Modellbaufirma Noch aus dem Allgäu

Wirbel um Spannerfiguren – „Wir haben herzlich gelacht in der Firma“

Nach Kundenbeschwerden nimmt die Drogeriemarktkette Müller das Figuren-Set „Voyeure“ für Modelleisenbahnfreunde aus dem Sortiment. Die Aufregung ist groß. Der Hersteller aus Wangen freut sich derweil über die Publicity.

Dieses Figuren-Set ist der Stein des Anstoßes.

© Screenshot/Noch/IMAGO / Karina Hessland

Dieses Figuren-Set ist der Stein des Anstoßes.

Von Rüdiger Bäßler

Schnell hat die Firma Noch, Spezialist für Hobby-Modellbauer, Anfang dieser Woche ihre Homepage umgestaltet. „Bild deckt auf! Spanner-Skandal im Allgäu“ ist nun, unterlegt von knalligem Rot, zu lesen. Die Schlagzeile ist verlinkt mit einem tags zuvor erschienenen Artikel des Boulevardblattes, der wiedergibt, wie sich eine Kundin der Drogeriemarktkette Müller über ein Figuren-Set mit dem Titel „Voyeure“ beschwert.

Das Set enthält teilweise barbusige Frauendarstellungen, dazu einen auf einem Stuhl sitzenden älteren Herrn, der ein Fernglas vor den Augen hält. Die etwa zwei Zentimeter hohen Figuren der Firma werden üblicherweise von Hobby-Modelleisenbahnern auf Landschaftsplatten aufgeklebt, sind dann Teil selbst kreierter Landschaften und Szenerien. Hersteller Noch hat nach Eigenangabe mehr als 2000 Artikel im Programm, davon knapp 500 so genannte Figuren-Sets. Darüber hinaus auch Gebäude, Büsche, Seen, Tunnel, Mauern, ja ganze Themenwelten unter den Überschriften Schnee und Winter oder Weihnachten.

„Wir haben herzlich gelacht in der Firma“

Verharmlost oder verherrlicht die Modellbaufirma mit dem „Voyeur“-Produkt ein Problem, unter dem vor allem Frauen zu leiden haben? Firmenchef Rainer Noch weist das unserer Zeitung gegenüber zurück. „Voyeurismus ist kein Straftatbestand. Die Figuren sind außerdem verniedlicht. Und jede Dame ist zumindest teilweise bekleidet“, sagt er. Seit fünf Jahren werde dieses Set schon verkauft, und jetzt plötzlich diese Aufregung. „Wir haben herzlich gelacht in der Firma.“

Der Handelskonzern Müller allerdings hat die Kundinnenkritik vollkommen humorlos aufgenommen. In einer Stellungnahme entschuldigt sich das Unternehmen „ausdrücklich für das entstandene Missverständnis“. Die Spannerfiguren seien beim Einkauf übersehen worden: „Im Zuge einer Systemumstellung wurden Produkte in unseren Onlineshop aufgenommen, die nicht unseren Ethikstandards entsprechen. Die betreffenden Artikel wurden umgehend entfernt. Exemplare, die möglicherweise in den Filialen gelandet sind, haben wir ebenfalls aus dem Sortiment genommen.“ Eine Wiederholung des Irrtums solle ausgeschlossen werden. „Wir bedauern den Vorfall sehr und prüfen derzeit, wie wir solche Fehler künftig vermeiden können.“

Die Freiheit der Kunst

Firmenchef Noch glaubt nicht, dass die Geschäftsbeziehung zu Müller ernsthaft Schaden nimmt. Den Einkäufer des Ulmer Drogerieunternehmens kenne er gut. „Die haben ja eine Reihe Artikel von uns nicht gelistet“. Es gebe noch viel freizügigere Darstellungen. Erstens, sagt der Geschäftsführer, nehme sein Unternehmen die Freiheit der Kunst in Anspruch. Zweitens handle es sich um „Figuren für ein Erwachsenenhobby“. Die Noch-Kunden seien „zu 98 Prozent Männer im Alter Mitte, Ende 50“. Sie bauten „allein oder im Keller ihre Landschaften“.

Ein offenbar gewaltiger internationaler Markt. Nach Angaben des Daten-Anbieters „Statista“ wird der Umsatz mit Modellbausätzen und –zubehör in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 1,93 Milliarden Euro wachsen. Bis 2029 werden 2,2 Milliarden prognostiziert. International der größte Absatzmarkt sind demnach die USA mit einem für 2025 prognostizierten Marktvolumen von knapp 9 Milliarden Euro. Der Göppinger Modelleisenbahnhersteller Märklin beispielsweise hat das Geschäftsjahr 2023/2024 mit einem Umsatz von gut 130 Millionen Euro abgeschlossen.

Spanner-Set schnell ausverkauft

Die Firma Noch, geführt in vierter Generation, scheint nachhaltig zu profitieren. Das in Wangen (Kreis Ravensburg) beheimatete Unternehmen beschäftigt am Firmensitz 80 Mitarbeiter, weitere 150 in einer Fabrik in Vietnam. Das Figurendesign werde in Deutschland gemacht, hergestellt und bemalt werde in Fernost, so die Auskunft. Negative Reaktionen seiner Kunden auf die jüngsten Berichte habe er fast keine bekommen, sagt Firmenchef Noch. Dafür eine, die ihn besonders freue: Nur ein paar Stunden nach Erscheinen des „Bild“-Artikels sei das Spanner-Set in seinem Onlineshop ausverkauft gewesen.

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Erstellt:
30. April 2025, 11:44 Uhr

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