Persönlichkeitsrechte
Wer das Handy beschlagnahmt, weiß alles
Der Juristentag diskutiert, ob die Gesetze noch zur Lebenswirklichkeit passen – beim Umgang mit potenziellen Straftätern wie beim Hochwasserschutz.
Von Christian Gottschalk
Wahrscheinlich hat kein technisches Gerät das Leben von jedem Einzelnen in den letzten Jahren so sehr beeinflusst und verändert wie das Mobiltelefon. Wobei der Begriff Telefon verharmlosend ist. Die Minicomputer speichern unser Leben. In ihnen ist zu sehen, was mit Frau und Freundin besprochen wurde, aber auch mit Geschäftspartnern. Es gibt die Bilder vom Kindergeburtstag, aber auch weniger unverfängliches Material. Und es gibt, zumindest nach Ansicht vieler Juristen, keinen ausreichenden Schutz der persönlichen Daten, wenn so ein allwissender Taschencomputer beschlagnahmt wird.
Stuttgart ist ein beliebter Austragungsort
Ob das ganz gut so ist oder dringend geändert werden muss, ist nur eine der Fragen, mit denen sich der Deutsche Juristentag in diesem Jahr beschäftigt. Zum 74. Mal treffen sich Vertreter aller juristischen Berufsstände, Anwälte wie Richter, Professoren wie Studenten, Verwaltungsjuristen und Staatsanwälte. Zum fünften Mal findet die hoch angesehene Expertentagung dabei in Stuttgart statt – nach 1871, 1951, 1976 und 2006.
„Wir verfolgen keine politische Agenda, wir sind nicht tagespolitisch getrieben, wir stehen für eine rationale Rechtspolitik“, sagt Henning Radtke. Der Richter am Bundesverfassungsgericht ist in diesem Jahr der Präsident des Juristentages. Ob sich nach vielen Diskussionen bei der abschließenden Abstimmung am Freitag eine Mehrheit dafür findet zu empfehlen, die Regeln zur Beschlagnahme von Mobiltelefonen zu ändern, das steht zum Auftakt der Veranstaltung nicht fest. Zahlreiche Beiträge lassen das aber vermuten. Der Berliner Richter Gregor Herb erklärt zum Beispiel: In einem Wirtschaftsstrafverfahren käme kein Ermittler auf die Idee, neben den Geschäftsunterlagen auch die Plattensammlung mitzunehmen. Bei der Beschlagnahme eines Handys ist genau dies der Fall.
Gesetzgeber hört oft auf die Experten
Gesetze macht der Juristentag selbstredend nicht – aber die Vorschläge der mehr als 2300 Teilnehmer finden bei den Gesetzgebern Gehör. Zu Beginn des Jahres ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechtes in Kraft getreten, maßgeblich initiiert vom Juristentag, der sich alle zwei Jahre in unterschiedlichen Städten trifft. Auch viele Einzelvorschriften, die in unterschiedlichen Gesetzen die Details und Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleiches regeln, gehen auf die Veranstaltungsreihe zurück.
Neben weiteren Themen aus dem Medien- Wirtschafts- oder Arbeitsrecht steht auch der Umgang mit aktuellen Krisen im Mittelpunkt. Krisen, wie das im Osten der Republik noch immer steigende Hochwasser. Das scheint nur auf den ersten Blick eher ein Thema für Rettungskräfte und Hilfsorganisationen zu sein – tatsächlich befassen sich zahlreiche Juristen damit, nicht nur, wenn es um die Details der Schadensregulierung geht. Die Gestaltung von Flächennutzungsplänen in potenziellen Überschwemmungsgebieten ist dabei nur einer von zahlreichen verschiedenen Aspekten, um die heftig gerungen wird.
Strittige Diskussionen erwartet
Der alte Kalauer, dass es dort, wo zwei Juristen stehen, mindestens drei Meinungen gibt, er gilt natürlich auch für den Juristentag. Beim Thema Beschlagnahmung von Mobiltelefonen kommt zum Beispiel Jörn Hauschild in einer mehrseitigen Analyse zu dem Schluss, dass die Persönlichkeitsrechte der Eigentümer nach den bisherigen Regeln gewahrt seien. Hauschild ist Bundesanwalt, er gehört somit der Ermittlerseite an.