„Das zweite Gehirn des Kanzlers“
Jörg Kukies: Plötzlich Finanzminister
Die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen würde gerne noch einige Projekte umsetzen – auch um den Nachtragshaushalt wird gerungen. Wer ist der Mann, der ihn auf den Weg bringen soll?
Von Michael Bosch
Dem Nachtragshaushalt der Bundesregierung für das laufende Jahr droht das Scheitern. Haushaltspolitiker von Union und FDP zeigten sich am Montag nicht bereit, der Vorlage im Bundestag zu einer Mehrheit zu verhelfen. „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein Nachtragshaushalt in bisher geplanter Form kommt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Torsten Herbst, der „Bild“. Herbst verwies darauf, dass der Bundesfinanzminister eine Haushaltssperre verhängen könnte, wenn der Bundestag die benötigten Mittel nicht freigibt.
Wer aber ist der neue Mann für die Finanzen in Deutschland? Schließlich ist Christian Lindner (FDP) von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlassen worden.
Wer ist der neue Finanzminister?
Der neue Finanzminister heißt Jörg Kukies. Der SPD-Politiker ist 56 Jahre alt und wurde in Mainz geboren, er war Landesvorsitzender der Jusos in Rheinland-Pfalz, dann Investmentbanker, seit sechs Jahren ist er wieder in der Politik. Bislang stand er nicht im Rampenlicht, galt aber immer als einer der wichtigsten Vertrauten von Olaf Scholz. 2018 holte der damalige Finanzminister Scholz Kukies in sein Ministerium und stellt ihn als Teil eines „guten Teams“ von Fachleuten vor. Nun ist er Herr über die Bundesfinanzen – allerdings nur auf Zeit.
Nach der Entlassung Lindners sind weitere FDP-Minister zurückgetreten. Diese Wechsel gab es im Kabinett:
- Finanzministerium: Jörg Kukies, SPD (davor Christian Lindner, FDP)
- Justizministerium: Volker Wissing, nun parteilos (davor Marco Buschmann, FDP)
- Bildungsministerium: Cem Özdemir, Grüne (davor Bettina Stark-Watzinger, FDP)
Finanzminister auf Zeit: Was hat Jörg Kukies vorher gemacht?
Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik machte Kukies Karriere in der Finanzwelt, arbeitete als Investmentbanker bei Goldman Sachs. Seine Vergangenheit als Banker brachte im auch Kritik ein – ähnlich wie bei Friedrich Merz.
Eine seiner größten Kritikerinnen war schon vor sechs Jahren die heutige BSW-Chefin Sahra Wagenknecht: „In Washington ist man es gewohnt, dass die Investmentbank Goldman Sachs den Finanzminister stellt“, sagte die ehemalige Linken-Politikerin. Dort regiere die Wall Street.
Kukies: von Corona und Wirecard
Kukies Aufstieg hat das offenbar nicht geschadet. Der Spiegel nannte ihn einmal „das zweite Gehirn des Kanzlers“. Und vielleicht wird er deshalb oft als rastlos beschrieben, weil er Scholz Ideen für die Krisen der Zeit liefern muss.
2021 zog Kukies mit Scholz ins Kanzleramt, dort ist er zuständig für Wirtschafts-, Finanz-, Klima- und Europapolitik sowie für die G7- und G20-Gipfel – viele Aufgaben also. Das bedeutet auch: viel reisen, viel verhandeln. Dazu sagte er einmal:„Es ist einfach eine faszinierende Aufgabe. Wenn man mit den größten Demokratien und Industrienationen der Welt zusammenarbeitet, um Klimaneutralität zu erreichen“.
In der Corona-Pandemie bewies der 56-Jährige seine Problemlösekompetenz. Er war zuständig für den sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der zur Rettung von Unternehmen in der Krise geschaffen wurde.
Was Kukies bis heute nachhängt: Auch er hatte keine Ahnung von den Machenschaften beim einstigen Liebling Wirecard, der Milliarden veruntreute.
Kukies und der Nachtragshaushalt
Nun also Finanzminster: Die Aufgabe, einen Nachtragshaushalt auf den Weg zu bringen, scheint dabei schier unmöglich. Denn FDP und Union sind offenbar nicht gewillt, diesen mitzutragen. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Haase (CDU) erklärte gegenüber der „Bild“, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nehme „mit seiner rot-grünen Minderheitsregierung Bürger und Unternehmen in Geiselhaft für seinen Egotrip“.
Was ist ein Nachtragshaushalt?
Bei einer Haushaltssperre könnte es unter anderem zum Stopp von Förderprojekten kommen, sagte Haase: „Scholz ist verantwortlich für eine Regierung ohne Mehrheiten. Also ist er auch verantwortlich für nicht verabschiedete Gesetze und damit auch für mögliche Förderstopps im Haushalt.“
Die Verabschiedung des Nachtragshaushalts ist nötig, weil der Bund in diesem Jahr mit den Mitteln aus dem ursprünglichen Etat für 2024 bei weitem nicht auskommt. In der bereits vom Kabinett verabschiedeten Vorlage sind unter anderem 3,7 Milliarden Euro für zusätzliche Bürgergeld-Kosten enthalten sowie rund 10,4 Milliarden Euro für den Mehrbedarf bei der Förderung erneuerbarer Energien und für Mindereinnahmen aus dem europäischen Emissionshandel.
Der Nachtragshaushalt müsste aber noch vom Bundestag verabschiedet werden, wo Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition keine Mehrheit mehr hat. Auch der Bundeshaushalt 2025 ist noch offen, im Entwurf der gescheiterten Ampel-Koalition klaffen noch Milliardenlücken.
Mit Material von AFP.