Kampf gegen Hunger und Armut
Was wird wichtig in Rio? G20-Länder ringen um Lösungen
Vom globalen Hunger bis zur Steuer für Superreiche: In Rio ringen die G20-Staaten um Einigkeit. Gastgeber Brasilien will mutige Beschlüsse – doch Dauerkonflikte drohen die Agenda zu überschatten.
Von Von Stella Venohr, dpa
Rio de Janeiro - Brasilien will auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro den Kampf gegen den Hunger und den Klimawandel sowie die Besteuerung von Superreichen vorantreiben. Doch es werden wohl wieder geopolitische Konflikte sein, die die Gespräche dominieren. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer:
Welche Themen werden bei dem Gipfel besprochen?
Ein zentrales Thema bei dem zweitägigen Treffen ist der Kampf gegen den weltweiten Hunger. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva möchte die "Globale Allianz gegen Hunger und Armut" auf den Weg bringen.
Ziel ist es, Initiativen zur Steigerung der Lebensmittelproduktion und zur Bekämpfung von Hunger voranzutreiben. Als Vorbild dienen auch Maßnahmen der Politik Lulas in Brasilien. Dazu zählen Programme für arme Familien und Mikrokredite für Kleinbauern.
Deutschland, die USA sowie die EU haben ihre Unterstützung für die Allianz bereits zugesagt. "Zunächst einmal werden wir auf nationaler Ebene die erste Strategie zur Armutsbekämpfung in der EU entwickeln, aber auch auf globaler Ebene werden wir uns engagieren", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dem brasilianischen TV-Sender Globonews vor Beginn des Gipfels.
Was könnte sonst noch Ergebnis des Gipfels sein?
Brasilien will die G20-Präsidentschaft dafür nutzen, dass die Länder des globalen Südens im internationalen Machtgefüge mehr Gewicht bekommen. Beim Gipfel soll diskutiert werden, wie die wichtigsten internationalen Organisationen und Institutionen wie die Vereinten Nationen, die Weltbank oder die Welthandelsorganisation modernisiert werden können, damit sie, wie es von Brasilien heißt, den heutigen Realitäten entsprechen.
Lula will auch eine Einigung der Länder auf einen Rahmen für eine Vermögenssteuer für Superreiche erreichen. Die G20-Finanzminister hatten sich im Juli bereits in einer gemeinsamen Erklärung darauf geeinigt, sich für eine wirksame Besteuerung der Superreichen einzusetzen.
Die Idee spaltete jedoch schon damals die G20-Staaten. Während etwa Frankreich, Spanien und Südafrika ihre Unterstützung zum Ausdruck brachten, sind die USA dagegen. Es ist fraglich, ob es ein Passus zur Vermögenssteuer in die Abschlusserklärung schaffen wird.
Die G20 fassen bei ihren Gipfeltreffen in der Regel gemeinsame Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs, die zwar rechtlich nicht bindend sind, politisch aber trotzdem eine starke Signalwirkung haben.
Wie steht es um das Thema Klimaschutz?
Für Gastgeber Lula hat das Anliegen hohen Stellenwert, er schreibt sich seit Amtsantritt Klimaschutz auf die Fahne. Eine der drei Arbeitssitzungen ist der nachhaltigen Entwicklung und Energiewende gewidmet. Von den G20 könnte ein Signal ausgehen - in beide Richtungen, positiv wie negativ - für die weiteren Verhandlungen bei der aktuell parallel laufenden Weltklimakonferenz (COP29) im aserbaidschanischen Baku, bei der die Verhandlungen bislang äußerst zäh laufen.
Mit US-Präsident Joe Biden hat Lula einen Mitstreiter an der Seite. Letzterer ist aber nur noch wenige Wochen im Amt. Sein designierter Nachfolger Donald Trump will verstärkt Öl fördern und hatte sich in seiner ersten Amtszeit vom Pariser Klimaabkommen abgewendet. Auch Argentinien wird in Rio mit am Tisch sitzen und es wird befürchtet, dass das Land aus dem internationalen Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen könnte.
Trump ist also nicht beim G20-Gipfel dabei?
Nein. Bis zur Amtseinführung im Januar ist Joe Biden Präsident der USA. Der Republikaner und die Erwartungen an seine Amtszeit werden aber sicherlich immer wieder am Gipfel eine Rolle spielen. Trump setzt in der Außenpolitik auf Isolationismus und "America First" - Kooperation und Kommunikation auf Augenhöhe gehören nicht zu seinem Politikstil. Die anderen G20-Mitglieder werden sich darauf vorbereiten müssen.
Mit großem Interesse wird etwa die Haltung der USA zur Ukraine nach der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus erwartet. Er hat angekündigt, den russischen Angriffskrieg innerhalb kurzer Zeit zu beenden und deutlich gemacht, dass die US-Militärhilfe für Kiew bald austrocknen dürfte.
Russland gehört doch auch zu den G20-Ländern. Kommt Wladimir Putin auch zu dem Treffen?
Nein. Der russische Präsident hat abgesagt und schickt Außenminister Sergej Lawrow als Vertretung - wie schon in den vergangenen beiden Jahren nach der russischen Invasion in die Ukraine. Die G20-Gruppe der führenden Wirtschaftsmächte aller Kontinente ist das einzige Gesprächsformat, in dem Russland und die Nato-Staaten noch mit hochrangigen Vertretern an einem Tisch sitzen.
Bundeskanzler Olaf Scholz plant dort kein Gespräch mit Lawrow, wird nach Angaben aus seinem Umfeld aber mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping über den Ukraine-Krieg sprechen, der als wichtigster Verbündeter Putins gilt.
Putin selbst hat seine Teilnahme am Gipfel abgesagt, um nicht "die normale Arbeit des Forums zu stören", das andere Themen habe. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag vor, weil ihm Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Last gelegt werden. Daher würde Putin in Brasilien eine Festnahme riskieren.
Die Ukraine gehört nicht zur G20. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde von den brasilianischen Gastgebern auch nicht als Gast nach Rio eingeladen.