Wiedersehensfreude in schweren Zeiten

Beim Auftakt des Treffens der Städtepartner Murrhardt, Château-Gontier, Frome, Rabka-Zdrój und Rötha steht die Lage in den jeweiligen Kommunen im Mittelpunkt. Die aktuellen Krisen und der Ukrainekrieg sind Themen aller Partner, die den europäischen Geist hochhalten.

In der Ausstellung begleiten deutsche und französische Karikaturisten die Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft mit scharfem, ironischem Blick. Fotos: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

In der Ausstellung begleiten deutsche und französische Karikaturisten die Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft mit scharfem, ironischem Blick. Fotos: Jörg Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Namensschilder und Zusammenfassungen auf Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch zur Lage in den Partnerstädten liegen aus, Ankommende erkennen bekannte Gesichter, gehen aufeinander zu und begrüßen sich herzlich. Die Murrhardter Festhalle füllt sich zusehends, rund 130 Gäste aus dem französischen Château-Gontier, englischen Frome, polnischen Rabka-Zdrój und sächsischen Rötha haben sich an den Tischen eingefunden. Unter ihnen sind langjährig Engagierte genauso wie Jugendbotschafter.

Bei der Eröffnung des Treffens werden Schlaglichter auf die aktuellen Themen in den Partnerstädten geworfen. Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner lässt keinen Zweifel daran, dass die Herausforderungen angesichts der Pandemie, des Ukrainekriegs und seiner Folgen wie Energiekrise und Inflation groß sind. Es gelte, sie gemeinsam zu meistern und die europäischen Werte zu verteidigen. „Unser Partnerschaftstreffen in diesen Zeiten ist ein starkes Zeichen und zeigt unseren Zusammenhalt“, sagt er. Konkretes Beispiel: die Unterstützung der polnischen Partnerstadt Rabka-Zdrój, in der bisher insgesamt 2150 ukrainische Flüchtlinge zwischenzeitlich unterkamen. Aktuell sind es nun wieder 1000 Menschen, die dort vor dem Krieg Schutz suchen. Angesichts des Klimawandels und weiterer Konfliktherde müsse sich Europa zusammenraufen, um in einer globalisierten Welt zu bestehen. „Vieles geht meiner Ansicht nach noch zu schwerfällig und mühsam. Ein Europa 2.0 ist gefragt.“ Ebenso hält er es für wichtig, zu einem Engagement für Europa zu motivieren, um Zweiflern und Blendern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mößner skizziert, was sich in der Walterichstadt in den vergangenen drei Jahren seit dem letzten Treffen getan hat beziehungsweise was an Themen auf der Agenda steht; neben den globalen wie Reaktionen auf Pandemie und Ukrainekrieg sind das auch regionale(re) wie Schaffung von Wohnraum, Stadtentwicklung oder Sanierungsprojekte.

Über die Berichte zeigen sich eine Reihe gemeinsamer, übergreifender Themen

Insgesamt wird deutlich, dass es letztlich viele Verbindungslinien gibt, beispielsweise bei Projekten, mit denen die Städtepartner dem Klimawandel und der Bedrohung der Artenvielfalt zu begegnen oder ein lebenswertes Miteinander vor Ort zu schaffen versuchen. Patrick Léger, Präsident des Partnerschaftscomités von Château-Gontier-sur-Mayenne, der Bürgermeister Philippe Henry vertritt, berichtet beispielsweise von Bemühungen, die Infrastruktur für Fußgänger und Zweiräder zu stärken, um ein Umsteigen vom Auto zu fördern, von ökologischen Maßnahmen wie städtischen Bienenhäusern und dem Anlegen von Honigwiesen und Schafweiden. Die Vernetzung und Versorgung einer Biogasanlage fällt genauso in diese Kategorie.

Auch in Frome gehört die Förderung der Biodiversität zu wichtigen aktuellen Vorhaben. Justin Worringham, Vorsitzender der Frome Twinning Association, erzählt vom Projekt „Wild about Frome“ mit gestalteten Bereichen für Bienen und Schmetterlinge sowie weiterer bedrohter Arten, einer neu gegründeten Gruppe, die wildtierfreundliches Gärtnern unterstützt, der Entwicklung einer Wildtierkarte oder Baumpflanzungen. Die Initiative „Green Breather Days“ mit Sperrungen für den Verkehr kommt teils gut an, teils erntet die Stadt Kritik. Zudem ist ein Leitfaden für die Klimanotfallplanung Thema.

In Rabka-Zdrój wird neben vielen lokalen Sanierungs- und Bauprojekten – unter anderem, um die Kurstadt voranzubringen – auch in die Entwicklung einer Elektromobilitätsstrategie investiert, wie die stellvertretende Bürgermeisterin Małgor-zata Gromala berichtet. Seit Beginn des Ukrainekriegs ist Rabka-Zdrój mit hohen Flüchtlingszahlen konfrontiert. Zwar konnten einige Arbeit finden, sodass über 1000 Geflüchtete mittlerweile in andere Städte oder ins Ausland gegangen sind. „Aber die Unterstützung in der Bevölkerung nimmt ab“, so Małgorzata Gromala.

Die Spenden der Städtepartnerfür die polnische Partnerstadt helfen

Zum einen, weil die Hilfe seit Februar ein Dauerthema ist, zum anderen, weil die finanzielle Verschlechterung den Familien keinen Spielraum mehr lässt. „Sie haben einfach nicht mehr das Geld, um anderen zu helfen.“ Insofern dankt Małgorzata Gromala den Städtepartnern sehr für die Spenden von rund 23000 Euro und zeigt zum Abschluss ein eindrückliches Video, in dem zwei Ukrainerinnen von ihrer Flucht und Lage erzählen.

Den Abschluss macht Stefan Eichhorn, der als ehemaliger Bürgermeister von Rötha seinen Ruhestand angetreten hat und mit seinem Nachfolger Pascal Németh und Vorgänger Ditmar Haym zum Treffen gekommen ist. Er stellt die Stadt und ihre zentralen Themen und Orte in einer Filmsequenz vor. „Ich freue mich, dass ein Treffen in diesen politisch und gesellschaftlich turbulenten Zeiten möglich ist“, sagt er.

Nach der Eröffnung wird ein Mittagssnack gereicht und die Gäste können sich im Foyer von der Karikaturenausstellung „Die deutsch-französische Freundschaft“ inspirieren lassen. Die 61 Tafeln geben Einblick in die Beziehungen der beiden Länder und dokumentieren gleichsam Zeitgeschichte auf humorvolle Weise. In „Es lebe der Unterschied“ fängt Jens Kricke 2020 die verschiedenen Prioritäten beim Hamsterkauf in Zeiten von Corona ein – Klopapier versus Kondome und Wein. Oder Freimut Woessner fragt sich 2010 mit Blick auf die Tour de France, was der Betrachter denn hier vorbeifahren sieht. Seine Antwort: „Eilige Arzneimittel“. Mit zunehmendem Zeitabstand – die Karikaturen reichen bis ins Jahr 1958 zurück – verändern sich auch die Themen. Wer nicht alle politischen Details parat hat, dem helfen die einordnenden Texte auf Deutsch und Französisch.

Ausstellung im Foyer der Festhalle

Karikaturen Geöffnet ist die Ausstellung im Foyer der Festhalle, Helmut-Götz-Straße 3: Samstag, 23. Juli, und Sonntag, 24. Juli, von 13 bis 17 Uhr, Montag und Dienstag, 25. und 26. Juli, von 13 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei. Mit der Karikaturenschau soll an einen der Grundpfeiler der europäischen Zusammenarbeit erinnert werden: die deutsch-französische Freundschaft.

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Erstellt:
23. Juli 2022, 06:00 Uhr

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