Höhere Hebesätze

Warum immer mehr Kommunen bei der Grundsteuer abkassieren

Die Kassen vieler Städte und Gemeinden sind klamm. Ihre Instrumente für mehr Einnahmen sind begrenzt. Eine Studie zeigt, wie sehr die Kommunen zuletzt an einer bestimmten Steuerschraube gedreht haben.

Das Wort Grundsteuer erscheint auf einem Computerbildschirm auf der Seite des Online-Steuerportals Elster.

© dpa/Bernd Weißbrod

Das Wort Grundsteuer erscheint auf einem Computerbildschirm auf der Seite des Online-Steuerportals Elster.

Von Markus Brauer/dpa

Städte und Gemeinden in Deutschland greifen bei der Grundsteuer immer tiefer in die Taschen der Bürger. Im vergangenen Jahr hatten 53 Prozent der Kommunen einen Hebesatz von 400 oder mehr. Zum Vergleich: 2005 fielen nur fünf Prozent in diese Hochsteuergruppe.

Das zeigt eine Analyse der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY). Umgekehrt hatten 2005 noch 22 Prozent der Kommunen einen Hebesatz unter der Marke von 300. Vergangenes Jahr waren es drei Prozent.

Höhe der Zahlung abhängig von Grundstücksgröße

Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen, aus der zum Beispiel Straßen, Schwimmbäder oder Theater finanziert werden. Es ist eine jährliche Steuer auf den Besitz von Grundstücken und Gebäuden. Vermieter können sie auch auf die Mieter umlegen.

Wie viel bezahlt werden muss, ist abhängig vom Grundstück, dem Gebäude darauf und dem kommunalen Hebesatz. Dieser ist im Gemeindesteuerrecht festgelegt. Er ist ein Faktor, mit dessen Hilfe die Gewerbesteuer von Unternehmen ermittelt wird. Je höher der Hebesatz ist, desto höher ist auch die Steuer. Die Kommunen legen die Hebesätze selbst fest.

Ab 2025 neue Grundlage für Grundsteuer

Bei den meisten Wohnungs- oder Hauseigentümern geht es um einige hundert Euro im Jahr, bei Eigentümern von Mietshäusern dagegen oft um vierstellige Beträge. Von 2025 an muss die Grundsteuer, die auf Immobilien fällig wird, auf einer neuen Grundlage berechnet werden.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die bisherige Bemessungsgrundlage in Deutschland verfassungswidrig war.

„Regelrechte Welle an Steuererhöhungen“

Zahlreiche Städte und Gemeinden stehen EY-Experte Heinrich Fleischer zufolge finanziell mit dem Rücken zur Wand. „Die anhaltend schlechte Finanzsituation vieler Kommunen erfordert häufig eine Anhebung der Hebesätze.“ Sie hätten mit Kostensteigerungen zu kämpfen, die sie weitergeben müssten. Der bundesweite Trend zu immer höheren Grundsteuer-Hebesätzen habe sich dadurch weiter beschleunigt.

Fleischer zufolge lässt sich vor dem Inkrafttreten der Grundsteuer-Reform eine „regelrechte Welle an Steuererhöhungen“ beobachten. Seiner Ansicht nach wird dies auch im laufenden Jahr anhalten – auch, um das Versprechen einhalten zu können, die Bürger durch das neue Grundsteuer-Recht nicht zusätzlich zu belasten.

Ob das gelingt, bezweifelt er: „Die Versuchung, im Zuge der Umstellung auf das neue Grundsteuer-Modell zusätzliche Mehreinnahmen zu generieren, ist sehr groß.“ Angesichts der schwachen Wirtschaftslage dürfte der Spielraum der Kommunen laut Fleischer eher kleiner als größer werden.

Nur 49 Kommunen senken Hebesatz

  • 2023: 2671 und damit gut ein Viertel aller Städte und Gemeinden erhöhten der Analyse zufolge den Hebesatz im vergangenen Jahr.
  • 2022: Da lag der Anteil der Kommunen, die den Satz binnen Jahresfrist heraufgesetzt hatten, bei 13 Prozent, ein weiteres Jahr zuvor bei acht Prozent.
  • Im Gegensatz dazu gab es 2023 quasi keine Senkungen: Nur 49 der knapp 10.800 Kommunen in Deutschland reduzierten der Analyse zufolge den Hebesatz. Das entspricht 0,4 Prozent.
  • Im bundesweiten Schnitt lag der Hebesatz im vergangenen Jahr bei 409 Prozent und damit 18 Prozentpunkte höher als 2022.
  • Das sei der mit Abstand stärksten Anstieg seit Beginn der Untersuchungen 2005 gewesen. Damals lag der Durchschnitt noch bei 317.

Wie hoch sind die Hebesätze in den Südwest-Kommunen?

Hier einige kommunale Beispiele aus Baden-Württembrg für das Jahr 2024:

  • Höhere Abgaben bei der Grundsteuer B müssen ab diesem Jahr insbesondere die Bewohner von Konstanz stemmen. Dort sei der Hebesatz am deutlichsten gestiegen – und zwar von 410 Prozent auf 510 Prozent, wie der Steuerzahlerbund mitteilt.
  • Vier weitere Städte haben den Hebesatz ebenfalls deutlich angehoben: Albstadt von 350 auf 400 Prozent, Wangen im Allgäu von 425 auf 475 Prozent und Heilbronn sowie Lörrach von 450 auf 500 Prozent.
  • In fünf weiteren Kommunen sei die Erhöhung etwas geringer ausgefallen, so der Steuerzahlerbund. „Zahlreiche Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg haben aber schon in den vergangenen Jahren an der Grundsteuerschraube gedreht. Dies gilt es mit Blick auf das Ergebnis zu berücksichtigen.“
  • Den höchsten Hebesatz haben Eigentümer beziehungsweise Mieter – auf die in der Regel die Grundsteuerlast umgelegt wird – weiterhin in Tübingen (660 Prozent) und in Freiburg (600) zu schultern.

So ist die Situation in den Bundesländern

Der sprunghafte Anstieg gehe vor allem auf eine Entwicklung in Rheinland-Pfalz zurück: Dort erhöhten 2023 vier von fünf Kommunen den Grundsteuer-Hebesatz. Nach Angaben von EY lag das an einer Reform des kommunalen Finanzausgleichs. Um Einnahmeverluste zu vermeiden, hätten viele Städte und Gemeinden die Hebesätze teils deutlich anheben müssen, heißt es.

Das Bundesland mit den höchsten durchschnittlichen Hebesätzen war Nordrhein-Westfalen (577), gefolgt von Hessen (507) und Rheinland-Pfalz (464). Die niedrigsten Sätze hatten im vergangenen Jahr im Durchschnitt die Kommunen in Schleswig-Holstein (348), Bayern (355) und Baden-Württemberg (370). Die Grundsteuer B spülte nach früheren Angaben des Statistischen Bundesamtes 2023 rund 15,1 Milliarden Euro in die Kassen.

Info: Grundsteuer

Grundstück: Die Grundsteuer wird vom Besitzer eines Grundstücks gezahlt. Dabei ist es unwichtig, ob das Grundstück bebaut oder unbebaut ist, denn der Gegenstand der Besteuerung ist der eigentliche Besitz von Grund und Boden.

Typ: Bei der Grundsteuer unterscheidet man zwischen der Grundsteuer A und B. Die Grundsteuer B gilt für bebaute und für unbebaute Grundstücke. Für landwirtschaftliche Betriebe fällt hingegen die Grundsteuer A an. Für diese Betriebe muss ein Wirtschaftswert ermittelt werden, der die Basis für die sogenannte Ertragsfähigkeit ist.

Grundsteuer B: Die Grundsteuer B umfasst alle bebauten und unbebauten Grundstücke einschließlich Grundstücke für:

Reform Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form kann übergangsweise bis zum 31. Dezember 2024 weiter erhoben werden. Ab dem 1. Januar 2025 wird dann die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Rechts erhoben.

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Erstellt:
22. November 2024, 09:32 Uhr

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