Europas Verteidigungsunion

Wer bezahlt die Milliarden für die Aufrüstung?

Noch wird nicht über gemeinsame Schulden für die Rüstung gesprochen, doch angesichts der explosiven Weltlage könnte sich das schnell ändern, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Europa ist auf dem Weg zu einer Verteidigungsunion. Dafür wird sehr viel Geld in die Hand genommen.

© dpa/Kay Nietfeld

Europa ist auf dem Weg zu einer Verteidigungsunion. Dafür wird sehr viel Geld in die Hand genommen.

Von Knut Krohn

Die Welt ist aus den Angeln. Russland hat Europas Friedensordnung zerstört, US-Präsident Donald Trump zertrümmert in rasender Rücksichtslosigkeit das globale Machtgefüge und damit auch die Nato. Der sich beschleunigende Klimawandel, die Probleme mit der Migration und eine lahmende Wirtschaft vervollständigen das Bild einer geradezu apokalyptisch anmutenden Zukunft.

Doch ausgerechnet das als schwach verspottete Europa scheint angesichts dieser existenziellen Bedrohungen über sich hinauszuwachsen. In einer atemberaubenden Geschwindigkeit werden in Brüssel weitreichende Pläne geschmiedet und milliardenschwere Pakete geschnürt, um den Kontinent für die gewaltigen Herausforderungen zu rüsten. Richtig ist, dass jetzt angesichts der bröckelnden Nato vor allem in Sicherheit und Verteidigung investiert werden soll.

Deutschland sorgt für einige Überraschungen

In dieser Aufbruchstimmung sorgt Deutschland für Überraschungen – und macht den angestrebten Umbau der Europäischen Union überhaupt erst möglich. Friedrich Merz will als wahrscheinlich nächster Bundeskanzler Hunderte Milliarden Euro in die Verteidigung des Landes pumpen. Erst diese zweite Zeitenwende des in der EU wirtschaftlich übermächtigen Deutschland bildet die Grundlage für die Verteidigungsunion, die kurz danach von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ausgerufen wurde. 800 Milliarden Euro will Brüssel dafür aufbringen.

Der Löwenanteil des Geldes soll von den Mitgliedstaaten kommen, denn Verteidigung ist in Europa eine nationale Aufgabe. Weil das die meisten EU-Staaten an ihre Belastungsgrenze bringen würde, überraschte Deutschland mit einem weiteren Vorschlag: Berlin fordert eine Reform der EU-Schuldenbremse. Die Argumentation Deutschlands ist einleuchtend und Ausdruck der neuen globalen Realität: Um die gewaltigen Rüstungsausgaben langfristig zu sichern, müssen sie von den Schuldenregeln ausgenommen werden. Wenig überraschend reagieren Länder wie Italien oder Frankreich zurückhaltend. Sie sind angesichts ihrer gewaltigen Staatsdefizite schon jetzt nur einen Schritt vom finanziellen Absturz entfernt.

Berlin übernimmt eine Führungsrolle

Auch in diesem Fall übernimmt Deutschland eine Führungsrolle – und zwar die des Blockierers. Dass die bisher als eisern sparsam verschriene Bundesregierung für einen größeren Kreditspielraum in Sachen Verteidigung eintritt, ist eine Revolution. Die Kehrtwende wird indes an eine klare Bedingung geknüpft: gemeinsame EU-Schulden, die sogenannten Eurobonds, bleiben für Berlin auch beim Thema Verteidigung tabu.

Doch der erste Trippelschritt in diese Richtung ist bereits getan. 150 Milliarden Euro wird die EU-Kommission aufnehmen und diese als günstige Kredite an die Staaten vergeben. Das Geld soll etwa in gemeinsame Rüstungsgüter wie Drohnen oder Cyberabwehr investiert werden. Ohne Deutschland würde dieser Handel nicht funktionieren, denn dessen Finanzkraft und Kreditwürdigkeit ist der wesentliche Grund, warum dieser Teil einer schuldenfinanzierten Rüstungsoffensive in Europa überhaupt möglich ist.

Osteuropa fordert mehr Geld für Waffen

Weitere Begehrlichkeiten in Sachen gemeinsamer Finanzierung werden bereits formuliert. Verständlicherweise nimmt die Lautstärke der Forderungen mit der geografischen Nähe zu Russland zu. Die Balten und auch Polen sprechen bei dem beschlossenen Weg hin zu einer Verteidigungsunion von einem „ersten Schritt“, dem weitere folgen müssten. Der Hinweis aus Warschau, dass die EU in der Coronakrise den Ländern mit Finanzspritzen geholfen habe, ist eine kaum verdeckte Anspielung auf Eurobonds. Noch wagt niemand dieses Wort offen auszusprechen. Angesichts der schwankenden Weltlage könnte sich das schnell ändern.

Zum Artikel

Erstellt:
9. März 2025, 12:12 Uhr
Aktualisiert:
9. März 2025, 16:21 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen