Annalena Baerbock bei Caren Miosga
„Was macht Ihr Stachelschwein, Herr Ischinger?“
Die Außenministerin sieht Donald Trump im ARD-Talk fast schon gelassen, geht aber auf Distanz zu Kanzler Olaf Scholz und dem Sicherheitsexperten Wolfgang Ischinger.
![„Was macht Ihr Stachelschwein, Herr Ischinger?“ In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) über die Friedenssicherung in der Ukraine angesprochen (Archivbild).](/bilder/in-der-ard-sendung-caren-miosga-hat-bundesaussenministerin-859587.jpg)
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In der ARD-Sendung „Caren Miosga“ hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) über die Friedenssicherung in der Ukraine angesprochen (Archivbild).
Von Christoph Link
Das große Zittern vor Donald Trump ist nicht ausgebrochen am Sonntag in der Talkrunde von Caren Miosga in der ARD, weder bei Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie dem Sicherheitsexperten Wolfgang Ischinger und natürlich gar nicht beim von Trump begeisterten aus den USA zugeschalteten Politikwissenschaftler Kenneth Weinstein. Kein Wunder, der Mann berät das Trump-Team. „Wir dürfen nicht über jedes Stöckchen von Trump springen“, meinte Baerbock, nachdem Moderatorin Miosga die Liste von Provokationen verlesen hatte, die Trump kürzlich angekündigt hatte: Griff nach Grönland, Panama-Kanal und Kanada.
Vieles seien Ankündigungen, die dann korrigiert werden, meinte Baerbock, so habe der designierte US-Präsident früher gesagt, er wolle den Ukraine-Frieden binnen 24 Stunden erreichen, jetzt sei von „mehreren Monaten“ die Rede. Auch bei der Forderung nach einem Verteidigungsbeitrag von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts – was Trump von den Europäern verlangt – blieb Baerbock gelassen.
Sie wiederholte bemerkenswerterweise aber auch nicht die vom grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck für möglich gehaltenen 3,5 Prozent. „Wir müssen deutlich mehr in unsere Verteidigung investieren“, sagte Baerbock, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Die Bundeswehr sei „heruntergewirtschaftet“, man schaffe jetzt gerade einen Anteil von zwei Prozent, dass müsse ausgebaut werden. Die Ministerin setzt aber auch auf mehr europäische Zusammenarbeit der 27 EU-Armeen, gemeinsame Militärprojekte sollen Synergie schaffen.
„Kein Anlass zu Panik“
Zustimmend reagierte Baerbock auf die Worte von Wolfgang Ischinger, dem früheren Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, wonach es „keinen Anlass zur Panik“ wegen Trump geben solle. „Wir müssen ihn an seinen Taten messen, nicht an seinen berühmten Sprüchen“, sagte Ischinger. Im übrigen gehe er davon aus, dass sich Trump zunächst um andere Themen – dem Waffenstillstand in Gaza, Ukraine-Russland, Iran sowie China-Taiwan – befassen werde, bevor er sich Grönland und Panama zuwende. Da herrschte Konsens in der Runde.
Deutlich aber war der Dissens zwischen Baerbock und Ischinger in der Frage einer Absicherung des Friedens für die Ukraine, nachdem eine Waffenruhe mit Russland eingetreten sein wird. „Wer sichert den Frieden? Eine europäische Truppe mit deutschen Soldaten?“ wollte Miosga wissen. Die Außenministerin schloss das nicht dezidiert aus, sie meinte allgemein, man müsse gemeinsam Verantwortung für den Frieden tragen und gemeinsam Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben. „Wenn andere dabei sind, umso besser.“
Woher kommt die Friedenstruppe?
Vor europäischen Soldaten in der Ukraine warnte hingegen Ischinger ausdrücklich, das sei eine „unrealistische Option“ angesichts der Abneigung Russlands vor einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, in einer solchen Lage deutsche, französische, britische oder estnische Soldaten an der russischen Grenze zu stationieren. Inder, Pakistani oder Indonesier könnten das in einer Friedenstruppe „besser machen als wir“, im übrigen sei unklar, woher eigentlich die 40.000 bis 50.000 benötigten Soldaten aus Nato-Ländern für eine Sicherung der 1000 Kilometer langen Grenze zwischen der Ukraine und Russland eigentlich kommen sollten.
Ischinger warb stark für seine Stachelschweintheorie, nach der die Ukraine so stark militärisch auszurüsten sei, dass sie ihre Stacheln wie ein Igel aufrichten könne und „der Tiger“ nicht erneut angreifen werde. Ministerin Baerbock veranlasste das zur Frage an Ischinger: „Was macht denn Ihr Stachelschwein, Herr Ischinger? Wie verteidigt sich das denn?“
Geleakter Bericht ist „toxisch“
Auch in der Beurteilung des geleakten Lageberichts der deutschen US-Botschaft nach Berlin, der vor Trump warnte, traten Meinungsunterschiede zwischen Baerbock und Ischinger zu Tage. Während die Ministerin den geheimen Bericht abtat mit der Bemerkung, darin sei ja nur enthalten was „schon angekündigt“ worden sei, stufte Ischinger die Veröffentlichung als „wenig hilfreich“ ein: „Das Leak ist in dieser Lage toxisch.“ Auch der US-Politologe Weinstein nannte das Papier „empörend“. Seine anderen Aussagen ließen die kleine Studiorunde allerdings aufhorchen: Trump werde einen Sieg Russlands nicht zulassen, an einer möglichen Friedenstruppe in der Ukraine werde sich die USA auf keinen Fall mit Bodentruppen beteiligen, als Verhandlungsort für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine komme vielleicht Wien infrage.
Russland werde bei Verhandlungen größere Zugeständnisse machen müssen als die Ukraine. Im Übrigen, so Weinstein, werde Trump die Ukraine „mit Feuermacht ausstatten“, falls Moskau sich nicht an den Verhandlungstisch setze. Für Wolfgang Ischinger waren solche Worte wie Balsam in den Ohren: „Es wäre wunderbar, wenn die Prognose von Ken zutreffen würde. Dann würde Trump also „hard ball“ spielen gegenüber Russland, ihm Zähne und Klauen zeigen.“
Zweifel am Argument von Scholz
Ganz ohne Innenpolitik kam die Runde nicht aus. So ist Baerbock zum Streit um die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) blockierten Drei-Milliarden-Euro -Unterstützung für die ukrainische Luftverteidigung befragt worden. Es sei „fahrlässig“ für die Sicherheit der Ukraine und Europas, die Mittel jetzt nicht freizugeben, so Baerbock, zu einem Zeitpunkt, wo die Ukraine brutalen Angriffen auf ihre Infrastruktur ausgesetzt sei.
Nach einer eingespielten Aussage von Scholz, wer die drei Milliarden geben wolle, müsse erklären, woher sie zu nehmen seien, bei den Renten, den Gemeinden, der Bahn oder dem Straßenbau, befragte Miosga die grüne Ministerin dann konkret: „Stimmt es, dass Sie das Geld von den Renten nehmen wollen?“ „Das ist falsch“, entgegnete Baerbock, sie wisse nicht, warum Scholz dieses Argument vorgebracht habe. Mit dem SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius, der FDP und der Union seien die Grünen der Ansicht, dass der Betrag als außerplanmäßige Ausgabe im Haushalt zu finanzieren sei.