Begehrte Rohstoffe

Was sind Seltene Erden?

Für eine zukunftsfähige Klimapolitik gelten sie als Schlüssel. Doch Abbau und Weiterverarbeitung Seltener Erden bergen auch Risiken für Mensch und Natur. Was hat es mit den Metallen auf sich?

Luftaufnahme eines Ilmenit-Tagebaus in einer Schlucht in der ukrainischen Region Kirowohrad.

© AP/dpa/Efrem Lukatsky

Luftaufnahme eines Ilmenit-Tagebaus in einer Schlucht in der ukrainischen Region Kirowohrad.

Von Markus Brauer/dpa

Seltene Erden sind für die Industrie wie Gewürze beim Kochen: Ohne sie gelingen Rezepte für die Energiewende schlechter. Denn die Metalle stecken zum Beispiel in wichtigen Bauteilen für Windräder und Elektroautos.

Seltene Erden zu gewinnen war bisher jedoch oft ein schmutziges Geschäft auf Kosten der Umwelt. Noch immer beherrscht China den Weltmarkt und sitzt bei Exporten und Preisen am langen Hebel. Was muss passieren, damit sich das ändert?

Was sind Seltene Erden?

Bei Seltenen Erden handelt es sich um silberfarbene und relativ weiche Metalle, die auf der Erde nicht in Reinform vorkommen. Sie müssen in mehrstufigen Verfahren aufwendig aus abgebauten Erzen gewonnen werden. Die Endprodukte heißen Seltenerd-Oxid und Seltenerd-Metall.

Seltene Erden bestehen aus den chemischen Elementen der dritten Gruppe des Periodensystems: Scandium, Yttrium und Lanthan. Zur Gruppe gehören auch die 14 auf das Lanthan folgenden Elemente, die Lanthanide:

  • Lanthan
  • Cer
  • Praseodym
  • Neodym
  • Promethium
  • Samarium
  • Europium
  • Gadolinium
  • Terbium
  • Dysprosium
  • Holmium
  • Erbium
  • Thulium
  • Ytterbium
  • Lutetium

Wofür werden Seltene Erden verwendet?

Die Eigenschaften der einzelnen Metalle unterscheiden sich, unter dem Sammelbegriff zusammengefasst werden die 17 Elemente, weil sie häufig zusammen vorkommen. Jedes einzelne dieser Metalle hat Eigenschaften, die es für die Industrie wertvoll machen. Teils sind sie unersetzlich.

Europium etwa wird für Fernsehbildschirme gebraucht, Cerium zum Polieren von Glas, Lanthan für Katalysatoren in Benzinmotoren. Aus Neodym und Dysprosium werden Magneten für Off-Shore-Windräder hergestellt. Seltene Erden finden sich auch in Drohnen, Festplatten, Elektromotoren, Teleskoplinsen, Raketen oder Jagdflugzeugen.

Von den geschätzt bis zu 200 Mineralien mit Seltenen Erden werden bisher nur wenige abgebaut. Entscheidend für eine Wirtschaftlichkeit ist die Konzentration der Metalle in den Erzen. Gern werden sie zusammen mit anderen verwertbaren Stoffen abgebaut - zum Beispiel Phosphor.

Warum sind Seltene Erden so wichtig?

Die Metalle sind zum Beispiel Bestandteile beim Bau von leistungsfähigen Windrad-Turbinen, Elektromotoren und Energiesparlampen. Sie stecken aber auch in Festplatten, Flachbild-Fernsehern, Lasern und Glasfaserkabeln. In der Medizin spielen sie bei Röntgentechnik und Kernspintomografie eine Rolle. Nicht zuletzt braucht sie auch die Rüstungsindustrie.

Wo kommen Seltene Erden vor?

Selten sind die Metalle auf der Erde nicht, manche kommen sogar häufiger vor als Kupfer oder Blei. Rar sind jedoch große Erzlagerstätten mit einer ausreichend hohen Konzentration.

Die größten Förderer sind nach Angaben des US Geological Survey für 2022:

  • Marktführer China (210 000 Tonnen)
  • gefolgt von den USA (43 000 Tonnen
  • Australien (18 000 Tonnen)

Weitere Minen gibt es unter anderem in Russland, Thailand, Myanmar, Indien, Vietnam, Madagaskar, Brasilien und Kanada. Vermutet werden rentable Lagerstätten in Grönland – in Gebieten, in denen das Eis schmilzt.

Gibt es Vorkommen in der EU?

In Schweden ist ein größerer geeigneter Erzfund in der Bergbauregion Kiruna im Norden des Landes aufgespürt worden. Genehmigungsverfahren und Prüfungen könnten aber noch 10 bis 15 Jahren dauern, heißt es seitens des staatlichen Minen-Betreibers. Die Menge von mehr als einer Million Tonnen an Seltenerd-Oxiden werde nach Schätzungen ausreichen, um einen Großteil der künftigen EU-Nachfrage für die Herstellung von Dauermagneten für Elektromotoren und Windkraftanlagen zu decken.

In Deutschland sind Vorkommen in Sachsen bekannt. Die Delitzsch-Storkwitzer Lagerstättenregion wird seit rund zehn Jahren wissenschaftlich erforscht. Die Konzentration der Metalle im Erz gilt aber bislang als zu gering, um für eine Förderung rentabel zu sein.

Warum kann ein Abbau in der EU sinnvoll sein?

Die Europäische Kommission zählt Seltene Erden zu den Rohstoffen mit dem höchsten Versorgungsrisiko. Der weltweite Bedarf wird Schätzungen zufolge bei wichtigen Seltenerd-Oxiden zum Beispiel für Katalysatoren oder Magnete von 131.500 Tonnen im Jahr 2020 auf 188.300 Tonnen im Jahr 2030 steigen – allein schon, um Klimaziele mit Hilfe von Windkraft und Elektroautos zu erreichen.

Nach einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommen 94 Prozent der EU-Importe von Seltenen Erden aus politisch kritischen Ländern, allen voran China. Die Volksrepublik hat bei Abbau und Weiterverarbeitung den Weltmarkt in der Hand. Die USA, die eine Gewinnung zwischenzeitlich aufgaben, sind auch wegen des China-Monolpols wieder selbst ins Geschäft eingestiegen. Australien plant, seine Förderung stark auszubauen.

Was macht die Produktion so schwierig?

Seltene Erden sind in der Regel in Verbindungen in Erzschichten enthalten. Problematisch ist die Gewinnung der Seltenen Erden in möglichst reiner Form aus dem abgebauten Erz. Dafür sind chemische Prozesse häufig unter Anwendung von Säuren nötig. Die Verfahren sind komplex und haben zahlreiche Nebeneffekte.

Es entstehen radioaktive Isotope und giftige Abwässer. Die Gegenden um die Produktionsgebiete gleichen häufig Mondlandschaften. Die Förderung von Seltenen Erden in Deutschland gilt Experten zufolge aus Umweltgründen als nicht möglich.

Was sind Risiken bei der Gewinnung?

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften listet mögliche Gefahren bei der stufenweisen Gewinnung und Aufbereitung Seltener Erden auf. Dazu zählen beim Abbau unter anderem giftige Staubentwicklung und radioaktiv belastete Rückstände, weil auch die chemischen Elemente Uran und Thorium im abgebauten Erz vorkommen können.

Bei der Weiterverarbeitung könnten schwefelhaltige Abgase sowie radioaktive und schwermetallhaltige Rückstände entstehen. Durch die Raffinade gebe es hohe direkte Treibhausgas-Emissionen.

Außerdem sei während des gesamten Prozesses viel Wasser und Strom nötig. Es gebe ein „gewisses Gefährdungspotential“, schreibt die Technische Universität Bergakademie Freiberg. „Das möchte man nicht unbedingt im Land haben.“

Welche Umweltschäden gab es schon?

Sie waren bei mangelnden Umweltauflagen immens. Denn lange wurde der schmutzige Teil bei Gewinnung oder Verarbeitung Seltener Erden Ländern mit geringeren Umweltstandards überlassen, zum Beispiel China:

  • In der Nähe der größten Mine Bayan Obo in der Inneren Mongolei, kam es nach einer Studie des Umweltbundesamts (UBA) in der Bevölkerung vermehrt zu Lungenkrebs. Durch mangelnde Vorkehrungen seien giftige Stoffe auch in die Flüsse, das Grundwasser und den Boden gelangt.
  • In der US-Mine Mountain Pass in Kalifornien führten nach einem UBA-Bericht Lecks in Pipelines, Versickerung sowie unzureichende Abdichtungen der Absetzteiche bis in die 1990er Jahre zu einer Versalzung sowie einer toxischen und radioaktiven Belastung des Grundwassers in der dünn besiedelten Region. Seitdem seien mehr als 20 Millionen US-Dollar in Sanierung und Modernisierung des Bergbau-Reviers geflossen.

Ein Raubbau an der Natur lässt sich beim Tagebau kaum vermeiden: Alle Minen ähneln Mondlandschaften.

Was sollen Politik und Wirtschaft tun?

Das DIW empfiehlt unter anderem, politisch weniger bedenklichen Abbau-Staaten wie Indien oder Brasilien bei einer umweltgerechten Förderung zu helfen und Handelshemmnisse abzubauen. Es sei auch sinnvoll, Nachfragen aus der EU zu bündeln.

Des Weiteren seien Mindestreserven in der EU eine Überlegung wert. Langfristig könnte auch ein verbessertes Recycling greifen. Trotz des Aufwands bei der Produktion Seltener Erden sind sie laut Bundesanstalt für Geowissenschaften unersetzlich. Da die Metalle zum großen Teil in Offshore-Windkraftanlagen und Elektromotoren zum Einsatz kämen, überwiege auf den gesamten Lebenszyklus gesehen ihr positiver Beitrag zur Energiewende.

Wie groß sind die Vorkommen?

Vor der Bekanntgabe der Entdeckung eines riesigen Vorkommens von knapp neun Millionen Tonnen in Norwegen im Juni 2024 wurden die weltweiten Reserven gut 120 Millionen Tonnen geschätzt, mehr als ein Drittel davon in China.

Warum spielt China eine Sonderrolle?

China ist mit Abstand Weltmarktführer bei Seltenen Erden. Das Land verfügt selbst über große Vorkommen, hat vor allem aber über die Jahre durch massive staatliche Investitionen ein großes Netzwerk zur Veredelung von Rohmaterialien aufgebaut. Deshalb exportieren auch viele andere Produzenten von Seltenen Erden diese nach der Gewinnung nach China. Auch hat sich Peking seine Dominanz durch hohe Umweltkosten der eigenen Produktion erkauft.

Setzt China Seltene Erden als Druckmittel ein?

Ja. Peking setzte die Metalle erstmals 2010 ganz offen als Druckmittel ein. Wegen eines Territorialstreits legte die Regierung die Ausfuhren nach Japan auf Eis. 2019 drohte den USA Ähnliches im Kontext der Handelsstreitigkeiten mit China. Für die US-Industrie sind Seltene Erden ein wunder Punkt. Die USA dominierten selbst jahrelang den Weltmarkt, mittlerweile sind sie aber auch hochgradig von Importen abhängig.

Japan hat mittlerweile seine Lieferketten diversifiziert und setzt unter anderem auf Seltene Erden aus Malaysia sowie Recycling. So will es auch die EU vor dem Hintergrund zahlreicher handelspolitischen und geopolitischer Differenzen mit Peking machen. Brüssel setzt auf mehr Recycling, große abbaubare Vorkommen in Europa kommen ebenfalls sehr gelegen.

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Erstellt:
27. Februar 2025, 11:29 Uhr
Aktualisiert:
27. Februar 2025, 17:34 Uhr

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