Umfrage Bundestagswahl

„Wirklich ungewöhnlich, dass alle Kandidaten so unbeliebt sind“

Im Interview erklärt Roland Abold, Geschäftsführer von Infratest Dimap, warum sich so wenig bei den Umfragen bewegt – und welche der kleinen Parteien die besten Chancen hat, über die Fünf-Prozent-Hürde zu springen.

Plakate zur Bundestagswahl: Keiner der Kandidaten ist besonders beliebt.

© dpa/Kay Nietfeld

Plakate zur Bundestagswahl: Keiner der Kandidaten ist besonders beliebt.

Von Tobias Heimbach

Bereits am 23. Februar wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Über die aktuellen Umfragetrends spricht Roland Abold, Geschäftsführer des Instituts Infratest Dimap.

Herr Abold, die Umfragewerte bewegen sich seit Monaten kaum, obwohl viel passiert ist: Ampel-Aus, die Anschläge von Magdeburg und Aschaffenburg, die Debatte um die Brandmauer. Wie erklären Sie sich das?

Das ist in der Tat bemerkenswert. Vor der letzten Bundestagswahl 2021 gab es in den Monaten vor der Wahl große Stimmungsumschwünge. Wenn sich jetzt so wenig verändert, dann spricht das dafür, dass viele Wähler in den zentralen Sachthemen wie Migration und Wirtschaft ihre Meinungen bereits gebildet haben – und diese scheint relativ fest gefügt zu sein.

Welche Faktoren gibt es noch?

Wirklich ungewöhnlich ist, dass alle Kandidaten so unbeliebt sind. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat als Kanzler sehr geringe Zustimmungswerte, doch auch für Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) oder Alice Weidel (AfD) sieht es kaum besser oder sogar noch schlechter aus. Das dürfte dazu beitragen, dass kaum eine Partei weit über das eigene Klientel hinaus Wähler anzieht.

Apropos Kandidaten: Olaf Scholz wird vorgeworfen, sich gegenüber einem CDU-Politiker rassistisch geäußert zu haben. Was für eine Dynamik kann so etwas im Wahlkampf entwickeln?

Tatsächlich haben in der Vergangenheit auch Fehltritte von Spitzenkandidaten zu Verschiebungen geführt. Denken Sie an Armin Laschets Auftritt angesichts der Flutkatastrophe 2021. Ob dieser Vorfall in diese Kategorie fällt, wird man sehen. Ich erwarte es eher nicht.

Blicken wir auf einige Parteien. Die Union liegt mit ziemlich großem Abstand auf Platz eins. Gibt es Fälle, in denen ein solcher Vorsprung zu diesem Zeitpunkt nicht zum Sieg gereicht hat?

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass die Union stärkste Partei wird. Spannender wird eher der Kampf um die weiteren Plätze und welche Parteien es überhaupt ins Parlament schaffen.

Welche Folgen hat das, wenn der Sieger festzustehen scheint?

Es mag sein, dass mancher stärker schaut, wer die möglichen Koalitionspartner sein könnten. Nach Lage der Dinge wären das die SPD oder die Grünen. Tatsächlich bewegt die Koalitionsfrage viele Menschen.

Inwiefern?

Unsere Befragungen zeigen, dass 70 Prozent sich Sorgen darüber machen, ob nach der Wahl überhaupt eine stabile Regierung zustande kommt. Das Zerbrechen der Ampel-Koalition und die hart geführte Brandmauer-Debatte haben Spuren hinterlassen.

Mehrere Parteien kämpfen darum, über die Fünfprozent-Hürde zu kommen. Wer hat derzeit die besten Aussichten?

Das ist aktuell fast die spannendste Frage. Die Linken scheinen derzeit im Aufwind zu sein. Man muss allerdings vorsichtig sein: Die Befragungen zeigen, dass besonders viele junge Menschen die Linke wählen wollen. Doch ob sie es tatsächlich auch tun, ist die andere Frage – im Schnitt gehen junge Menschen seltener zu Wahl. Das BSW stand im Herbst 2024 vergleichsweise gut da, jetzt muss sie definitiv um den Einzug bangen. Die Partei leidet darunter, dass das Thema Ukraine-Krieg im Wahlkampf lange in den Hintergrund gerückt ist.

Und die FDP?

Die FDP hat eine schwierige Ausgangslage. Sie war einerseits Teil der unbeliebten Ampel-Regierung, ihr wird teilweise aber auch die Schuld für deren Scheitern gegeben. Sie liegt jetzt schon einige Zeit bei vier Prozent in den Umfragen. Das wird definitiv knapp.

Die AfD steht vor Ihrem größten Wahlerfolg und das mit einem Kurs, der vielleicht so radikal ist wie noch nie. Ist sie erfolgreich trotz oder wegen ihrer Radikalität?

Die AfD profitiert zweifellos davon, dass im Wahlkampf so viel über Migration gesprochen wird. Außerdem kann sie in vielen Bereichen Maximalforderungen stellen, weil sie auf Landes- oder Bundesebene keine Regierungsverantwortung trägt. Mit diesen Maximalforderungen, die zum Teil auch ins Radikale gehen, kann sie sich stark profilieren. Umgekehrt heißt das aber nicht, dass alle Wähler oder Sympathisanten der Partei Rechtsextreme sind.

Parteien, die mit ihren Umfrageergebnissen nicht zufrieden sind, verweisen oft darauf, dass ein Teil der Wähler noch unentschlossen sei. Können Sie sich zurecht Hoffnung machen?

Anfang Februar waren 20 Prozent der Befragten noch unentschlossen. Sie wussten weder, was sie wählen, noch ob sie zur Wahl gehen. Von denen, die eine Partei genannt haben bezeichnen wir außerdem noch einmal 20 Prozent als unsicher. Theoretisch kann sich noch ziemlich viel verändern. Auch im Endspurt gibt es Menschen, die für die Wahlkämpfer erreichbar sind. Außerdem kann immer noch etwas Unvorhergesehenes passieren. Die Wahl ist am 23. Februar und vorher ist sie nicht entschieden.

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Erstellt:
13. Februar 2025, 13:58 Uhr
Aktualisiert:
13. Februar 2025, 14:03 Uhr

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