Wendrsonns „Hoimspiel“ mit Zugabegarantie
Die neue Besetzung von Wendrsonn sorgt für rockigere Töne. Trotzdem ist das Murrhardter Publikum begeistert.
Von Marina Heidrich
Murrhardt. Februar 2005: Drei Monate nach dem verheerenden Tsunami im Indischen Ozean mit über 230000 Toten drängen sich 17 lokale Bands bei einem Benefizkonzert in der Sulzbacher Belinda. Darunter auch Markus Stricker und Micha Schad, anerkannte Rockmusiker aus der Region, die an diesem Abend zum ersten Mal ein neues Projekt präsentieren. Wolle Kriwanek, ein guter Freund von Stricker, hatte diesen gefragt: „Markusle, warum versuchst du es nicht mal auf Schwäbisch?“ Stricker ist sich nicht sicher, ob das funktioniert, Micha und er wagen es an jenem Abend daher einfach mal als Testballon. Sie spielen drei eigene schwäbische Lieder und nennen ihr Projekt „Wendrsonn“. Der Rest ist Geschichte.
18 Jahre später: Wendrsonn stehen beim „Hoimspiel“ als Sextett auf der Bühne in der rappelvollen, ausverkauften Murrhardter Festhalle. Im Publikum sitzen nicht nur begeisterte Fans, sondern auch langjährige Wegbegleiter und ehemalige Bandmit-glieder. Viel Wasser ist seit dem ersten Auftritt die Murr runtergeflossen und Wendrsonn haben sich mittlerweile zur erfolgreichsten Dialektband im Süden entwickelt. Sie erhielten Auszeichnungen und sind jedes Jahr unter den letzten 100 bei der SWR-Hitparade vertreten.
Kontinuierlich ging der Weg nach oben, aber der Erfolg wurde den Schwaben nicht geschenkt – er ist hart erarbeitet. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Rückschläge, Umbesetzungen, schwere Krankheiten und Todesfälle. Markus Stricker hat vieles davon in seinen Liedern verarbeitet. In der aktuellen Besetzung sind noch beide Gründungsmitglieder dabei: Micha Schad und Markus Stricker. Sängerin Anke Hagner, Bassist Chris Weigold und Schlagzeuger Rob Wittmaier sind sozusagen die „Neuen“, alles hervorragende Musiker, die sich nahtlos in die Wendrsonn-Philosophie einfügen, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Und natürlich ist da auch noch Klaus Marquardt, der mittlerweile schon viele Jahre Bestandteil der Band ist. Charismatisch, außergewöhnlich, eigen, so zieht der Ausnahmegeiger alle Augen (und Ohren) immer wieder auf sich.
Jeder hat bei Wendrsonn seine persönliche Rolle und Präsenz. Markus Stricker ist das Herz der Band. Er lebt seine Musik. Ein zutiefst emotionaler Mensch, der auf der Bühne alle Gefühle offenbart, sich seinem Publikum förmlich ausliefert. Stricker steht auch in Murrhardt mit geschlossenen Augen da, wenn er von „Dahoim“ singt, und fasst sich ans Herz. Dann tanzt und wirbelt er wie ein Derwisch über die Bühne und bringt die Zuhörer mit „Hopsa Schwoba-Liesl“ zum Mitmachen und Lachen.
Atemberaubende „Saitenduelle“
Die Menschen spüren diese Authentizität und honorieren das. Ein ganz großer Pluspunkt ist Micha Schad. Ihn kann man zu Recht als Wendrsonns Seele bezeichnen. Schad, ein hervorragender Gitarrist, spielt alles, was Saiten hat. Seine zweistimmigen Soli und „Saitenduelle“ mit Geiger Marquardt sind atemberaubend. Zudem strahlt der Mann mit den langen Haaren stets eine freundliche Gelassenheit aus und ist eines der gruppendienlichsten Mitglieder über-haupt. Schad kann sich ohne weiteres persönlich zurücknehmen, ihm ist die Ge-samtwirkung der Band sichtlich wichtig.
In der aktuellen Besetzung ist die Band deutlich rockiger geworden. Zwar bieten sie den Fans immer noch den typischen Wendrsonn-Mix aus Folk, Pop, Rock und Mittelalterelementen. Alte und neue Lieder fügen sich nahtlos ineinander. Aber die Songs sind teilweise neu arrangiert und kommen nach wie vor bestens an. Ein WendrsonnKonzert ist alles – außer langweilig. Anke Hagners Stimme klingt kristallklar, mal ätherisch, dann wieder kräftig und kann sowohl solo als auch im Duett mit Stricker bestehen. Bassist Chris Weigold setzt sich bei der Ballade „Traum“ ans Keyboard und überrascht die Zuhörer hier mit seinen Fähigkeiten. Drummer Rob Wittmaier bringt ein Solo zu Gehör, bei dem niemand merkt, dass der Mann hinter dem Schlagzeug grippegeschwächt mit Fieber auf der Bühne steht. Der Abend ist ein voller Erfolg, ohne Zugabe lässt das Publikum die Band nicht gehen. Aktuell gehen Wendrsonn wieder ins Studio, im Frühjahr 2024 soll die neue CD herauskommen.