Skeptische Reaktion auf Brüsseler Vorschläge
Was Mercedes, Bosch und Mahle vom EU-Aktionsplan halten
Die EU-Kommission erhält aus der Autoindustrie nur dürren Applaus. Die großen Player aus Baden-Württemberg fragen sich: Wie ernst ist es Brüssel mit der Überprüfung der CO2-Regularien? Die Debatte ist auch durch gegenseitiges Misstrauen geprägt.

© AFP/Nicola Tucat
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (vordere Reihe) mit Vertretern der europäischen Autoindustrie beim „Strategischen Dialog“
Von Matthias Schmidt
Verhaltener Zuspruch – viel mehr ist es nicht, was der am Aschermittwoch vorgestellte Aktionsplan der EU-Kommission bei denjenigen auslöst, die von ihm profitieren sollen. Große Player der Autoindustrie in Baden-Württemberg sprechen zwar von positiven Signalen, die Brüssel ausgesandt habe. In ihren Stellungnahmen aber überwiegen kritische Töne. „Die aktuellen Pläne greifen bisher zu kurz“, lautet etwa der Kommentar des weltgrößten Autozulieferers Bosch.
Auch bei Mahle, dem zweiten großen Zuliefererkonzern aus Stuttgart, spricht Skepsis aus der Stellungnahme. „Die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage, etwa Vorgaben für Firmenflotten oder Herkunftsregeln für europäische Komponenten, können zwar teilweise kurzfristige Entlastung bieten, lenken aber von den eigentlichen Herausforderungen ab“, sagt der Mahle-Vorstandschef Arnd Franz. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie lasse sich langfristig „nur durch tiefgreifende Reformen bei Energie-, Arbeits- und Bürokratiekosten sowie einer strategischen Rohstoff- und Handelspolitik sichern“, so Franz.
Der VDA klagt: Grundsätzlicher Politikwechsel fällt aus
Bei den CO2 -Strafzahlungen zeigt sich, dass das Vertrauen zwischen Kommission und Autoindustrie nach wie vor begrenzt ist – ein spätes Resultat wohl der früheren Dieseltricksereien. Brüssel verschafft den Herstellern zwar eine Atempause und will erst in drei Jahren abrechnen, ob die 2025 verschärften Flottengrenzwerte überschritten wurden – und dann eventuell zur Kasse bitten. Die Vorgaben an sich aber bleiben unverändert.
Der Herstellerverband VDA hingegen hatte gefordert, die neuen Grenzwerte schrittweise einzuführen, zunächst also abzumildern. Nun klagt der VDA, der Kommission fehle eine Gesamtstrategie. Der erhoffte grundsätzliche Politikwechsel, der statt Vorgaben und Strafen verbesserte Rahmenbedingungen ins Zentrum stelle, bleibe aus.
Mahle-Chef fordert Berücksichtigung von Hybrid-Fahrzeugen
Auch an anderer Stelle hört die EU auf die Hersteller, wird aber weiter skeptisch beäugt. So übernimmt die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Schlagwort von der Technologieoffenheit als Kernprinzip für die Klimaschutzpolitik, zudem wird das 2035-er-Ziel des CO2-freien Betriebs von Autos („Verbrenner-Aus“) nun schon dieses Jahr einer Prüfung unterzogen statt 2026. Mahle-Chef Franz bemängelt jedoch, der Aktionsplan enthalte keine Vorgaben, wie die Regulierung technologieoffen ausgestaltet werde. Sie müsse Hybrid-Fahrzeuge mit erneuerbaren Kraftstoffen ebenso einschließen wie batterieelektrisch angetriebene Autos, fordert Franz. Fast wortgleich äußert sich Bosch: Entscheidend sei vor allem „bei der Gestaltung der Flottengrenzwerte alle Technologien einzubeziehen, um schnellstmöglich weitere CO2-Reduzierungen im Verkehr zu erzielen, zum Beispiel auch Plug-in-Hybride oder Verbrennungsmotoren, die mit erneuerbaren Kraftstoffen fahren“.
Auffallend vielstimmig äußert die Industrie, dass der EU-Aktionsplan nur „erste überfällige Schritte“ (VDA) beinhalte und weitere folgen müssten. Es gelte den Dialog „zügig und konsequent fortzusetzen und zeitnah konkrete Maßnahmen auf den Weg zu bringen“, fordert Bosch. Die Verhandlungen der nächsten Monate würden „entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie“, betont Mahle.
Mercedes: Elektrisch fahren muss attraktiver sein als Tanken
Auch Mercedes-Benz sagt, „nun müssen zügig die nächsten Schritte erfolgen“. Der Stuttgarter Autokonzern setzt jedoch noch einen anderen Akzent, in dem er den Erfolg der europäischen Klimaschutzvorgaben eindeutig mit der Antriebswende verknüpft. „Batterie-elektrische Mobilität bleibt der Hauptpfad zur Dekarbonisierung“, erklärt das Unternehmen. Die politischen Ziele der EU könnten nur erreicht werden, „wenn sich die E-Mobilität am Markt durchsetzt“. Dorthin führe aber nur ein Weg, „der vom Markt und nicht von Strafen bestimmt ist“, heißt es in einem Statement des Unternehmens.
Klimaschützer misstrauen der Parole von der Technologieoffenheit
Die Debatte findet vor dem Hintergrund eines Grundkonflikts statt, der die öffentliche Debatte schon lange prägt. Klimaschützer halten das Stichwort Technologieoffenheit für ein Feigenblatt, hinter dem sich der Wunsch nach einer Rückabwicklung der Klimapolitik verberge wie auch die nostalgisch verklärte Hoffnung, mit Verbrennungsmotoren seien Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu retten. Die Autoindustrie dagegen beteuert, sie stelle nicht die Klimaziele in Frage, sondern fordere nur mehr Effizienz und Realitätssinn auf dem Weg dorthin ein. Unglückseligerweise wird sich erst in der Zukunft herausstellen, wer die Gegenwart treffender gedeutet hat.
Mercedes-Benz betont, die Politik müsse mehr tun, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Es brauche attraktive Produkte, dafür seien die Hersteller zuständig. Die richtigen Rahmenbedingungen aber seien Aufgabe der Politik. „Dazu zählt unter anderem der zügige Ausbau der Ladeinfrastruktur – und auch der Strompreis ist ein entscheidender Faktor: Elektrisch fahren muss attraktiver sein als Tanken an der Tankstelle“, so die Mercedes-Stellungnahme. Bosch ergänzt den Forderungskatalog noch um den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur, die vor allem für den Schwerlastverkehr mit Brennstoffzellen-Antrieb nötig ist.
Im Grundsatz zustimmend äußert sich Bosch zur Ankündigung der EU, die europäische Industrie besser vor unfairem Wettbewerb aus dem Ausland schützen zu wollen. „Angesichts der Neuregelung des Marktzugangs in einigen wichtigen Märkten – insbesondere in den USA – ist es richtig, dass auch die EU darauf abzielt, ein ,level playing field’ für die europäische Automobilindustrie und vor allem die Zulieferindustrie zu erhalten“, so die Bosch-Mitteilung. Der Stuttgarter Konzern bemängelt jedoch, dass Anforderungen für den lokalen Bezug von einzelnen Komponenten nur auf die Batterie abzielen und nicht auf die gesamte Lieferkette geschaut wird: „Das ginge am eigentlichen Ziel vorbei, entscheidendes Know-how und Fertigungskapazitäten für alle relevanten Fahrzeugtechnologien in Europa zu erhalten.“
Der EU-Aktionsplan verspricht unter anderem knapp zwei Milliarden Euro für die Versorgung mit Batterierohstoffen, bessere Forschungsmöglichkeiten in Sachen autonomes Fahren, die Stärkung der Batterieproduktion in Europa und effizienteren Schutz vor unfairem Wettbewerb. Was konkret daraus folgt, hängt jedoch noch vom EU-Parlament und den Regierungschefs ab.