Rüstung
Wenn die Straßenverkehrsordnung einen Kampfpanzer ausbremst
Im Falle eines Angriffes ist es wichtig, Truppen und militärisches Material schnell verlegen zu können. Ein Bericht zeigt, dass es dabei in Europa einige überraschende Hindernisse gibt.

© dpa/Felix Kästle
Verladung von Bundeswehr-Fahrzeugen in Immendingen.
Von Knut Krohn
Rüstung ist mehr als die Produktion von Panzern, Kanonen und Kampfflugzeugen. Für die Verteidigung eines Landes zentral ist eine gut ausgebaute Infrastruktur. Sie entscheidet darüber, ob Soldaten und Kampfgerät im Falle eines Angriffs schnell an einen Einsatzort transportiert werden können. Die Europäische Union ist in diesem Bereich allerdings schlecht gerüstet, das besagt ein aktueller Bericht des Europäischen Rechnungshofs.
Die Streitkräfte der EU-Länder seien nicht in der Lage, sich innerhalb der gesamten Union rasch zu bewegen, ist dort zu lesen. Die Kritik geht noch weiter und offenbart ein geradezu EU-typisches Problem: es existiere zwar ein neuer Aktionsplan zur militärischen Mobilität, der leide allerdings unter konzeptionellen Schwächen, die Umsetzung sei schleppend und viele der dort festgehaltenen Ziele würden nicht erreicht.
Militärische Mobilität ist von großer Bedeutung
„Militärische Mobilität ist von entscheidender Bedeutung für eine überzeugende Verteidigungsfähigkeit der EU, und es muss eindeutig schneller vorangehen. Das erforderliche Tempo ist noch nicht erreicht, weil es immer wieder Hindernisse gibt“, fordert Marek Opiola, der als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs für den Bericht zuständig ist.
Dabei hat die Behörde in Verbindung mit Truppenverlegungen innerhalb Europas angesichts des Krieges in der Ukraine manche Skurrilitäten zutage gefördert. So erhielten Kampfpanzer aus einem Mitgliedstaat keine Genehmigung, durch einen anderen Mitgliedstaat zu fahren, da ihr Gewicht die in den Straßenverkehrsordnungen festgelegten Beschränkungen überschritt. In einem anderen Fall verlangte ein EU-Mitgliedstaat für die Genehmigung grenzüberschreitender Truppenbewegungen eine Ankündigung 45 Tage im Voraus. Allerdings wurde ein dringend benötigter Transport militärischer Ausrüstung in die Ukraine dann offensichtlich auf strenge Nachfrage aus Brüssel sehr unbürokratisch doch noch innerhalb eines Tages zugelassen.
Die Zeitenwende kommt mit dem Ukraine-Krieg
In dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs klingt an, dass Europa beim Ausbau der eigenen Infrastruktur zu lange die geopolitische Entwicklung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft im Osten ignoriert hat. Im EU-Haushalt 2021–2027 waren erstmals Mittel speziell für Verkehrsinfrastruktur mit zivil-militärischer Doppelnutzung vorgesehen.
Eine echte Zeitenwende sei jedoch durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgelöst worden, heißt es aus Luxemburg. Der strategische Nachholbedarf der EU bei militärischer Mobilität sei besonders dringlich geworden. Unter Zeitdruck hat die EU daher im November 2022 einen neuen Aktionsplan zur militärischen Mobilität veröffentlicht. Offensichtlich haben die Fachleute in Brüssel aber die Situation völlig falsch eingeschätzt. Die bereitgestellten 1,7 Milliarden Euro waren Ende 2023 schon ausgegeben.
In normalen Zeiten könnten nun weitere EU-Mittel erst 2027 mit dem neuen Haushalt vergeben werden – aber die Welt lebt nicht in normalen Zeiten. Die USA haben sich unter ihrem Präsidenten Donald Trump aus der westlichen Wertegemeinschaft verabschiedet. Es droht auch das Ende der Nato, die über Jahrzehnte für die Sicherheit und den Frieden in Europa gesorgt hat.
Neue Milliarden für die Rüstung in Europa
Als Reaktion auf diese Entwicklung hat die EU-Kommission in diesen Tagen ein Rüstungspaket in Höhe von 800 Milliarden Euro angekündigt. Wie die Mittel konkret ausgegeben werden, ist noch nicht geregelt. Ziel müsse es sein, etwa europäische Rüstungsprojekte zusammenzulegen und konsequent zu standardisieren, um auf diese Weise Geld zu sparen.
Stützen können sich die Planer beim Ausbau der Verteidigungskapazitäten der EU auch auf die aktuellen Erkenntnisse des Europäischen Rechnungshofs zur Infrastruktur. Der bemängelt etwa, dass in der Vergangenheit Förderprojekte oft zu willkürlich, nicht immer an den strategisch wichtigsten Standorten und ohne Blick auf die Gesamtlage ausgewählt worden seien. Angeregt wird eine Zentralisierung der Zuständigkeiten für den Bereich militärische Mobilität und eine deutlichere Schwerpunktsetzung. Aus deutschen Militärkreisen heißt es dazu, dass nach diesem Milliardensegen aus Brüssel nicht einfach dasselbe gemacht werden dürfe wie bisher, nur eben mit mehr Geld.