Rätsel des Lebens
Wie entstand Leben auf der frühen Erde? Neue Stickstoffquelle entdeckt
Wie entwickelte sich das Leben auf der frühen Erde? Forscher haben das Rätsel einer längst vergangenen Zeit entschlüsselt. Demnach scheint, anders als bislang angenommen, biologisch verfügbarer Stickstoff kein limitierender Faktor gewesen zu sein.
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© Imago/Blickwinkel
Stromatolithen in Australien.
Von Markus Brauer
Lebende Organismen brauchen Stickstoff als zentralen Baustein etwa für die Proteinbildung. Doch obwohl unsere Atmosphäre reichlich Stickstoff enthält, können weder Menschen noch die allermeisten Pflanzen diesen direkt aus der Luft aufnehmen.
Fundamentale Fragen des Lebens auf der Erde
Genau wie heute war daher bereits das frühe Leben der Erde auf die Stickstofffixierung durch Mikroben angewiesen. Also auf deren Umwandlung von Luft-Stickstoff in Stickstoff-Verbindungen, die Lebewesen aufnehmen und verwerten können.
Vorgänge, die sich vor Milliarden von Jahren auf der Erde abspielten, sind im Detail längst noch nicht umfassend bekannt. Was waren die Stickstoffquellen der frühen Erde? Wie wurden sie genutzt? Und was bedeutete dies für die weitere Entwicklung des Lebens?
Digital descriptors in predicting catalysis reaction efficiency and selectivity Designing catalytic systems for reactions like nitrogen reduction (NRR) and carbon dioxide reduction (CO2RR) is a pressing goal for sustainable energy and chemical synthesis. These reactions often… pic.twitter.com/epwpbov5xN — Jorge Bravo (@bravo_abad) February 27, 2025
Genau solchen Fragen widmet sich die Forscherin Michelle Gehringer von Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau. Sie ist Geomikrobiologin und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und geochemischen Prozessen.
Stickstofffixierung unter wechselnden Umweltbedingungen stabil
Unter ihrer Federführung konnte kürzlich eine Mess-Methode verifiziert werden, die zeigt, dass die biologische Stickstofffixierung unter wechselnden atmosphärischen Zusammensetzungen stabil bleibt.
Stickstoff hat zwei stabile Isotope – sozusagen zwei verschiedene Zustände: 15N und 14N. Michelle Gehringer erklärt: „Stickstoffgas ist eine Mischung aus dem leichten Atom 14N und dem schwereren Atom 15N. Wenn moderne Mikroben Stickstoff in ihrem Stoffwechsel nutzen, dann verwenden sie diese beiden Isotope in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Wir messen dies, indem wir stickstoffhaltige Biomasse verbrennen und das bei der Verbrennung entstehende Stickstoffgas auffangen.“
Umweltbedingungen beeinflussen Stoffwechselraten
Bisher sei man immer davon aus ausgegangen, dass Mikroben das gleiche 15N/14N -Verhältnis aufweisen, auch wenn sie unter völlig anderen Umweltbedingungen, ohne Sauerstoff und mit viel höherem Kohlendioxidgehalt leben.
Allerdings habe bislang niemand getestet, ob das tatsächlich stimmt. Da jedoch die Umweltbedingungen die Stoffwechselraten beeinflussen, könnten sie mutmaßlich durchaus auch das 15N/14N-Verhältnis beeinflussen.
Die Forscher um Gehringer züchteten Cyanobakterien unter Umweltbedingungen, die denen der frühen Erde ähneln – also ohne Sauerstoff und mit hohem Kohlendioxidgehalt. „Wir haben festgestellt, dass die 15N/14N-Verhältnisse der Cyanobakterien stabil bleiben. Unsere Ergebnisse stützen daher die Annahme, dass dieses Verhältnis während der gesamten Erdgeschichte gleich war.”
Stickstoff auch in Form von gelöstem Ammonium aufgenommen
Darauf aufbauend untersuchte Michelle Gehringer mit weiteren Forscher – unter Federführung ihrer Wissenschaftlerkollegen Ashley Martin von den Northumbria University Eva Stüeken von der University of St Andrews – den Stickstoffkreislauf in alten Stromatolithen – also in Sedimentgesteine organischen Ursprungs.
Die alten Gesteine, die etwa 2,7 Milliarden Jahre alt waren, enthalten tote Überreste von verschiedenen Mikroorganismen und können den Forschenden Informationen über deren Ökosysteme und Umweltnischen in vergangenen Zeiten geben.
Michelle Gehringer: „Wir beschafften uns Zugang zu unberührtem, nicht verwittertem Gestein, das wir zu einem feinen Pulver zermahlten und auf Stickstoffisotope analysierten.“
THERMOGENIC METHANE SIBERIAN ARCTIC SHELF Laptev Sea enormous increase dissolved methane Some venting. Mainly deep ancient source of thermogenic methane Time Bomb Natalia Shakhova was right 10 years agohttps://t.co/JLvnBtZ1nd#methane#permafrost#globalwarming#climatechangepic.twitter.com/Pnln8Y7XjH — Peter D Carter (@PCarterClimate) February 24, 2025
Hydrothermale Aktivitäten am Meeresboden
Mithilfe der 15N/14N -Verhältnis-Messungen fanden die Forscher heraus: Im Gegensatz zu modernen Stromatolithen war das organische Material der alten Stromatolithen nicht allein auf die biologische Fixierung von Stickstoffgas durch Cyanobakterien angewiesen.
Genauer gesagt: Die Untersuchungsergebnisse weisen auf die zusätzliche Aufnahme von Stickstoff in Form von gelöstem Ammonium hin. „Und die plausibelste Quelle dafür sind hydrothermale Aktivitäten am Meeresboden.”
Zudem haben sich die Forscher Sedimentgesteine in einem Vulkanbecken angesehen, das ebenfalls etwa 2,7 Milliarden Jahre alt ist. Auch in diesem System erwies sich Ammonium aus hydrothermalen Quellen als relevant.
We measured methane concentrations in the glacial river of up to 3170 nM (nearly 800 times higher than the atmospheric equilibrium concentration) and found the methane to be of thermogenic origin through isotopic analysis. We estimated a total of 1.0 t of methane emissions during… pic.twitter.com/jyEDGOY0Wj — Thomas Reis (@peakaustria) February 26, 2025
Wäre demnach auch Leben auf dem Mars möglich?
„Bisher ging man davon aus, dass das Leben auf der frühen Erde, bevor die Atmosphäre mit Sauerstoff angereichert wurde, durch einen Mangel an biologisch verfügbarem Stickstoff eingeschränkt war.“
Die aktuellen Studien belegen nun eine zusätzliche Rolle von Ammonium aus hydrothermalen Tiefseequellen: „Mithilfe hydrothermaler Quellen schränkte Stickstoff die Ausbreitung des Lebens auf der frühen Erde nicht ein. Vielmehr konnte das Leben sowohl in Tief- als auch in Flachwasser-Meeresumgebungen erblühen.“ Und das ermöglichte laut Gehringer die Entwicklung einer großen Vielfalt an Mikroorganismen, die wir noch heute sehen.
Was könnten diese Erkenntnisse für Leben auf anderen Planeten bedeuten? „Hydrothermale Aktivität wurde auf dem Mars dokumentiert und findet wahrscheinlich auch auf den eisigen Monden im äußeren Sonnensystem statt.” Es sei denkbar, dass sich dort ähnliche Vorgänge wie auf der frühen Erde abspielten oder noch immer abspielen.