Reißverschlussverfahren

Wer andere nicht einfädeln lässt, riskiert ein Bußgeld

Endet einer von zwei Fahrstreifen, müssen Autofahrer auf dem verbleibenden Fahrstreifen den Fahrzeugen auf dem endenden Fahrstreifen das Einfädeln ermöglichen. Welche Regeln gelten dabei?

In der Theorie einfach, in der Praxis oft konfliktträchtig: das Reißverschlussverfahren. (Symbolbild)

© IMAGO/Karlheinz Pawlik

In der Theorie einfach, in der Praxis oft konfliktträchtig: das Reißverschlussverfahren. (Symbolbild)

Von Gülay Alparslan

Es ist eine alltägliche Situation im Straßenverkehr: Wegen einer Baustelle endet eine Fahrspur. Die Fahrzeuge auf dem endenden Fahrstreifen müssen auf den verbleibenden Fahrstreifen ausweichen. An der Verengung müssen die Fahrzeuge, die sich auf dem durchgehenden Fahrstreifen befinden, die Fahrzeuge auf dem endenden Fahrstreifen einfädeln lassen. In der Theorie ist das Reißverschlussverfahren einfach, in der Praxis jedoch oft konfliktträchtig. Doch was sagen die Straßenverkehrsordnung und der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e.V. (ADAC) dazu?

Wann kommt das Reißverschlussverfahren zur Anwendung?

Nach Paragraf 7 Absatz 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt: Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen in eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, müssen die am Weiterfahren gehinderten Fahrzeuge so auf den benachbarten Fahrstreifen wechseln können, dass sie sich unmittelbar vor Beginn der Verengung abwechselnd hinter einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).

Wann sollte der Fahrstreifenwechsel erfolgen?

Immer wieder ist zu beobachten, dass Verkehrsteilnehmer schon weit vor der Fahrbahnverengung die Spur wechseln. Dabei ist es wichtig, bis zum Ende des Fahrstreifens zu fahren - also erst unmittelbar vor der Engstelle die Spur zu wechseln und dem nachfolgenden Verkehr durch Betätigen des Blinkers anzuzeigen, dass ein Spurwechsel bevorsteht. Der Grund: Ein zu früher Spurwechsel ist eine der häufigsten Ursachen für Staus und Unfälle.

Verkehrsteilnehmer, die sich auf dem weiterführenden Fahrstreifen befinden, müssen anderen Verkehrsteilnehmern das Einfädeln ermöglichen. Umgekehrt dürfen laut ADAC einfahrende Autofahrer den Spurwechsel nicht erzwingen.

Wichtig: Autofahrer, die bis an das Hindernis heranfahren, sind keine Drängler, sondern verhalten sich korrekt.

Wer ist im Falle eines Unfalls für den Schaden verantwortlich?

Kommt es bei einem Spurwechsel zu einem Unfall, so trifft nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) die Schuld in der Regel den Fahrer, der die Spur gewechselt hat. Wäre in dieser Situation jedoch das Reißverschlussverfahren angemessen gewesen, kann auch derjenige Fahrer schuld sein, der das Einfahren in den Fahrstreifen nicht ordnungsgemäß ermöglicht hat.

Laut ADAC gilt für den Spurwechsler „eine erhöhte Sorgfaltspflicht“. Er darf den Spurwechsel nicht erzwingen und sich nicht darauf verlassen, dass er automatisch „reingelassen“ wird.

Zu Unfällen bei Spurwechseln im Reißverschlussverfahren liegen verschiedene Gerichtsurteile mit unterschiedlichen Ergebnissen vor.

Der ADAC verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.12.2003 - Az. 16 U 173/03), das dem Spurwechsler eine Haftungsquote von 70 Prozent zuwies.

fünfzigprozentige Schuldaufteilung bei Unfall in Ausnahmefällen möglich

In einem anderen Fall sprach das Oberlandesgericht München laut ADAC dem Spurwechsler die volle Schuld am Unfall zu (Az. 10 U 4565/16). Die Begründung: Kommt es bei einem Spurwechsel im Reißverschlussverfahren zu einer Kollision, spreche der Anscheinsbeweis dafür, dass der Spurwechsler die alleinige Schuld trägt. Dieser habe die Fahrspur gewechselt, obwohl eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht auszuschließen gewesen sei.

Ein Anscheinsbeweis ist eine rechtliche Vermutung, die auf den ersten Blick als wahr erscheint, obwohl sie nicht unbedingt bewiesen ist. Er beruht auf äußeren Umständen oder Indizien, die den Anschein erwecken, dass etwas Bestimmtes zutrifft.

Laut dem ADAC kann es in Ausnahmefällen auch zu einer fünfzigprozentigen Schuldaufteilung zwischen beiden Fahrern kommen. Dies ist dann der Fall, wenn der Fahrer auf der Hauptfahrbahn seine vermeintliche Vorfahrt durchsetzen will, den Spurwechsel verhindert und es zum Unfall kommt.

Was passiert, wenn man anderen Verkehrsteilnehmern das Einfädeln verwehrt?

„Es gibt tatsächlich eine gesetzliche Verpflichtung, die besagt, dass man beim sogenannten Reißverschlussverfahren andere Fahrzeuge einfädeln lassen muss“, sagt Julian Häußler, Pressesprecher vom ADAC Württemberg. Wer sich nicht daran hält, muss mit einem Verwarngeld von 20 Euro rechnen. „Diejenigen, die sich über das Reißverschlussverfahren einfädeln, müssen jedoch darauf achten, dass sie dabei keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährden“, so der Experte.

Wann gilt das Reißverschlussprinzip nicht?

Das Reißverschlussverfahren gilt nicht beim Auffahren auf die Autobahn. Hier haben immer die Fahrzeuge Vorrang, die sich bereits auf der Autobahn befinden. Einfahrende Fahrzeuge müssen daher die Fahrzeuge auf der Autobahn passieren lassen und ihre Geschwindigkeit entsprechend anpassen. Erst wenn sich eine Lücke auftut, darf auf die Autobahn aufgefahren werden.

Nach Angaben des Automobil-Club Verkehr e. V. (ACV) haben Gerichte solche Situationen in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt, sodass sich noch keine allgemeingültige Regelung herausgebildet hat.

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Erstellt:
31. Juli 2024, 16:04 Uhr
Aktualisiert:
6. August 2024, 11:37 Uhr

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