Kunsthalle Karlsruhe: Hans Thoma
Wie Politik in die Museen einwirkt
Hans Thoma wurde in Baden-Württemberg als Künstler und Persönlichkeit hochgehalten. Die Kunsthalle Karlsruhe schaut nun genauer hin. Das lohnt sich.
Von Adrienne Braun
Im Nachhinein war es vielleicht doch die falsche Entscheidung. Als 1899 in Karlsruhe ein neuer Museumsdirektor gesucht wurden, hätte man einen unbequemen Geist einstellen können, einen, der beim Ankauf von Kunst das Risiko nicht scheut. Beliebt hätte er sich damit eher nicht gemacht, heute aber würde Karlsruhe eine Kunstsammlung von Weltrang besitzen, die auch preislich in Schwindel erregende Höhen geklettert wäre.
So aber hat man damals Hans Thoma berufen, einen Maler, der das garantierte, was auch heute in manchen Kreisen immer beliebter wird: Er hatte einen Kunstgeschmack, der sich nicht an der Moderne, sondern am guten Alten orientierte – an der Malerei des Mittelalters und der Renaissance. Ausländisches kaufte Thoma nicht an, sondern lieber regionale Kunst.
In einem Forschungsprojekt wurde nun Thomas Wirken als Direktor aufgearbeitet. Dabei zeigt sich: Die meisten Künstler, die er erwarb, sind längst vergessen. Das Hochkarätige, das die Kunsthalle Karlsruhe heute besitzt, wurde zu anderen Zeiten angeschafft.
Der Landespreis heißt nicht mehr nach Thoma
Trotzdem lebt Thomas Nachruhm fort. Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt. Und in Bernau, wo er 1839 geboren wurde, ist man stolz auf den erfolgreichen Sohn. Hier wird auch der wichtigste Kunstpreis des Landes Baden-Württemberg verliehen, der nach Thoma benannt war, seit kurzem aber nur noch Landespreis für Bildende Kunst heißt. Denn das Blatt hat sich gewendet.
Bei der Aufarbeitung von Leben und Werk fanden sich in Thomas Korrespondenzen unschöne Details, die zeigen, dass er deutsch-nationalen und antisemitischen Ideen anhing.
Die Kunsthalle Karlsruhe widmet Hans Thoma nun eine Studio-Ausstellung in ihrem Interimsdomizil im ZKM. Und mit dem Wissen, dass er enge Kontakte zu völkisch gesinnten Kreisen hat, schaut man seine Ankäufe anders an – etwa die drei Lotsen, die ein gewisser Carlos Grethe 1911 malte. So ernst, wie diese vom Wetter gezeichneten Seebären dreinblicken, weiß man: Das sind echte Männer, die anpacken können.
Thoma war heimat- und naturverbunden. So setzte er sich ein für ein Gemälde von Wilhelm Hasemann, der 1901 eine Schwarzwälder Spinnstube malte. Das Bild sei „sehr geeignet“, meinte Thoma und ein „Preis von 6000 Mk durchaus angemessen“. Bedenkt man, dass der Impressionismus damals fast vorbei war und der Expressionismus in den Startlöchern stand, wird deutlich, wie provinziell Thomas Kunstverständnis war.
Künstler waren Samenkörner, die sich gesund entwickeln sollten
Immerhin, Thoma erwarb auch Werke von Arnold Böcklin, Gustave Courbet oder auch Anselm Feuerbach. Er wollte, „dass die Mittel, welche der Kunstpflege zur Verfügung stehen, möglichst lebendigen Künstlern zugewendet werden sollten, als Stärkung für eine auflebende, kommende Kunst“. Für ihn waren junge Künstler „Samenkörner“, die sich möglichst „gesund entwickeln“ sollten.
Offenbar hat die Moderne wenig Eindruck bei Thoma hinterlassen. Dabei war er nach dem Studium in Karlsruhe auch nach Paris gereist, lebte in München und Frankfurt – reagierte aber auch in seiner eigenen Kunst weder auf die neuen künstlerischen Tendenzen, noch auf die sich ändernden Lebenswelten. Auf seinem Selbstbildnis sieht man ihn als stattlichen Mann, ein Skelett im Nacken, aber doch beschützt von einem kleinen Amor, der ihm über den Kopf streicht – vermutlich eine Anspielung auf seine Liebe zu seiner Frau Cella. Sie hat er nach einer Italienreise in Renaissance-Manier gemalt in folkloristischer Tracht.
Noch als Achtzigjähriger war Thoma Direktor
Als Thoma nach Karlsruhe berufen wurde, war er bereits sechzig Jahre alt. Zwanzig Jahre, bis 1919 blieb er Direktor der Großherzoglichen Galerie. Er war ein geschätzter Mann, begleitete den Großherzog auf eine Reise in die Schweiz – und malte hernach einen imposanten, Schwindel erregenden Blick in die Gebirgslandschaft. Er wurde zum Mitglied des Badischen Landtags ernannt und äußerte sich auch politisch.
Der neue Blick auf Hans Thoma rückt manches gerade. Dabei geht es nicht darum, ihn an den Pranger zu stellen, interessanter ist, wie stark ideologische Aspekte eben auch die Ankaufspolitik der Museen prägen und wie einflussreich politische Ideen auf dem Nebenschauplatz der Kunst sein können. Nicht ohne Grund schätzten die Nazis später Thomas Kunst. Seine Ankaufspolitik folgte seiner politischen Haltung, war mitunter aber auch höchst subjektiv.
Deshalb erwarb er auch ausnahmsweise mal einen ausländischen Künstler, den Franzosen Charles Cottet. Denn dessen Bild von einer Mutter und Tochter in Trauer ging Thoma ans Herz, weil er gerade selbst um seine verstorbene Frau trauerte.
Kunsthalle Karlsruhe im ZKM
UmbauWährend die Kunsthalle Karlsruhe saniert wird, ist eine Auswahl der Sammlung im ZKM Karlsruhe zu sehen.
AusstellungDie Studioausstellung zu Hans Thoma ist in die Dauerausstellung integriert und geöffnet Mi – Fr 10 bis 18 Uhr, Sa, So 11 bis 18 Uhr. adr