Neue Bauordnung im Land
Eine Reform, die Hausbau schneller und günstiger machen soll
Am Donnerstag will der Landtag das „Gesetz für das Schnellere Bauen“ verabschieden. Für Bauherren birgt es viele Chancen, aber auch einige Risiken.

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Bauen soll dank der Gesetzesänderung einfacher und schneller möglich sein.
Von Annika Grah
Am Donnerstag soll das „Gesetz für das schnelle Bauen“ im Landtag verabschiedet werden. Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) wirbt damit, dadurch von „Kontrolle“ auf „Ermöglichen“ umzustellen. In Kraft treten soll das Gesetz dann zum 1. Juli. Aber was haben Bauherren konkret davon und wo liegen die Risiken?
Genehmigungsfiktion
Nicht nur in Stuttgart klagen Bauherren darüber, dass ihre Bauanträge lange in den zuständigen Ämtern liegen. Das soll sich mit der Genehmigungsfiktion ändern. Diese findet dort Anwendung, wo ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren möglich ist – zum Beispiel bei Wohngebäuden. Im Kern führt sie dazu, dass die Genehmigung, auch wenn die Behörde nicht reagiert, innerhalb von drei Monaten als erteilt gilt. Auch die Behörden sollen dadurch entlastet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Bauantrag vollständig gestellt ist. Das soll durch das virtuelle Bauamt, also einen digitalen Bauantrag, sichergestellt werden. Der Bauherr und sein Planer tragen die Verantwortung, dass alle rechtlichen Vorgaben eingehalten sind.
Verbandsvertreter haben allerdings Zweifel, ob die Genehmigungsfiktion wirklich zu einer Beschleunigung führt. Luisa Pauge vom Gemeindetag wies in der Anhörung im Landtag darauf hin, dass Verzögerungen bisweilen auch an anderen Verfahrenspartnern und unvollständigen Unterlagen lägen. Außerdem stelle sich die Frage, wer hafte, wenn eine auf diese Weise erteilte Baugenehmigung zurückgenommen werde. Gerald Lipka vom Verband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, dem vor allem freie Bauträger angehören, rechnet damit, dass bei größeren Bauvorhaben die Banken nicht mitspielen werden, wenn keine förmliche Überprüfung stattfinde. „Deshalb werden auf Druck der finanzierenden Banken viele Bauträger auf eine Genehmigungsfiktion verzichten“, glaubt Lipka. Der Geschäftsführer von Haus und Grund Württemberg, Sebastian Nothacker, der vorrangig private Häuslebauer im Blick hat, kann sich hingegen durchaus vorstellen, dass das neue Verfahren zu einer Erleichterung führt.
Widersprüche und Nachbarschaftsbeteiligung
Schneller soll es auch durch eine kürzere Nachbarschaftsbeteiligung von vier auf zwei Wochen und die Abschaffung von Widersprüchen bei den Regierungspräsidien gehen, die teils für Verzögerungen von mehr als einem Jahr geführt haben. Letzteres sieht Haus-und-Grund-Geschäftsführer Nothacker kritisch. Damit werde die Möglichkeit gestrichen, die Entscheidung der Baubehörden vom Regierungspräsidium überprüfen zu lassen. „Damit werden die Verfahren aus den Baubehörden an die Verwaltungsgerichte gehen“, fürchtet Nothacker. Die SPD favorisiert deshalb das bayerische Modell, bei dem die Bauherren vor dem Bauantrag direkt das Einverständnis der Nachbarn einholen.
Auch Thomas Möller von der Bauwirtschaft Baden-Württemberg sagte im Landtag. „Viel besser wäre es natürlich – und das ist durchaus ernst gemeint - wenn Bauwillige und Nachbarn sich im Vorfeld zusammensetzen bei einer guten Flasche Wein, der eine sein Bauvorhaben erklärt und der andere vielleicht seine Bedenken.“ Die Kultur des Miteinander Redens sei dadurch verlernt worden, dass zu viele juristische Möglichkeiten gebe.
Umbauten im Bestand
Echte Erleichterungen beim Bauen gibt es vor allem im Bestand. So werden mehr Umbauten verfahrensfrei gestellt, etwa Wand- oder Dachöffnungen oder Ladesäulen für E-Autos. Das gleiche gilt, wenn ein Gebäude statt für Gewerbe als Wohnungen genutzt werden – sofern der Bebauungsplan das zulässt. Hinzu kommt: Nicht nur bei Nutzungsänderungen auch bei baulichen Änderungen etwa wenn ein Dachgeschoss ausgebaut wird, soll es keine höheren Anforderungen an den Brandschutz geben als für den Rest des Gebäudes. Für Sebastian Nothacker ein großer Gewinn: „Damit können Bauherren erhebliche Kosten sparen“, sagt er.
Haftung
Allerdings bergen manche Vereinfachungen auch finanzielle Risiken vor allem für private, unerfahrene Bauherren. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht besonders kritisch, dass die sogenannte kleine Bauvorlagenberechtigung auf Planer ausgeweitet werden soll, die keiner Pflicht für eine Berufshaftpflichtversicherung oder für Fortbildungen unterliegen, wie sie etwa für Architekten vorgesehen ist. „Wir sehen eine Regelungslücke, da eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung Verbraucher:innen vor der Zahlungsunfähigkeit und im schlimmsten Fall vor einer Insolvenz der verantwortlich Planenden schützt.“ Auch Architekten- und Ingenieurkammer hatten den Punkt schon im Landtag moniert. Der SPD-Abgeordnete Klaus Ranger warnte bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs. „Kommt es hier zu einem Schadensfall, bleibt der Kunde oder Bauherr auf den Kosten sitzen – oft existenzbedrohend.“
Stellplätze und Spielplätze
Traurige Sandkästen und verlassene Wipptiere zwischen Wohngebäuden sollen künftig der Vergangenheit angehören. Künftig können Bauherren sich von der Spielplatzpflicht freikaufen, so dass die Kommune das Geld in größere Spielplätze investieren kann. Ein entscheidender Hebel wurde in der Novelle allerdings nicht umgesetzt. Die Stellplatzverordnung war nicht wie geplant geändert worden. Dabei sind sich an der Stelle sogar Bauträger und Mieterbund einig: die Entscheidung, wie viele Stellplätze für Autos ein Neubau tatsächlich haben muss, wäre in kommunaler Hand am besten aufgehoben. Bei der Pflicht zum Bau von Spielplätzen geht die Landesregierung mit der Novelle diesen Weg. Die sind nicht mehr obligatorisch, sondern der Bauherr kann auch eine Art Ablöse an die Kommune zahlen, damit die statt eines tristen Sandkastens zwischen zwei Gebäuden, in einen echten Spielplatz investieren kann.