Hochkultur der Antike

Wie die Phönizier einst die Mittelmeer-Welt beherrschten

Analysen alter DNA stellen das bisherige Verständnis der phönizisch-punischen Zivilisation in Frage. Forscher haben Genomdaten von 210 Menschen aus der Antike analysiert und entdeckt: Die phönizischen Städte hatten trotz enger Verflechtungen nur wenig genetischen Einfluss auf die Bevölkerung im Mittelmeerraum.

Der karthagische Heerführer Hannibal zog 218 v. Chr. mit einem Teil seines Heeres von der Iberischen Halbinsel nach Italien, um einem römischen Angriff auf Spanien und Nordafrika zuvorzukommen. Vermutlich zog der Punier über das Tal der Rhone und dann  über das Tal der Isère in neun Tagen weiter in die Alpen.

© Imago/Panthermedia

Der karthagische Heerführer Hannibal zog 218 v. Chr. mit einem Teil seines Heeres von der Iberischen Halbinsel nach Italien, um einem römischen Angriff auf Spanien und Nordafrika zuvorzukommen. Vermutlich zog der Punier über das Tal der Rhone und dann über das Tal der Isère in neun Tagen weiter in die Alpen.

Von Markus Brauer

Die phönizische Kultur entstand in den Stadtstaaten der Levante in der Bronzezeit und brachte bedeutende Innovationen hervor, etwa das erste Alphabet, von dem viele heutige Schriftsysteme direkt abstammen.

Bis zum Beginn des ersten Jahrtausends v. Chr. hatten die phönizischen Städte ein ausgedehntes maritimes Netzwerk von Handelsposten bis nach Iberia aufgebaut und ihre Kultur, Religion und Sprache im gesamten zentralen und westlichen Mittelmeerraum verbreitet.

Karthago und die Herrschaft der Phönizier

Im 6. Jahrhundert v. Chr. herrschte Karthago, eine aufstrebende phönizische Küstenkolonie im heutigen Tunesien, über diese Region. Diese kulturell phönizischen Gemeinschaften, die mit Karthago verbunden waren oder von Karthago regiert wurden, nannten die Römer „punisch“.

Das karthagische Reich hinterließ seine Spuren in der Geschichte. Bis heute weitbekannt sind die drei blutigen „Punischen Kriege“ gegen die aufstrebende Römische Republik um die Vorherrschaft im Mittelmeerraum, darunter der Überraschungsfeldzug des karthagischen Feldherrn Hannibal, der eine gewaltige Armee inklusive Elefanten über die Alpen führte, die die junge Römische Republik an den Rande des Zusammenbruchs brachte.

Im Rahmen des Max Planck-Harvard Research Center for the Archaeoscience of the Ancient Mediterranean hat ein internationales Forschungsteam jetzt und eine Studie im Fachjournal „Nature“ zur genetischen Geschichte dieser alten mediterranen Zivilisationen veröffentlicht.

One of the more stunning aDNA results from recent times. The Punics, despite linguistic and cultural evidence, hardly have any Levantine Phoenician ancestry! Instead, they seem to be an Aegean and Sicilian derived population in a cline with North Africans (their Carthaginian… pic.twitter.com/tkerHLc3Fa — manasataramgini (@blog_supplement) April 24, 2025

Neue Einblicke in die Verbreitung der phönizischen Kultur

Ziel der neuen Studie war es, anhand alter DNA die Abstammung der punischen Bevölkerung zu bestimmen und nach genetischen Verbindungen zwischen ihnen und den levantinischen Phöniziern zu suchen, mit denen sie eine gemeinsame Kultur und Sprache teilten.

Dies gelang durch die Sequenzierung und Analyse einer großen Anzahl von Genomen aus menschlichen Überresten, die in 14 phönizischen und punischen archäologischen Stätten in der Levante, Nordafrika, Iberien und auf den Inseln Sizilien, Sardinien und Ibiza begraben waren.

Dabei kamen die Forscher zu einem überraschenden Ergebnis: „Wir haben überraschenderweise nur einen geringen direkten genetischen Anteil der levantinischen Phönizier an den punischen Populationen im westlichen und zentralen Mittelmeer gefunden“, erklärt Erstautor Harald Ringbauer vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

„Das wirft ein neues Licht darauf, wie sich die phönizische Kultur ausbreitete – nicht durch Massenmigration, sondern durch einen dynamischen Prozess von Kulturtransfer und Assimilation.“

„Sehr heterogenes genetisches Profil“

Die Studie zeigt, dass die punischen Stätten damals von Menschen mit sehr unterschiedlicher genetischer Abstammung besiedelt waren. „Wir finden in der punischen Gesellschaft ein sehr heterogenes genetisches Profil“, erläutert David Reich, Professor für Genetik und Evolutionsbiologie des Menschen an der Harvard University und einer der Autoren der Studie.

„Die genetische Herkunft der Menschen war an allen Fundorten sehr vielfältig, wobei die größte genetische Gruppe aus Menschen bestand, die heutigen Menschen in Sizilien und der Ägäis ähnelten. Darüber hinaus gab es eine große Anzahl von Menschen mit signifikanter nordafrikanischer Abstammung.“

Alte DNA enthüllt kosmopolitische Natur der punischen Welt

Die Ergebnisse zeigen den kosmopolitischen Charakter der punischen Welt. In allen untersuchten punischen Siedlungen, einschließlich Karthago, lebten Menschen nordafrikanischer Abstammung neben und vermischten sich mit der überwiegend sizilianisch-ägäischen Bevölkerung.

Darüber hinaus deuten genetische Netzwerke im gesamten Mittelmeerraum darauf hin, dass gemeinsame demografische Prozesse wie Handel, Heirat und Vermischung eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieser Gemeinschaften spielten. Die Forscher haben sogar zwei nahe Verwandte über das Mittelmeer hinweg ausfindig gemacht, von denen der eine in einem punischen Grab in Nordafrika und der andere in Sizilien begraben liegt.

Mobilität historischer Bevölkerungsgruppen

„Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die damaligen Gesellschaften im Mittelmeerraum eng miteinander verbunden waren und die Menschen über oft große geografische Entfernungen hinweg migrierten und sich vermischten“, betont Ilan Gronau, Professor für Informatik an der Reichman University in Herzliya, Israel, ein weiterer Autor der Studie.

„Solche Studien zeigen das Potenzial alter DNA, Informationen über die Abstammung und Mobilität historischer Bevölkerungsgruppen zu gewinnen, von denen wir nur wenige direkte historische Aufzeichnungen haben“, sagt Gronau.

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Erstellt:
24. April 2025, 15:38 Uhr
Aktualisiert:
24. April 2025, 15:44 Uhr

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