Gesichtspareidolie

Warum wir überall Gesichter sehen

Unser Gehirn gaukelt uns im Alltag oft vor, Gesichter zu sehen, wo keine sind. Woher diese Sinnestäuschung kommt, haben Forscher nun herausgefunden.

Nebenprodukt der Optimierung unseres Gehirns: Menschen entdecken immer wieder Gesichter in unbelebten Objekten – wie hier in dem Schaum auf dem Kaffee.

© © JLU/Lisa Dittrich

Nebenprodukt der Optimierung unseres Gehirns: Menschen entdecken immer wieder Gesichter in unbelebten Objekten – wie hier in dem Schaum auf dem Kaffee.

Von Markus Brauer

Wir sehen Gesichter im Alltag überall. Auch da, wo eigentlich keine sind: im Schaum unseres morgendlichen Kaffees, auf Baumstämmen oder in den Wolken. Warum wir Menschen die Fähigkeit besitzen, in den unterschiedlichsten Objekten Augen, Münder und teils auch Nasen zu erkennen, ist bislang nicht geklärt.

Sinnestäuschung: Gesichtspareidolie

Die beiden Forscherinnen Pranjul Gupta und Katharina Dobs von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) vermuten, dass diese Sinnestäuschung – die sogenannte Gesichtspareidolie – darauf beruht, dass unser Gehirn zweierlei Fähigkeiten zur gleichen Zeit perfektioniert hat: Einerseits Gesichter zu erkennen und andererseits Objekte zu klassifizieren.

Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift „PLOS Computational Biology“ veröffentlicht worden.

Identifizieren und Einordnen

Die beiden Wissenschaftlerinnen haben Reaktionen auf bestimmte Sinnesreize im Gehirn von Versuchspersonen mit neuronalen Netzwerken verglichen, die sie mithilfe künstlicher Intelligenz entwickelt hatten.

Nur eines dieser computergesteuerten Netzwerke reagierte ähnlich wie ein menschliches Gehirn auf vermeintliche Gesichtsmerkmale in unbelebten Objekten. Nämlich dasjenige, das zuvor gleichzeitig darin geschult wurde, Gesichter zu identifizieren und Objekte in verallgemeinerbare Kategorien einzuordnen.

Gesichter im Kaffeeschaum und in Wolken

„Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass diese Sinnestäuschung auch beim Menschen darauf zurückzuführen ist, dass unser Gehirn zeitgleich gelernt hat, Gesichter zu erkennen und Objekte zu kategorisieren“, erklärt Katharina Dobs, Professorin für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt Kognitive Systeme.

„Wenn wir also in unserem Kaffeeschaum oder in den Wolken ein Gesicht sehen, ist das keine zufällige Kuriosität, sondern ein systematisches Nebenprodukt der Optimierung unseres Gehirns.“

Die Studie leistet den Forscherinnen zufolge nicht nur einen Beitrag dazu, die möglichen Ursachen der Gesichtspareidolie zu ergründen. Sie wollen damit auch auf das Potenzial künstlicher neuronaler Netzwerke aufmerksam machen, um andere komplexe Phänomene rund um das menschliche Sehen zu erforschen.

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Erstellt:
7. März 2025, 16:12 Uhr
Aktualisiert:
7. März 2025, 17:29 Uhr

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