Was britisch-deutsche Bande ausmachen

Beim Jubiläumswochenende zum 40. Geburtstag der Städtepartnerschaft von Murrhardt und Frome werden Verbindungen gestärkt und frisch geknüpft. Beide Seiten möchten wieder mehr junge Menschen ins Boot holen und tragen Ideen zusammen, um den Austausch neu zu beleben.

Der Blick vom Balkon des Rathaussaals auf den Murrhardter Marktplatz – kurz fürs Foto gewendet – mit Stadtrat Gerd Linke, Stadträtin Sonja Allinger-Helbig, Bürgermeister Philip Campagna mit seiner Gattin Karin, Bürgermeister Armin Mößner sowie den beiden Stadträten Andreas Winkle und Klaus-Peter Dörrscheidt (von links).

© Stefan Bossow

Der Blick vom Balkon des Rathaussaals auf den Murrhardter Marktplatz – kurz fürs Foto gewendet – mit Stadtrat Gerd Linke, Stadträtin Sonja Allinger-Helbig, Bürgermeister Philip Campagna mit seiner Gattin Karin, Bürgermeister Armin Mößner sowie den beiden Stadträten Andreas Winkle und Klaus-Peter Dörrscheidt (von links).

Von Christine Schick

Murrhardt. Zum Empfang der Gäste aus dem englischen Frome im Murrhardter Rathaus am Freitagspätnachmittag sind amtierende und ehemalige Stadträtinnen und Stadträte sowie in der Partnerschaftsarbeit engagierte Murrhardterinnen und Murrhardter gekommen. Diese und Bürgermeister Armin Mößner heißen die kleine britische Delegation (das Treffen wurde relativ spontan im Juni vorgeschlagen) mit Bürgermeister Philip Campagna und seiner Frau Karin sowie Susan Wilthew, ehemalige Verwaltungschefin, und Margaret Brulais von der Frome Twinning Association, dem dortigen Partnerschaftsverein, willkommen.

In den ersten Gesprächen scheinen Erinnerungen auf, nicht wenige begleiten die deutsch-englische Partnerschaft, die ihren 40. Geburtstag feiert, von Anbeginn an. Nachdem Murrhardt bereits mit der französischen Partnerstadt Château-Gontier (1966) verbunden war, von der die Anregung ausging, auch eine Brücke zu deren englischer Partnerstadt Frome zu schlagen, mündeten verschiedene Initiativen 1983 in dem neuen Pakt. Gitta Luther-Frömel und Hans-Ulrich Luther beispielsweise pflegen die Dreierstädtepartnerschaft, die sich später mit dem polnischen Rabka-Zdrój (2009) zu einem Viererbund erweitert hat, schon über Generationen. Gitta Luther-Frömels Vater hat den Anfang mit Château-Gontier gemacht, und auch die Kinder des Ehepaars, das vor 40 Jahren beim Gründungsakt dabei war, haben weitere Bande geknüpft. Michèle Hartmann ist bis heute in der Partnerschaftsarbeit aktiv und fährt jedes Jahr zweimal nach Frome. Auch Horst Klein, der mit seiner Tochter Heike Bornträger gekommen ist, ist ein Mann der ersten Stunde und kommt auf 28 Reisen nach Frome. Oder da ist Stadtrat Klaus-Peter Dörrscheidt, der mit 17 Jahren 1985 eine vierwöchige Radtour mit Fromebesuch bestritten hat.

In den späteren Reden sowie Gesprächen wird klar, dass es vor allem engagierte Menschen sind, mit denen die Partnerschaft aufblühen kann. Ein Beispiel dafür ist auch die Begegnung Martin Pfenders, ehemaliger Technischer Beigeordneter, der 1980 Rodney Godall aus Frome im Rathaus traf. Der Engländer hatte sich auf dem Campingplatz am Fornsbacher Waldsee einquartiert, um erste Kontakte für ein Partnerschaftsprojekt zu knüpfen. Martin Pfender reiste auf seine Einladung hin mit der Familie nach Frome. „Die Gastfreundschaft war riesengroß“, lässt er per E-Mail wissen, da er bei der Begrüßung nicht dabei sein kann. Später berichtete er über die dreiwöchige Reise in einem Diaabend in Murrhardt, der wesentlich dazu beitrug, dass die Partnerschaft ins Rollen kam und ins Leben gerufen wurde.

Als solch ein Brückenbauer zeigt sich auch Bürgermeister Philip Campagna. Humorvoll, offen und neugierig geht er auf die Murrhardterinnen und Murrhardter zu. „Ich danke Ihnen für diesen herzlichen Empfang“, sagt er und dass er fest mit einer guten Portion Spätzle rechne, sonst schnell wieder verschwunden sei. Nach einer Stippvisite im Naturparkzentrum und dem Besuch des kleinen Streetfoodfestivals auf dem Marktplatz am Freitag nimmt er bei der Feierstunde im Bofingersaal der Alten Post am Samstagvormittag den Faden wieder auf und erklärt seine frühe Verbindung(en) zu Schwaben, ihren Teigwaren und dem europäischen Gedanken: Während seines Chemiestudiums hat er auch Deutsch belegt und von 1978 bis 1984 über seine Arbeit bei einem Londoner Büro der Firma Carl Zeiss Oberkochen kennengelernt. „Damals hab ich auch ein bissle Deutsch gelernt“, verrät er in seiner Rede und dass er über seine Eltern, die 1954 von Sizilien nach England kamen, auch einen italienischen Hintergrund mitbringt.

Mit Blick auf 40 Jahre Partnerschaft ist 1983 für ihn der Auftakt zu einer Verbindung, die sich zu einer wunderbaren Freundschaft entwickelt hat und Pandemie und Brexit trotzen konnte. In seinen Dank dafür schließt er die Engagierten auf beiden Seiten mit ein – insbesondere die Menschen in Murrhardt, die „unser warmes Bier, das geschnittene Weißbrot und wunderbare Wetter lieben und nicht zu vergessen unseren wohlbekannten Sinn für Humor“. Philip Campagna setzt auf eine Fortführung des Erreichten, weiß aber auch um die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit mit neuen Impulsen zu beleben (siehe Infotext). Ein zentraler Punkt ist, Jugendliche der Partnerstädte zu gewinnen. Ein erster Ansatz dazu ist ein 2024 geplantes Fußballturnier von jungen Spielern aus Murrhardt und Frome, das auch Bürgermeister Armin Mößner in seiner Ansprache hervorhebt.

Zu den Gründen, die (Vierer-)Partnerschaft auch nach dem Brexit und trotz vieler eigener Herausforderungen zu pflegen und auszubauen, sagt er: „Für die einen war es vor vielen Jahrzehnten der unbedingte Wille und die tiefe Hoffnung, nach Feindschaft und Krieg die Versöhnung in Gang zu bringen für eine bessere Zukunft. Für andere war es das Ziel, jungen Menschen eine Erfahrungschance im Ausland zu bieten, Türen zu öffnen für interkulturelle Kontakte und andere Länder kennenzulernen. Für wieder andere die Möglichkeit, ein Pendant in einem anderen Land zu finden.“

Im Zuge seines Rückblicks nennt er die vielen, unterschiedlichsten Begegnungen und Projekte der Städtepartnerschaft(en). Daraus folgt für ihn auch die Verpflichtung, das begonnene Werk im Sinne der Völkerverständigung und der deutsch-britischen Freundschaft weiterzuführen und das freundschaftlich-partnerschaftliche Band, das sich durch alle vier Städte ziehe, nicht abreißen zu lassen. „Gerade in Zeiten der Globalisierung und den aktuell sehr bewegten Zeiten mit dem unsäglichen Ukrainekrieg ist der Blick über den eigenen Tellerrand und über Grenzen hinweg von großer Wichtigkeit.“

Gut durchgemischelt (von links vorne): Margaret Brulais, Horst Klein, Gudrun Gruber, Gitta Luther-Frömel, Susan Wilthew und Hans-Ulrich Luther. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Gut durchgemischelt (von links vorne): Margaret Brulais, Horst Klein, Gudrun Gruber, Gitta Luther-Frömel, Susan Wilthew und Hans-Ulrich Luther. Fotos: Stefan Bossow

Austausch im Bereich Sport, Musik und Kunst sowie zwischen Schulen flankiert von den digitalen Hilfsmitteln

Neubelebung Bürgermeister Armin Mößner und Philip Campagna tragen am Wochenende Ideen für eine Weiterentwicklung der Partnerschaft zusammen. Ansätze sind: Aufbau von Kontakten auf sportlicher, musikalischer und künstlerischer Ebene, die gemeinsame Bearbeitung von Themen wie das jüngste Umweltprojekt der Städtepartner mit einem Austausch über digitale Medien und Videokonferenzen. In Frome wird nun an einer Schule wieder Deutschunterricht angeboten, woran sich die Hoffnung an eine Neubelebung des Schüleraustauschs knüpft. Außerdem gibt es in Frome ein unabhängiges Radio, das für junge Menschen interessant sein könnte. Campagna hat auch die Idee, möglicherweise einen Austausch über die Märkte der vier Partnerstädte einzufädeln, auf denen regionale Produkte präsentiert werden. Warum nicht überall einen Stand anbieten, der eine Produktauswahl aus allen Partnerstädten bereithält und so neue Verbindungen herstellt?

Wahl Schwer für eine Kontinuität ist, dass die ehrenamtlichen Bürgermeister in England jedes Jahr neu gewählt werden. Campagna möchte sich aber über sein Amtsjahr hinaus für die Partnerschaft engagieren.

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Erstellt:
11. September 2023, 06:00 Uhr

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