum greift Israel in Syrien an?

Nur wenige Tage nach Beginn ihrer überraschenden Offensive haben islamistische Kämpfer in Syrien die Hauptstadt Damaskus erobert. Israel bombardiert indes Ziele in dem Land. Warum?

Panzer fahren an der Grenze zwischen Israel und Syrien auf.

© dpa/Matias Delacroix

Panzer fahren an der Grenze zwischen Israel und Syrien auf.

Von Michael Bosch/AFP

Über 14 Jahre lang unterdrückte Baschar al-Assad den Aufstand in Syrien mit brutaler Gewalt. Dann dauerte es nur elf Tage, bis islamistische Rebellen den Machthaber stürzten. Das Ende von mehr als fünf Jahrzehnten Assad-Herrschaft bedeutet nicht nur für Syrien einen Neuanfang. In der gesamten Region ordnen sich die Machtverhältnisse neu. Ein wichtiger Akteur dabei: Israel.

Israel hat auf die Entwicklung im Nachbarland reagiert und Truppen in die entmilitarisierte Pufferzone zu Syrien auf den Golanhöhen entsandt, in der UN-Blauhelme stationiert sind. Offenbar geht es darum, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Bei einem Besuch vor Ort sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu, er habe die Armee angewiesen, in die Pufferzone einzumarschieren und die Kontrolle über das Gebiet sowie „angrenzende strategische Positionen“ zu übernehmen. Israel werde es „keiner feindlichen Kraft erlauben, sich an unserer Grenze festzusetzen“.

Israel interveniert in Syrien

Gleichzeitig betonte Netanjahu, dass sein Land an einer „guten Nachbarschaft“ mit Syrien interessiert sei. Man biete all jenen die Hand an, die an Frieden mit Israel interessiert seien. Die israelische Armee scheint das Durcheinander in dem Land zu nutzen, um die Hisbollah und auch den Iran „auf Abstand“ zu halten. Über Syrien wurde die Miliz bislang auch mit Waffen versorgt.

Syrische Kämpfer von Tahrir-al-Scham (HTS) geben sich indes euphorisch: Per Social Media kündigen sie an, nach Damaskus gerne auch noch Jerusalem und Gaza „befreien“ zu wollen. Auch deswegen sieht sich Israel zu präventiver Verteidigung in Syrien gezwungen.

HTS Islamist Militants in Damascus Declare: We Will Enter Al-Aqsa Mosque in Jerusalem, the Prophet’s Mosque in Medina, and the Kaaba in Mecca, Just Like We Entered the Umayyad Mosque in Damascus pic.twitter.com/5JO9iWULx0 — MEMRI (@MEMRIReports) December 9, 2024

Israel greift in Syrien an: Welche Ziele wurden beschossen?

„Wir haben strategische Waffensysteme angegriffen, darunter Reste von Chemiewaffen oder Langstreckenlenkwaffen und -raketen, damit sie nicht in die Hände von Extremisten fallen“, sagte der israelische Außenminister Gideon Saar am Montag. 

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte die israelische Armee bereits „Stunden nach Bekanntwerden“ von Assads Sturz am Sonntag und erneut in der Nacht zum Montag militärische Stellungen und Lager in mehreren Landesteilen Syriens angegriffen. Dabei seien gezielt Lager für Luftabwehrwaffen und Munitionsdepots der syrischen Armee in den an der Mittelmeerküste gelegenen Städten Latakia und Tartus ins Visier genommen worden. 

Israel habe darüber hinaus im Süden Syriens Angriffe auf das nahe der annektierten Golanhöhen gelegene Tal al-Hara und Militärstellungen in Israa in der Provinz Daraa unter Beschuss genommen, erklärte die Beobachtungsstelle. Nahe der Hauptstadt Damaskus beschoss Israel demnach Lager mit Panzerabwehrwaffen.

Warum greift Israel in Syrien an?

Am Sonntag hatte die israelische Luftwaffe laut der Beobachtungsstelle bereits einen Gebäudekomplex mit Einrichtungen von Militär, Geheimdiensten und Zoll in Damaskus sowie Stellungen und Waffenlager nahe dem Militärflughafen Masseh angegriffen. Zudem habe die Armee „frühere Militäreinrichtungen“ in der südsyrischen Provinz Kuneitra bombardiert.

Die Angaben der Beobachtungsstelle können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden, die in London ansässige Organisation stützt sich auf ein weites Netzwerk von Quellen in Syrien.

Die islamistische Gruppierung Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Kämpfer hatten am 27. November in Syrien eine überraschende Offensive gestartet, bei der sie blitzschnell vormarschierten. Am Sonntag nahmen sie die Hauptstadt Damaskus ein, der langjährige Machthaber Baschar al-Assad flüchtete nach russischen Agenturberichten mit seiner Familie nach Russland.

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Erstellt:
9. Dezember 2024, 15:14 Uhr
Aktualisiert:
9. Dezember 2024, 17:50 Uhr

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