Nachrücker bei SPD und FDP in Baden-Württemberg
Wenige Wochen Bundestagsabgeordnete
Julian Grünke sitzt seit September im Bundestag. Lucia Schanbacher wird im Januar nachrücken. Wie ist es, ein Mandat so kurz vor der Neuwahl anzutreten?
Von Luisa Rombach
Der Beginn des eigenen Bundestagsmandats fühlt sich vermutlich ein bisschen wie der erste Schultag an. Viel Aufregung, Organisatorisches und unbekannte Gesichter. Man ist ja aber nicht allein, den anderen Schülern geht es genauso. Es sei denn, man kommt am Ende des Schuljahrs neu dazu. So dürfte es Lucia Schanbacher von der SPD im Januar gehen, wenn sie in den Bundestag nachrücken wird.
Freude und Respekt
Sie folgt auf Takis Mehmet Ali, der im Januar das Amt des Landrats des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe antreten wird. Ihre Reaktion, als sie erfuhr, dass sie in den Bundestag nachrücken wird, beschreibt die 34-Jährige als eine Mischung aus Freude und Respekt vor dem Amt: „Ich fand es erst einmal total krass.“ Seit diesem Moment im September ist bundespolitisch viel passiert. Die Regierung ist zerbrochen, die Auflösung des Bundestags durch die Vertrauensfrage steht noch im Dezember bevor.
Das bedeutet auch, dass Lucia Schanbacher statt Monaten nun Wochen bis zur nächsten Wahl bleiben werden, bei der auch ihr Amt wieder zur Wahl stehen wird. „Ich habe trotzdem eine lange Liste an Themen, bei denen man dringend mal was machen müsste“, sagt Schanbacher, die momentan noch als Stuttgarter Stadträtin aktiv ist.
Viel Zeit wird ihr dafür nicht bleiben. Nach ihrem offiziellen Mandatsantritt am ersten Januar wird am 27. Januar ihre erste Sitzungswoche im Bundestag beginnen. Dann werden die Wochen bis zur Wahl Ende Februar schon an einer Hand abzuzählen sein. Unabhängig davon gibt es einiges vorzubereiten, um den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten.
„Es gibt eine große Flut an Dingen, die bei so etwas auf einen zurollt“, sagt Schanbacher über die organisatorischen Hürden ihres neuen Amtes. Das sei an manchen Tagen schon eine große Belastung. „Aber ich bin stressresistent und zu wissen, dass diese Ausnahmesituation nur auf Zeit ist, hilft viel.“
Diese Erfahrung hat Julian Grünke von der FDP bereits gemacht. Er ist für Michael Theurer nachgerückt, der zur Bundesbank wechselte, und sitzt seit September im Bundestag. Von seinem Glück erfuhr der Politikwissenschaftler auf ungewöhnliche Weise: „Eine Kollegin hat mir im April einen Tweet unter die Nase gehalten, in dem stand, dass Michael Theurer einen neuen Job hat. Währenddessen rief mich die Generalsekretärin der FDP an. Da wusste ich, dass was im Tweet steht, stimmt.“
Von da an tickte die Uhr. Grünke hatte bis September Zeit, um sich vorzubereiten. Der organisatorische Teil gestaltete sich simpler als gedacht. „Ich hatte einen Termin bei der Landeswahlleiterin, musste dort einmal unterschreiben und das war es“, sagt der Bundestagsabgeordnete. Bei seinem Bundestagsbüro konnte er viele der Mitarbeitenden seines Vorgängers übernehmen. „Das hat mir den Einstieg massiv erleichtert“, sagt Grünke rückblickend.
Trotz dieses reibungslosen Übergangs gab es auch einige Hürden wegen des kurzfristigen Wechsels. Die Wohnungssuche beispielsweise ist in Berlin, wie in den meisten deutschen Großstädten, auch mit mehr Vorlaufzeit eine Herausforderung. Der 35-Jährige ist für die Sitzungswochen in der Hauptstadt in einem Hotel in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs untergekommen. „Das ist recht spartanisch eingerichtet, reicht für mich aber völlig aus.“ Eine Wohnung habe sich für ihn auch wegen der Kürze der Zeit nicht gelohnt. „Die Tage in Berlin sind so lang, dass ich danach nicht mal Zeit hätte, Wäsche zu waschen.“
Auch für Lucia Schanbacher lohnt sich eine eigene Wohnung in Berlin nicht. Sie kommt bei Freunden unter. Sowohl sie als auch Julian Grünke hoffen, bei der Wahl im Februar ihr Mandat verteidigen zu können. Sollte ihnen das gelingen, hätten sie vier Jahre Zeit, ihre Ideen umzusetzen. Dann würde auf den ersten Schultag nicht sofort der nächste Schulwechsel folgen.
Zur Person
Lucia SchanbacherDie Stadträtin sitzt seit fünf Jahren für die SPD im Stuttgarter Gemeinderat und beschäftigt sich dort besonders mit den Themen Klima, Wirtschaft und Wohnen. Auch die Verbesserung der Lebensumstände junger Familien nimmt sie in den Fokus. Am 4. Dezember verkündete sie offiziell, von Januar an den Wahlkreis Lörrach-Mühlheim von Takis Mehmet Ali zu übernehmen.
Julian GrünkeDer gebürtige Stuttgarter übernahm im September den Wahlkreis von Michael Theurer in Tübingen-Hechingen. Grünke ist seit 2017 Mitglied bei der FDP und setzt sich unter anderem für Generationengerechtigkeit und Klimaschutz ein. Bei der Bundestagswahl tritt er als Spitzenkandidat der Jungen Liberalen im Südwesten an.