Bericht über Verfassungsschutz

Wieso sich das neue Gutachten zur AfD zu verzögern scheint

Eigentlich wollte der Verfassungsschutz schon längst ein neues Gutachten zur AfD veröffentlichen. Doch nun wurde bekannt: Es ist wohl noch nicht fertig. Und jetzt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Seit 2021 gilt die AfD laut Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“.

© www.imago-images.de/IMAGO/Christoph Hardt

Seit 2021 gilt die AfD laut Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“.

Von Rebekka Wiese

Seit 2021 beobachtet der Bundesverfassungsschutz die AfD als sogenannten Verdachtsfall. Das bedeutet: Die Sicherheitsbehörde sieht offenbar Anhaltspunkte dafür, dass die Partei rechtsextremistische Bestrebungen verfolgt. Seit Längerem ist bekannt, dass der Verfassungsschutz an einem neuen Gutachten zu AfD arbeitet. Es könnte die Grundlage sein, um die AfD als „gesichert extremistisch“ einzustufen – und dürfte sich auch um die Debatte auf ein mögliches Parteiverbot auswirken. Doch nun ist ein Bericht im „Tagesspiegel“ erschienen, laut dem das Gutachten noch nicht fertig sein soll. Woran das liegen könnte und was die neue Einstufung bedeuten würde: ein Überblick.

Warum überrascht es viele, dass das Gutachten noch nicht fertig ist?

Das Gutachten hat eine lange Vorgeschichte. Wenn eine Gruppe oder eine Partei als „Verdachtsfall“ eingestuft wird, ist es üblich, dass nach einiger Zeit ein Gutachten erscheint, in dem diese Einschätzung überprüft wird. Deshalb war erwartet worden, dass der Verfassungsschutz 2024 einen neuen Bericht zur AfD vorlegt. Schon vor mehr als einem Jahr gab es Medienberichte, laut denen die Behörde seit Monaten daran arbeiten würde. Viele rechneten damit, dass das Gutachten im Herbst erscheinen würde. Doch dann zerbrach die Ampelkoalition – und es war klar, dass der Verfassungsschutz das Gutachten vor den Neuwahlen nicht veröffentlichen würde, weil das den Wahlkampf beeinflusst hätte. Es wird also schon lange an dem Gutachten gearbeitet. Deshalb ist es überraschend, dass es laut „Tagesspiegel“ noch nicht fertig sein soll.

Wie ist bekannt geworden, dass das Gutachten noch nicht fertig ist?

Besonders nach den Neuwahlen gab es zunehmend öffentlichen Druck, das Gutachten nun endlich vorzulegen. Es lief sogar eine Unterschriftensammlung, die das forderte. Der „Tagesspiegel“ fragte deshalb nun beim Bundesinnenministerium (BMI) nach, warum das Gutachten zurückgehalten werden würde. Die Antwort: „Es ist, unabhängig von der Bundestagswahl, noch nicht fertig gestellt und liegt daher dem BMI auch nicht vor.“ Das Gutachten, so schrieb das Bundesamt, „wurde und wird nicht zurückgehalten.“

Woran könnte es liegen, dass sich das Gutachten verzögert?

Dazu gibt es keine offiziellen Angaben. In dem „Tagesspiegel“-Artikel heißt es, dass es laut Sicherheitskreisen zwei mögliche Erklärungen gebe: „das behördenübliche Tempo“ sowie „die Tatsache, dass sich die AfD im Laufe der vergangenen Monate, auch während des Bundestagswahlkampfs, ständig weiter radikalisiert habe.“ Das Gutachten muss demnach also offenbar noch aktualisiert werden. Konstantin von Notz (Grüne), der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Aufsicht über den Verfassungsschutz zuständig ist, hält die Verzögerung des Berichts teilweise für nachvollziehbar. „Das Gutachten ist verfassungsrechtlich ein dickes Brett. Dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht, ist grundsätzlich richtig“, sagte von Notz dieser Redaktion. „Trotzdem müssen Bundesverfassungsschutz und Bundesinnenministerium zügig liefern.“

Was würde es bedeuten, wenn die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird?

Wenn der Verfassungsschutz es für sicher hält, dass eine Gruppierung oder Einzelpersonen extremistische Bestrebungen verfolgen, hat er weitere Möglichkeiten, sie zu beobachten. Zum Beispiel könnte er deren Telefonate überwachen oder versuchen, Informanten anzuwerben. Die Hochstufung würde es einfacher machen, entsprechende Mittel wirklich anzuwenden, weil der Verfassungsschutz diese immer streng abwägen muss – wobei Abgeordnete trotzdem besonders vor Überwachung geschützt sind. Sie nachrichtendienstlich zu beobachten, ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Daran würde auch die Hochstufung nichts ändern. Eine Bewertung als „gesichert rechtsextremistisch“ würde auch nicht bedeuten, dass die AfD verboten wird – zumindest nicht unmittelbar. Auf lange Sicht dürfte sich eine entsprechende Bewertung aber wohl trotzdem auf die Debatte auswirken und könnte ein Parteiverbot womöglich wahrscheinlicher machen.

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Erstellt:
31. März 2025, 20:38 Uhr

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