TV-Serie „Parallel Me“
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Die deutsche Serie „Parallel Me“ bei Paramount+ erzählt einfallsreich von einer unglücklichen jungen Frau, die die Chance bekommt, parallele Realitäten auszuprobieren.

© Paramount+/Krzysztof Wiktor
Karrierefrau Toni (Malaya Stern Takeda) hadert mit ihrem Leben.
Von Tilmann P. Gangloff
Seit Jahrtausenden beflügelt die Zauberformel „Was wäre, wenn…?“ die Fantasie der Menschen: Was wäre, wenn die hellen Punkte am Firmament keine Löcher im Himmel, sondern ferne Gestirne wären? Wenn der Mensch Raketen bauen und zum Mond fliegen könnte? Oder wenn es nicht bloß ein Universum, sondern viele parallel existierende Alternativen zu unserer Realität geben würde? Mit den Superheldencomics hat das Multiversum Einzug in die Popkultur gehalten, aber tatsächlich haben sich schon Philosophen in der Antike über diese Theorie den Kopf zerbrochen. Es ist also nicht unplausibel, dass Ariadne, die einst Theseus mit einem Wollknäuel zur Flucht aus dem kretischen Labyrinth verhalf, für den bunten Faden dieser spektakulär abwechslungsreichen Geschichte sorgt.
Maria Schrader als Viertelgöttin
Dabei ist der Handlungskern von „Parallel Me“ im Grunde ganz einfach. Karrierefrau Antonia, zumeist bloß Toni genannt (Malaya Stern Takeda), hadert nach einem völlig verkorksten Silvesterabend, an dem sie erst ihren Job, dann ihre beste Freundin und schließlich ihre Zuflucht in der elterlichen Wohnung verloren hat, wieder mal mit ihrem von Burnout bedrohtem Dasein. Aus heiterem Himmel macht ihr die Viertelgöttin Ariadne (Maria Schrader) ein unwiderstehliches Angebot: Mit Hilfe eines Schals kann sie ausprobieren, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn sie an den Gabelungen ihres Lebenswegs anders abgebogen wäre. Was Toni zunächst nicht ahnt: Ihre Reisen führen sie nicht in die Vergangenheit. Sie bleibt in der Gegenwart und plumpst ohne jede Vorbereitung in die alternativen Realitäten. Unter anderem landet sie vor Tausenden von Fans auf einer Bühne in Bangkok: In diesem Dasein hat sie sich einst dem elterlichen Wunsch widersetzt und nicht Jura studiert, sondern eine Popakademie besucht. Nun ist sie weltberühmt, wenn auch nur in Thailand.
Weil sich der Star-Status als viel zu anstrengend entpuppt, verändert sie sich, und so funktioniert auch das Muster der Serie: Jede neue Alternative birgt ihre Tücken, nirgendwo ist Toni wirklich glücklich, weder als Surf- und Segellehrerin mit Freundin Bea (Larissa Sirah Herden) auf Bali noch in der Ehe mit Jugendliebe Jonas (David Kross) und erst recht nicht in der Beziehung mit einem Türsteher, der sich zudem als Dealer entpuppt. Für Malaya Stern Takeda ist das natürlich eine Traumrolle. Sie darf nicht nur in ständig wechselnden Kostümen und mit immer wieder neuen Frisuren so viele Facetten der Hauptfigur spielen, sondern auch singen und tanzen. Tonis häufige Missgeschicke verkörpert sie in bester Clown-Tradition.
Viele Ideen und großzügiges Budget
Entscheidender ist jedoch, wie mitreißend glaubwürdig sie die emotionale Achterbahnfahrt vermittelt. Zu den vier zentralen Rollen zählen auch die Eltern (Caroline Peters, Ulrich Noethen), die sich in den unterschiedlichen Realitäten zum Teil ebenfalls wandeln. Tonis emotionale Anker sind allerdings Jonas und Bea. Mal hat sie eine Beziehung mit ihm, mal mit ihr; daher ist es umso tragischer, dass sie ausgerechnet diese beiden Herzensmenschen regelmäßig enttäuscht. Ihre ultimative Erfüllung findet sie ohnehin nicht, auch nicht hochschwanger in Beas Heimat Kolumbien.
Abgesehen von der Ideenvielfalt des Drehbuchteams rund um Chefautorin Jana Burbach imponiert die achtteilige Serie durch einen Produktionswert, von dem selbst großzügig budgetierte Kinofilme hierzulande nur träumen können, und das nicht allein wegen der verschiedenen internationalen Schauplätze; auch der personelle Aufwand ist enorm, von den Herausforderungen an Kostüm- und Szenenbild ganz zu schweigen. Regisseur Felix Binder, der fünf der acht Folgen inszeniert hat, sowie Vanessa Jopp und Sebastian Sorger haben bei den einzelnen Episoden je nach Thema und Umgebung neben dem Look auch Tempo und Tonfall variiert: Während die von Glitzer, Glamour und Luxus geprägte Bangkok-Episode überwiegend nachts spielt und hektisch ist, sind die Szenen auf Bali pures Fernwehfernsehen. In den letzten Folgen wandelt sich „Parallel Me“ samt eines Todesfalls mehr und mehr zum Familiendrama, wobei der krönende Abschluss noch einige Knüller bereithält.
Parallel Me ist ab 26. April beim Streamingdienst Paramount+ verfügbar.