Frauen in der Arbeitswelt

Wie Frauen der Teilzeitfalle entrinnen

Die Bundesagentur für Arbeit sieht bei den Frauen in Teilzeitbeschäftigung ein wesentliches Potenzial, um den Arbeitsmarkt stabil zu halten. Dabei müssen allerdings einige günstige Bedingungen zusammenkommen.

Es muss ja nicht ein typischer Männerberuf – wie hier im KfZ-Handwerk –  sein: Frauen werden in der Arbeitswelt mehr denn je gebraucht.

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Es muss ja nicht ein typischer Männerberuf – wie hier im KfZ-Handwerk – sein: Frauen werden in der Arbeitswelt mehr denn je gebraucht.

Von Matthias Schiermeyer

Endstation Teilzeit? Es muss nicht das Ende der beruflichen Selbstverwirklichung sein, wenn Frauen als Alleinerziehende zwei oder mehr Kinder groß ziehen. Diese Erfahrung hat auch Bettina Ludwig gemacht. Vor 13 Jahren hat sie nach der zweiten Elternzeit wieder angefangen zu arbeiten, damals mit einer Teilzeit von 34 Prozent. Die familiäre Situation hatte sich geändert, und sie musste allein klarkommen. Seither hat sie Stück für Stück aufgestockt und ist – da die Kinder nun 15 und 20 Jahre alt sind – am 1. März bei 95 Prozent angekommen. Bei der Vollzeit quasi.

Ludwig arbeitet bei der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. „Ich bin meinem Arbeitgeber mehr als dankbar, dass er das alles so mitgetragen hat“, sagt die Beraterin bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. „Das haben wir einfach den Gegebenheiten angepasst, sodass ich den erhöhten Arbeitsaufwand immer mit meiner persönlichen Situation vereinbaren konnte – ich war flexibel und mein Arbeitgeber war es auch.“ Die Bereitschaft des Arbeitgebers ist – neben einem Rückhalt bei der Kinderbetreuung und hoher Eigenmotivation – generell ein wichtiger Faktor, damit Frauen mit Kindern der Teilzeitfalle entrinnen können.

Frauen, die noch nicht so weit sind wie Bettina Ludwig, gelten bei der Bundesagentur für Arbeit (BA)' als „Schlüsselressource“, da sie im Vergleich zu Männern eine niedrigere Erwerbsbeteiligung haben und viel öfter in Teilzeit tätig sind. Sie werden dringend gebraucht, um das Beschäftigungsniveau und die Sozialsysteme stabil zu halten. Zudem „könnte eine Ausweitung der Arbeitszeit von derzeit in Teilzeit beschäftigten Frauen den Fachkräftemangel abmildern“, sagt die BA-Regionalchefin Martina Musati.

Obwohl mittlerweile auch immer mehr Männer die Teilzeit nutzen, ist der Bereich noch eine Frauendomäne. Laut dem Statistischem Landesamt arbeiten in Baden-Württemberg 50 Prozent der erwerbstätigen Frauen von 15 bis 64 Jahren in Teilzeit. Bei rechnerisch jeder dritten Frau wird die Betreuung von Kindern als Hauptgrund genannt, bei fast jeder fünften Frau die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger.

Nun mag sich eine Alleinerziehende im öffentlichen Dienst etwas leichter tun, wenn sie ihre Arbeitszeit dem Privatleben anpassen will. Obwohl es auch in der privaten Wirtschaft schon hochflexible Arbeitsmodelle gibt, tun sich etliche Unternehmen noch schwer damit. Eine Unterstützung durch die Agentur für Arbeit sollte in jedem Fall einen positiven Effekt haben.

Da gebe es etliche „Programme, mit denen Frauen in meiner Situation eine Hilfe bekommen“, sagt Bettina Ludwig. Sie selbst habe damals noch mit Hilfe der Arbeitsagentur einen Zuschuss für eine Haushaltshilfe erhalten. So etwas gibt es heute nicht mehr, dafür aber diverse Beratungsangebote über die BA-Beauftragten für Chancengleichheit – gerichtet etwa an Frauen, die sich in der Welt der Minijobs gefangen sehen. „Viele wissen gar nicht, dass man sich dorthin wenden und Unterstützung beim beruflichen Neueinstieg bekommen kann.“ Und sei es nur eine Weiterbildung für das Erstellen von Bewerbungen. „Da wäre ich heute auch überfordert“, sagt die 55-Jährige. Sie selbst habe mit der Arbeitsagentur nur gute Erfahrungen gemacht. Manche Leute gingen „mit unglaublich hohen Erwartungen“ dorthin, die wegen der Gesetzeslage nicht zu erfüllen seien. Doch insgesamt seien die Agenturberater „wirklich lösungsorientiert“.

Ukrainerinnen sind seltener in Arbeit

59,6 Prozent beträgt die Erwerbsbeteiligung bei den Frauen im Land – 67,3 Prozent sind es bei den Männern. Bei Frauen ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung binnen zehn Jahren um 16,7 Prozent (322 000) auf 2,2 Millionen angewachsen; um 14,4 Prozent (337 000) bei den Männern.

Deutsche Frauen sind häufiger sozialversicherungspflichtig beschäftigt als Ausländerinnen: Das Verhältnis beträgt 62,5 zu 48,8 Prozent. Beim genauen Blick tun sich erhebliche Abweichungen auf: Die Beschäftigungsquote von Ukrainerinnen liegt nur bei 20,7 Prozent und von Frauen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern (Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Eritrea, Somalia, Nigeria und Pakistan) bei 20,9 Prozent. Auch dies hat viel mit Kinderbetreuung zu tun.

Insofern sieht die Bundesagentur für Arbeit gerade bei den zugewanderten Frauen „ungenutzte Potenziale“. Deren Chancen am Arbeitsmarkt seien „sehr unterschiedlich und hängen vom jeweiligen Herkunftsland, dem Zuwanderungsgrund, dem Aufenthaltsstatus sowie der Bildungs- und Berufsqualifikation ab“, sagt Musati. „Diese Potenziale gilt es stärker zu heben.“ Denn Frauen in Arbeit komme bei der gesellschaftlichen Integration der zugewanderten Familien eine „Schlüsselrolle“ zu. Dazu kann Bettina Ludwig – welch Glücksfall – in ihrem Beruf sogar ganz direkt beitragen.

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Erstellt:
6. März 2025, 06:16 Uhr

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