Neue Studie „Die Ängste der Deutschen“
Wovor sich die Deutschen 2024 am meisten ängstigen
Manche Menschen fürchten um ihren Job, andere machen sich Sorgen wegen Kriminalität oder Terrorismus. Auf den ersten Plätzen einer Langzeitstudie zu Ängsten liegen aber weiterhin zwei andere Themen. Das zeigt die aktuelle Umfrage über die Deutschen und ihre größten Sorgen.
Von Markus Brauer
Steigen die Preise noch weiter? Kann ich mir meine Wohnung noch leisten? Wird Deutschland durch weitere Flüchtlinge und Einwanderer überfordert? Diese Fragen bereiten vielen Deutschen große Sorge, wie die Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ ergab, die am Mittwoch (9. Oktober) veröffentlicht wurde.
Das sollte der Politik wirklich zu denken geben. Unter den sieben größten Ängsten der Deutschen in diesem Jahr findet sich zweimal das Thema #Migration. Auf Platz 2 und auf Platz 4. (Quelle: Studie der @ruv_de) pic.twitter.com/veUREq3Ovk — Dietmar Neuerer (@dneuerer) October 9, 2024
Das sind 2024 die größten Sorgen der Deutschen
- Die Sorge um steigende Lebenshaltungskosten steht demnach auf Platz eins der Ängste. 57 Prozent der befragten Menschen gaben an, sich vor weiter steigenden Preisen zu fürchten. Diese Angst wurde in den bislang 33 Befragungen am häufigsten angegeben. „Der Blick in unsere Langzeitstatistik zeigt: Wenn es um den eigenen Geldbeutel geht, reagieren die Deutschen sensibel“, stellt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch fest.
- Weiterhin befürchten viele Deutsche (52 Prozent), dass die Mieten zu teuer werden. Diese finanzielle Sorge belegt Platz drei der Studie.
- Im Vergleich zu 2023 hellte sich die Stimmung aber auf. Die Verbreitung der Ängste vor den steigenden Kosten und zu teurem Wohnen gingen um jeweils acht Prozentpunkte zurück. „Die Menschen haben mehr Geld im Portemonnaie. Das bleibt nicht ohne Wirkung.“
Angst vor Überforderung durch Migration
Die Umfrage „Die Ängste der Deutschen“ wird seit mehr als 30 Jahren von der R+V-Versicherung in Auftrag gegeben und handelt Probleme aus Politik, Wirtschaft, Familie und Gesundheit ab. Für die diesjährige Studie wurden zwischen Juni und August rund 2400 Menschen im Alter ab 14 Jahren von Meinungsforschern befragt.
- Auch das Thema Migration treibt die Menschen in Deutschland weiterhin um und landet auf Platz zwei der Ängste. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) befürchten, dass Gesellschaft und Behörden der Zahl der Geflüchteten nicht gewachsen sind.
- 51 Prozent der Befragten geben an, durch weiteren Zuzug aus dem Ausland könne es zu Spannungen in der Gesellschaft kommen. „Grundlegende Probleme bei der Zuwanderung und Integration wurden lange nicht angegangen. Hier ist die Politik dringend gefordert“, erklärt die Marburger Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki, die die Studie als Beraterin begleitet.
- In Ostdeutschland (60 Prozent) ist die Angst vor einer Überforderung des Staates etwas weiter verbreitet als in Westdeutschland (55 Prozent). „Gerade im Osten herrscht in Teilen der Gesellschaft das Gefühl, ungleich und unfair behandelt zu werden. Das Fremde, die Geflüchteten und deren Zuzug werden als Bedrohung empfunden“, erläutert Borucki.
Politischer Extremismus als Bedrohung
Besonders zugenommen hat laut der Studie die Sorge vor politischem Extremismus:
- 46 Prozent der Befragten geben an, Angst vor politischen Extremen zu haben – 8 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
- 48 Prozent davon fürchten sich vor islamistischem Terror, 38 Prozent vor
- Auch die Angst vor Terrorismus ist um 5 Prozentpunkte gestiegen (43 Prozent).
- Entspannt sehen die meisten Deutschen Gefahren durch Störfälle in Atomkraftwerken (29 Prozent) und Straftaten (23 Prozent).
- Auch um den Arbeitsmarkt macht sich nur eine Minderheit Sorgen: 30 Prozent der Befragten haben Angst vor steigenden Arbeitslosenzahlen.
- Noch weniger (22 Prozent) fürchten den Verlust ihres eigenen Jobs. Das ist der letzte Platz im Ranking und im Langzeitvergleich der niedrigste Wert zu dieser Frage.
Brower-Rabinowitsch weist darauf hin: „Kurz vor der ersten Befragungswelle der Studie war der tödliche Messerangriff auf einen Polizisten in Mannheim.“
Info: Angst
Angststörungen Zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden an Angststörungen. Die Hälfte von ihnen wird gar nicht oder falsch behandelt. „Aus Angst vor der Angst vermeiden viele betroffene Situationen, die ihre Furcht auslösen, beschreibt der der Psychiater Borewin Bandelow das Dilemma. „Sie ziehen sich immer mehr aus dem Leben zurück und haben häufig Probleme in der Partnerschaft, der Familie oder im Berufsleben. In ihrer Verzweiflung greifen sie auch zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln.“ Wenn Angsterkrankung nicht richtig behandelt würden, drohen Chronifizierung und Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Sucht, warnen die Fachgesellschaften.
Was ist Angst? Angst ist ein Grundgefühl, ein Primäraffekt, eine Basisemotion, die untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden ist. Hunderte von Millionen Menschen weltweit leiden an Angststörungen. Doch es muss nicht gleich pathologisch sein. Die Besorgnis vor als bedrohlich empfundenen Situationen, das Herzklopfen infolge innerer Erregung vor dem Unbekannten sind Ausdruck einer teils massiven Verunsicherung des Gefühlslebens, deren Spektrum enorm ist.
Formen von Angst Angst Angst hat viele Facetten: die unbestimmte Angst; die Angst vor etwas (auch Furcht genannt); die situationsbedingte emotionale Angst; die Ängstlichkeit, die die Seele in Gestalt von Phobien und Zwängen dauerhaft lähmt. Der Begriff Angst leitet sich ab vom lateinischen „angustia“, Enge, Bedrängnis.
Angst und Depression Die Grenzen von der normalen und notwendigen Gemütsregung zur Störung sind oft fließend. Die Kriterien für eine ernst zunehmende Erkrankung bleiben unscharf. Das ist auch ein Grund, dass Angststörungen so häufig nicht erkannt werden und der Betroffene immer tiefer im Teufelskreislauf seiner Ängste versinkt. Zudem sind Angst und Depression – Zustände seelischer Niedergeschlagenheit, die episodisch oder rezidivierend (wiederkehrend) auftreten – so ineinander verwoben, dass man nur schwer zwischen beiden unterscheiden kann.
Welche Angststörungen gibt es? Die DPGGN und Gesellschaft für Angstforschung (GAF) klassifizieren folgende grundlegende Angststörungen:
Panikstörung „Die Betroffenen werden von plötzlichen Panikattacken überfallen. Sie haben auf einmal massive Angst, ihr Herz rast, schlägt unregelmäßig, sie zittern und schwitzen. Die Angst schnürt ihnen die Kehle zu. Die Panikattacken können aus heiterem Himmel auftreten, aber auch nur in speziellen Situationen oder an bestimmten Orten.“
Agoraphobie „Wenn Menschen Angst haben, zum Beispiel in Bus, Bahn oder Flugzeug zu reisen, einen Fahrstuhl zu betreten, im Supermarkt einzukaufen oder wegen der vielen Menschen ein Konzert zu besuchen, leiden sie an einer Agoraphobie, die häufig mit einer Panikstörung einhergeht.“
Generalisierte Angststörung „Ständige Sorgen, auch wenn dafür kein Grund besteht, quälen die Betroffenen. Sie leben in ständiger Anspannung und Furcht, dass zum Beispiel sie selbst, Angehörige oder Freunde schwer erkranken, einen Unfall erleiden, sie verarmen oder eine Katastrophe eintreten könnte.“
Soziale Phobie „Kennzeichen dieser Erkrankung ist, Situationen zu vermeiden, in denen man fürchtet, sich zu blamieren oder von anderen negativ beurteilt zu werden. Die Folge: Sie vermeiden den Kontakt mit anderen Menschen, was bis hin zur sozialen Isolation führen kann.“
Spezifische Phobie „Den Menschen jagen beispielsweise Katzen, Mäuse, Vögel oder Spinnen, furchtbare Angst ein. Ihre Angst kann sich aber auch auf tiefes Wasser, hohe Berge, Gewitter, Dunkelheit, den Arztbesuch oder Injektionen beziehen. Das heißt, sie fürchten sich vor einem bestimmten Objekt oder einer ganz speziellen Situation.“