Koalitionsvertrag
Was passiert, wenn die SPD-Mitglieder „Nein“ sagen?
Die SPD hat ihre Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag mit der Union gestartet. Innerhalb der Partei gibt es nicht nur Befürworter. Was passiert, wenn sich nicht genügend Sozialdemokraten für das Bündnis aussprechen?

© dpa/Moritz Frankenberg
Die SPD-Parteispitze stellt sich kritischen Fragen bei einer sogenannten Dialogkonferenz zum Start der Mitgliederbefragung.
Von Michael Bosch
Soll die SPD ein Koalition mit der Union eingehen? Darüber dürfen seit diesem Dienstag die SPD-Mitglieder bundesweit abstimmen. Das zweiwöchige Votum begann am Morgen ohne Probleme, wie ein Parteisprecher sagte. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte dabei eindringlich vor den Folgen eines Scheiterns – ausgeschlossen ist das aber nicht. Kritik gab es vor der Abstimmung insbesondere von Seiten der Nachwuchsorganisation Jusos.
Die Parteispitze warb im Vorfeld um ein Ja zum Koalitionsvertrag – unter anderem auf einer Dialogveranstaltung am Montagabend in Hannover. Die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil räumten dabei ein, die Regierungsvereinbarung sei nicht „SPD pur“. Die Partei habe aber vor dem Hintergrund ihres historisch schlechten Wahlergebnisses viel erreicht.
Wie die Mitgliederbefragung der SPD zum Koalitionsvertrag vonstatten geht, haben wir hier zusammengefasst.
Koalitionsvertrag: Was passiert, wenn die SPD-Mitglieder nicht zustimmen?
Im Grunde gibt es drei (realistische) Möglichkeiten, sollten die 358.322 SPD-Mitglieder das Papier mehrheitlich ablehnen:
- Nachverhandlungen zwischen Union und SPD
- eine Minderheitsregierung der Union (ohne Beteiligung der SPD)
- Neuwahlen
Dem ersten Punkt erteilte Klingbeil in Hannover direkt eine Absage. Er warnte davor, darauf zu setzen, dass durch eine Ablehnung des Koalitionsvertrags Nachverhandlungen mit der Union etwa bei der Wiedereinführung einer Vermögensteuer möglich würden. Dies werde in der Praxis nicht funktionieren, sagte er. Bei einem Scheitern des Mitgliedervotums werde es Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung geben. Gleichzeitig würden damit nur Stimmen in der Union gestärkt, die eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht mehr ausschlössen.
Mögliches Nein der SPD: Könnten CDU/CSU auch mit der AfD regieren?
Ein vermeintliches Horror-Szenario malte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas aus: „Die Alternative wäre entweder eine Neuwahl oder dass die CDU/CSU vielleicht doch zusammen mit der AfD regiert“, sagte sie dem Nachrichtenportal The Pioneer. Die SPD müsse sich aber auch „fragen, ob sie bei vielen Themen noch auf der Höhe der Zeit ist“, insbesondere beim Thema Migration. Viele Bürgerinnen und Bürger wünschten sich hier mehr Steuerung und Ordnung.
Juso-Chef Philipp Türmer hatte bereits am Montag die Ablehnung des Koalitionsvertrags angekündigt. „Unser Votum lautet Ablehnung“, sagte er. „Für die Zustimmung der Jusos bräuchte es deutliche Nachbesserungen.“ Kritik gibt es unter anderen an den Vereinbarungen mit der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik. Türmer nannte zudem den für alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzierungsvorbehalt „eine tickende Zeitbombe“.
Juso-Kritik zurückgewiesen: „Der Koalitionsvertrag ist ausverhandelt“
Das Ja zum Koalitionsvertrag sei „kein Selbstläufer“, sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch im Bayerischen Rundfunk. Die Sozialdemokraten hätten in den Verhandlungen mit CDU und CSU aber viel durchgesetzt. Mit Blick auf die Kritik der Jusos warnte Miersch: „Wenn das tatsächlich schief geht“, würden auch viele den Jusos wichtige Ziele, die verhandelt worden seien, nicht umgesetzt werden.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hält die Kritik der Jusos für legitim. „Wenn Bedenken in der Partei mit abgebildet werden, ist das nicht schlimm.“ Sie lobte den Vertrag. „Ich muss sagen, da ist mehr drin, als ich am Anfang für möglich gehalten hätte“, sagte sie im ZDF. „Insbesondere zur Stärkung der Wirtschaft, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und für mehr soziale Gerechtigkeit.“
Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer von der SPD wies die Juso-Forderung nach Nachbesserungen zurück. „Der Koalitionsvertrag ist ausverhandelt“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ein Koalitionsvertrag sei eben nicht die komplette Programmatik einer Partei, sondern bestehe aus Kompromissen. „Ich sehe zu dieser Konstellation aus Union und SPD derzeit keine bessere Alternative.“
Mit Material von AFP.