Israelischer Verteidigungsminister

Was steckt hinter Galants Entlassung?

Israels Ministerpräsident hat seinen Verteidigungsminister gefeuert – in einem Moment, da jederzeit mit einem iranischen Angriff gerechnet werden kann.

Galant ist pensionierter Generalmajor.

© imago/Newscom World/Rafael Ben-Ari/Chameleons Eye

Galant ist pensionierter Generalmajor.

Von Mareike Enghusen

Während Israel weiter an mehreren Fronten kämpft, hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen erfahrenen Verteidigungsminister Joav Galant gefeuert. „Auf dem Höhepunkt des Krieges ist vollständiges Vertrauen zwischen dem Regierungschef und dem Verteidigungsminister wichtiger denn je“, sagte Netanjahu am Dienstagabend in einer Videoansprache. „Und obwohl es den ersten Monaten ein solches Vertrauen und sehr fruchtbare Arbeit gab, ist dieses Vertrauen zwischen mir und dem Verteidigungsminister in den letzten Monaten leider zerbrochen.“ Der in militärischen Belangen unerfahrene Außenminister Israel Katz soll Galant, einen pensionierten Generalmajor, ersetzen.

Joav Galant, der zu Netanjahus rechter Likudpartei gehört, hatte Israels Kriegsführung in Gaza und dem Libanon mehrfach kritisiert. Erst Ende Oktober warnte er in einem Brief an Netanjahu und andere Minister, Israel habe in den Kriegen seinen Fokus verloren. Zuvor hatte er in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas um eine Waffenruhe in Gaza und die Befreiung der israelischen Geiseln mehr Kompromissbereitschaft gefordert. Itamar Ben-Gvir, Minister für nationale Sicherheit und Vorsitzender der rechtsextremen Partei Jüdische Stärke, der mit Blick auf Israels Kriege eine harte Linie vertritt, hatte mehrfach Galants Entlassung gefordert: Für einen „totalen Sieg“, wie Netanjahu ihn propagiert, sei Galant „nicht die richtige Person“.

Streit um ultraorthodoxe Studierende

Viele Analysten in Israel halten indes einen anderen Streitpunkt für ausschlaggebend. Im Juni hatte Israels Oberster Gerichtshof die bis dahin geltende Regelung, derzufolge ultraorthodoxe Torastudenten vom Wehrdienst befreit sind, für ungültig erklärt. Seitdem ringt die Koalition aus rechten, rechtsextremen und ultraorthodoxen Parteien mit der Frage, was aus dem Urteil folgen soll. Galant, der weiß, wie dringend Israels Armee weitere Soldaten braucht, drängt auf die Rekrutierung Tausender Torastudenten. „Meine feste Haltung ist, dass jede Person im wehrfähigen Alter eingezogen werden muss“, sagte er nach seiner Entlassung in einer Fernsehansprache. Die beiden ultraorthodoxen Parteien dagegen fordern ein neues Gesetz, das ihren Wählern die weitere Befreiung vom Wehrdienst sichert. Israelischen Medien zufolge drohen die religiösen Parteien mit ihrem Rückzug aus der Koalition, falls das Gesetz nicht kommt.

„Ohne die rechtsradikalen und ultraorthodoxen Parteien hat Netanjahu keine Regierung“, sagt Jonathan Rynhold, Politikwissenschaftler an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv, dieser Zeitung. „Die Entlassung Galants macht es ihm leichter, zu tun, was seine Partner wollen.“

USA kommunizieren bevorzugt mit Galant

In Washington dürfte Netanjahus Entscheidung für Irritationen sorgen. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden hatte in den vergangenen Monaten recht deutlich signalisiert, dass sie lieber mit Galant kommunizierte als mit dessen Chef. Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu gilt als zerrüttet; Galant und sein Amtskollege Lloyd Austin dagegen sollen fast täglich telefoniert haben.

Netanjahu war am Mittwochmorgen einer der ersten internationalen Spitzenpolitiker, die Trump zu dessen Wahlsieg gratulierten. Aus seiner Hoffnung, Trump würde die Wahl gewinnen, hatte er nie einen Hehl gemacht. Mit dieser Vorliebe ist er nicht allein: In einer Umfrage des Israel Democracy Institute, einer liberalen Denkfabrik, sagten letzte Woche fast zwei Drittel der Befragten, Trump sei besser für Israel als seine Rivalin Kamala Harris.

Die Monate vor Trumps Amtsübernahme könnten für Netanjahu ungemütlich werden: Die demokratische Biden-Regierung muss sich nun nicht mehr wegen Wahlen sorgen und kann deshalb in vieler Hinsicht freier agieren.

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Erstellt:
6. November 2024, 16:58 Uhr

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