Putin kündigt Serienproduktion an
Wie bedrohlich ist Russlands neue Mittelstreckenrakete „Oreschnik“?
Der Kreml brüstet sich mit seiner neuen Mittelstreckenrate namens „Oreschnik“ und will sie in Serie bauen. Was kann die neue Waffe und ist sie tatsächlich so innovativ, wie Russlands Präsident Putin behauptet?
Von Markus Brauer/dpa/AFP
Kremlchef Wladimir Putin hat sich zufrieden mit dem Einsatz einer neuen Mittelstreckenrakete gegen die ukrainische Millionenstadt Dnipro gezeigt. Die als „Oreschnik“ (deutsch: Nussstrauch oder Haselbusch) bezeichnete Rakete sei weltweit einzigartig, lobte er und kündigte eine Serienproduktion an.
Putin: Entscheidung zur Serienproduktion ist gefallen
So eine Waffe habe „bisher niemand anders auf der Welt“, sagte der russische Präsident bei einer Besprechung mit ranghohen Militärs und Vertretern der Rüstungswirtschaft. Die Entscheidung zur Serienproduktion sei gefallen, sie sei praktisch schon organisiert. Moskau werde die Erprobung der Rakete dabei weiter fortsetzen, auch im Kampfeinsatz, betonte er. Den Beschuss von Dnipro mit der Rakete bezeichnete er als gelungenen Test.
Die TV-Bilder zeigten Putin sichtlich erfreut. „Oreschnik“ sei keine Modernisierung sowjetischer Technik, sondern zeuge vom technischen Fortschritt russischer Ingenieurskraft und der Stärke des Rüstungssektors, unterstrich er. Die Beteiligten am Bau der Rakete würden mit hohen Orden ausgezeichnet. „Die Resultate ihres Einsatzes sind von ihrem Effekt und ihrer Leistungsfähigkeit her vergleichbar mit dem Einsatz strategischer Waffensysteme.“
Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit
Dabei zähle das System „Oreschnik“ weder zu den strategischen Waffen noch zu den Massenvernichtungswaffen, weil es auch sehr gezielt eingesetzt werden könne, fügte Putin hinzu. Moskau zufolge soll die Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit fliegen und unerreichbar für Flugabwehrsysteme sein.
Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig bestätigen. Experten gehen davon aus, dass die Rakete technisch gesehen auch mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnte.
Neuer Raketenangriff als Botschaft an den Westen
Russland hatte die Ukraine am Donnerstag (21. November) mit einer neuen ballistischen Mittelstreckenrakete beschossen. Nach russischen Angaben wurde damit in Dnipro ein Rüstungsbetrieb angegriffen.
Moskau hatte den Start der Rakete aber auch bewusst zur Abschreckung des Westens genutzt. Dieser soll daran gehindert werden, die von Russland angegriffene Ukraine weiter zu unterstützen - vor allem nicht mit weitreichenden Raketen zum Beschuss von Militärobjekten auf russischem Gebiet.
So können die Äußerungen eines hochrangigen Generals zu Putin bei der gleichen Sitzung als Drohungen an den Westen und insbesondere die Länder auf dem europäischen Kontinent verstanden werden. „Ausgehend von den gestellten Aufgaben und der Reichweite dieser Waffe, kann sie (die Rakete) Ziele auf dem ganzen Gebiet Europas angreifen, was sie vorteilhaft von anderen Arten hochpräziser Waffen großer Reichweite unterscheidet“, erklärte der Chef der strategischen Raketenstreitkräfte Russlands, Sergej Karakajew.
Handelt es sich um modifizierten Raketentyp?
Bisher ist unklar, ob es sich bei Mittelstreckenrakete tatsächlich um eine neuentwickelte Rakete oder einen Teil des Raketenprogramms „RS-26 Rubesch“ handelt. Nach Angaben aus US-Sicherheitskreisen besaß Russland bis November 2024 nur eine geringe Stückzahl der „Oreschnik“.
Angeblich sei sie noch in der Testphase. Die Rakete kann mehrere Sprengköpfe gleichzeitig tragen, die sich vor dem Wiedereintritt der Rakete in die Erdatmosphäre von der Rakete ablösen und können unabhängig mehrere Ziele ansteuern. Die Rakete erreicht in der Endphase eine Geschwindigkeit von Mach 10 bzw. 12.300 Stundenkilometern.
„RS-26 mit einigen Upgrades“
Laut einem Raketenexperten ist die „Oreschnik“ eine „RS-26 mit einigen Upgrades“. Sie soll demnach „zu 80 bis 90 Prozent mit ihr identisch“ sein. Nach US-Angaben ist die „Oreschnik“ ballistische Mittelstreckenrakete, die Attrappen vor der Detonation abwirft. Dies mache neben ihrer enormen Geschwindigkeit von 2 bis 3 Kilometern pro Sekunde und der schwer vorhersehbaren Flugbahn ein Abfangen schwierig.
„Beim Start solcher Raketen weiß man bis zum Einschlag nicht, ob sie nuklear oder konventionell bestückt ist“, erläutert Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. „Das Besondere dieser bodengestützten, wahrscheinlich mobilen Rakete ist ihre Reichweite und ihr Sprengkopf“, so Kühn gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
„Wir müssen die russische Panikmache ignorieren“
„Der militärische Wert dieser Rakete ist momentan noch begrenzt, da Russland sehr wenige Exemplare haben dürfte und diese auch eher teuer sein dürften“, betont Kühn. „All das könnte sich aber ändern, wenn Moskau diese Rakete in Massenproduktion herstellen würde.“
Der frühere US-Generalleutnant Ben Hodges hält zu viel Sorge vor der erstmals eingesetzten Waffe für unbegründet. „Die Russen haben von Anfang an Waffen eingesetzt, die Atomsprengköpfe tragen können“, sagt der Ex-General. Diese neue Rakete hätte auch nicht mehr Schaden angerichtet als die vielen anderen Schläge Russlands. „Wir müssen die russische Panikmache ignorieren.“ Der einzige Vorteil dieser Waffe für Russland sei die Angst, die sie erzeugt.