Tickende Zeitbombe im Gehirn

Wenn plötzlich das Aneurysma im Kopf platzt

Wenn ein ausgesacktes Blutgefäß im Kopf reißt, kann es zu einer lebensgefährlichen Hirnblutung kommen. Doch wie groß ist das Risiko dafür? Wie lässt es sich verringern?

Ein Aneurysma ist eine mit Blut gefüllte sackartige Ausstülpung einer Arterie, die plötzlich aufreißen kann. Die meisten Aussackungen bilden sich an der Hauptschlagader (Aorta), der Herzwand oder im Gehirn

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Ein Aneurysma ist eine mit Blut gefüllte sackartige Ausstülpung einer Arterie, die plötzlich aufreißen kann. Die meisten Aussackungen bilden sich an der Hauptschlagader (Aorta), der Herzwand oder im Gehirn

Von Markus Brauer

Hunderttausende Bundesbürger haben ein Aneurysma, ohne es zu wissen. Nur bei wenigen Betroffenen kommt es zu einer gefährlichen Hirnblutung. Fragen und Antworten zu einem wichtigen medizinischen Thema:

Was ist ein Aneurysma?

Ein Aneurysma ist eine mit Blut gefüllte sackartige Ausstülpung einer Arterie, die plötzlich aufreißen kann. Die meisten Aussackungen bilden sich an der Hauptschlagader (Aorta), der Herzwand oder im Gehirn. Eine derartige Fehlbildung kann angeboren sein. Sie kann aber auch auf eine Entzündung von Arterien, eine schwere Infektionskrankheit oder eine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) folgen.

Ein Herzinfarkt kann später zu einem Aneurysma in der Herzwand und damit zu einer Herzschwäche bis zum plötzlichen Herztod führen. Platzt ein Aneurysma, droht der Mensch innerhalb von Minuten zu verbluten.

Beim Platzen eines meist angeborenen Aneurysmas einer Hirnarterie kann es zum plötzlichen Hirntod kommen. Vorboten sind unter anderem stärkste Kopfschmerzen und Erbrechen.

Überall im Körper können Aneurysmen auftreten

Der Begriff Aneurysma kommt aus dem Griechischen und bedeutet Erweiterung. Er meint eine spindel- oder sackförmige Erweiterung von Blutgefäßen, die lokal begrenzt und dauerhaft ist.

Das Aneurysma – eine Art „Schlagadersack“ – kann eine Größe von einem Millimeter bis mehreren Zentimetern haben. Die Gefäßwand der Blutgefäße besteht aus drei Schichten. Werden diese Schichten an einer oder mehreren Stellen porös, verlieren sie an Stabilität und stülpen sich aus. Die Gefahr, dass sie platzen, wird dadurch immer größer.

Wie kommt es zu einer Hirnblutung?

Hirnarterien-Aneurysmen – auch intrakranielle (im Schädel gelegene) Aneurysmen genannt – haben ein Blutungsrisiko von bis zu zwei Prozent pro Jahr. Wenn ein Schlagadersack im Hirn platzt, kommt es typischerweise zu einer Subarachnoidalblutung. Dabei fließt Blut um das Gehirn herum und in den Bereich der Schädelbasis.

Wie häufig sind Aneurysmen?

Aneurysmen sind tickende Zeitbomben. Nach Aussage von Neurochirurgen hat man ein ständiges Blutungsrisiko, das immer über einem schwebt. Wann und wo die Gefäßwand reißt, ist nicht vorauszusagen.

Statistisch gesehen haben etwa drei von 100 Erwachsenen ein Hirnaneurysma. Je größer das Aneurysma ist, umso größer ist das Risiko, dass es platzt. Langzeitstudien zeigen, dass jährlich rund 1,6 Prozent der Aneurysmen platzen.

Wie werden Aneurysmen entdeckt?

Aneurysmen fallen entweder als Blutung auf oder als Zufallsbefund bei einer heutzutage wesentlich verbesserten Bildgebung des Gehirns und seiner Gefäße. Viele Betroffene haben über Jahre oder Jahrzehnte keinerlei Krankheitssymptome.

Allerdings treten bei vielen einige Wochen vor der Blutung Warnhinweise auf wie starke Kopfschmerzen oder neurologische Ausfallerscheinungen. Mediziner sprechen auch von einer Vorbotenblutung. Die Hirnblutung selbst wird von „vernichtenden“ Kopfschmerzen, Übelkeit sowie Nackenschmerzen begleitet.

Die Aussackung der Arterien entwickelt sich häufig völlig symptomlos und wird nur zufällig entdeckt. Je nachdem wo das Aneurysma sitzt, kann es aber eine Reihe von Symptomen wie Atemnot, Husten, Bauch- oder Rückenschmerzen, Schluckbeschwerden und Durchblutungsstörungen des Gehirns oder der Arme auslösen.

Was sind die Ursachen eines Aneurysmas?

Das Risiko, dass ein Aneurysma platzt, hängt unter anderem von der Größe, Form und dem Ort der Ausweitung ab. Als mögliche Ursachen für die Ausbildung eines Aneurysmas gelten starkes Rauchen, Alkoholkonsum, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Fettstoffwechselstörungen.

Hinzu kommt eine genetische Disposition: Bei rund zehn Prozent der Patienten gibt es in der Familie bereits Betroffene. Angeborene Aneurysmen führen häufig schon in jüngerem Alter zu Hirnblutungen.

Kann ein Aneurysma operiert werden?

Kleinere Aneurysmen werden gewöhnlich vom Arzt ohne direkten Eingriff beobachtet. Eine Operation ist oft mit hohem Risiko behaftet.

Es gibt zwei Methoden, um ein Aneurysma aus der Blutbahn auszuschalten. Bei der klassischen operativen Methode wird der Schädel häufig oberhalb der Augen geöffnet. Der Neurochirurg verschließt das Aneurysma mit Hilfe eines Titanclips, der dauerhaft im Kopf bleibt. Dieses Verfahren wird auch Clipping genannt. Der Clip unterbricht die Aussackung vom Blutgefäß, so dass kein Blut mehr in das Aneurysma fließen kann und eine Ruptur (Riss) verhindert wird.

Wie effektiv ist die Alternativmethode?

Die zweite seit Anfang der 1990er Jahre angewendete Methode nennt sich Coiling. Beim Coilen wird ein meterlanger Katheter durch die Leistengegend eingeführt und durch die Bauch- und Halsschlagader bis in die Hirngefäße geschoben.

Durch das Innere des Katheters schiebt der Neuroradiologe einen Platindraht direkt bis ins Aneurysma. Dort rollt er den spiralförmigen Draht auf, füllt den Schlagadersack aus. Eine Thrombose (Blutgerinsel) wird erzeugt, die das Aneurysma von innen verschließt.

Wie groß ist die Gefahr eines Schlaganfalls?

Laut Experten liegt bei Aneurysmen ohne Blutung, die rechtzeitig entdeckt werden, die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls „im Promillebereich“. Subarachnoidale Blutungspatienten haben demnach ein sehr hohes Risiko von 40 bis 50 Prozent, einen Gefäßspasmus zu bekommen – eine krampfartige Verengung blutführender Gefäße.

Infolge dieses Vasospasmus bekommen 20 bis 30 Prozent der Aneurysma-Patienten, die eine Hirnarterienblutung erlitten haben, zusätzlich einen Schlaganfall in unterschiedlicher Ausprägung - teils ohne bleibende Schäden.

Wie gut sind die Genesungschancen?

Wenn das Aneurysma ausgeschaltet ist, schließt sich in aller Regel eine Rehabilitationsmaßnahme an. Je früher der Patient nach einer Hirnarterienblutung medizinisch versorgt wird, desto größer sind die Chancen, die Folgen der Erkrankung einzugrenzen. Dasselbe gilt auch für eine frühzeitige Rehabilitation mit Physiotherapie.

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Erstellt:
23. Januar 2025, 09:50 Uhr
Aktualisiert:
23. Januar 2025, 14:25 Uhr

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