Zeitgemäßer „Kontrapunkt zur Innenstadt“
Der Murrhardter Gemeinderat votiert dafür, das Grundstück der Schweizer Group am Obermühlenweg (Schweizer-Areal-Süd) zu entwickeln mit dem Nutzungsschwerpunkt Wohnen entsprechend der Zielsetzung des städtebaulichen Ausschusses.

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Das Grundstück am Obermühlenweg, wo die Gebäude der früheren Firma Schweizer und Weichand stehen, befindet sich in der Vermarktung durch den Insolvenzverwalter. Foto: A. Becher
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Das ehemalige Industriegelände des Schweizer-Areals soll sich in ein attraktives, modernes und zentrumsnahes Wohn- und Arbeitsgebiet mit viel Grün verwandeln. Bereits im Dezember beschloss der Gemeinderat die Aufstellung des Bebauungsplans für dessen nördlichen Teil, nun folgt der südliche Teil. Nach der zweimaligen Insolvenz des Unternehmens Schweizer Group und der Schließung von deren Murrhardter Standort befindet sich deren Grundstück am Obermühlenweg, wo die Gebäude der früheren Druckgussteilefirma Schweizer und Weichand stehen, in der Vermarktung durch den Insolvenzverwalter, berichtete Bürgermeister Armin Mößner in der jüngsten Gemeinderatssitzung.
Für die Grundstücke nördlich der Murr an der Fritz-Schweizer-Straße und für den Betonkubus am Obermühlenweg ist in Absprache mit den Eigentümern bereits ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet worden mit dem städtebaulichen Ziel, dort verschiedene Nutzungen zu ermöglichen wie Wohnen, Handwerk und nicht störendes Gewerbe. Für die Entwicklung des gesamten Schweizer-Areals hat der Gemeinderat einen städtebaulichen Ausschuss gebildet, dem Vertreter aus jeder Fraktion angehören. Dieser hat für das Grundstück der Schweizer Group eine Mischung aus Mehrgeschosswohnungsbau an der L1066 und dahinter, also murraufwärts, eine zwei- bis zweieinhalbgeschossige Bebauung als städtebauliche Zielsetzung formuliert.
Wichtig ist, dass die Murrbrücke bestehen bleibt und beide Areale südlich und nördlich des Flusses durchgängig sind: wechselseitig über die Murr, zur bestehenden Fußgängerunterführung, sowie zu den Wegen in Richtung des Murrarkaden-Activcenters. Beide Teile des Areals sollen überwiegend mit erneuerbaren Energien versorgt, ans Nahwärmenetz der Stadtwerke angeschlossen und mit Fotovoltaikanlagen bestückt werden. Zudem ist laut Mößner ein Mobilitätskonzept mit Quartiers-Carsharing zu überlegen, was sich auf die Zahl der Stellplätze positiv auswirkt, ausgestattet mit E-Ladesäulen für die E-Mobilität.
Aktuell gibt es vier Interessenten für die Umgestaltung des Areals
Das Gebiet soll mit Grünflächen und Bäumen durchsetzt und die Murr in die Gestaltung miteinbezogen werden. Der Fluss soll nicht trennend wirken, sondern mit attraktiven Zugänglichkeiten und Aufenthaltsbereichen ins Gebiet integriert werden. Somit soll das Schweizer-Areal „einen Kontrapunkt zur Innenstadt“ als historische Altstadt darstellen, aber trotzdem deren neuer Bestandteil werden und das Wohnen und Arbeiten des 21. Jahrhunderts verkörpern. „Die Transformation des Schweizer-Areals ist für die Stadt eine historische Chance und wichtige Weichenstellung“, betonte der Bürgermeister.
Aktuell gibt es dafür vier Interessenten: Der erste hat vor, schwerpunktmäßig die Nutzung Wohnen umzusetzen. Geplant ist eine Mischung aus Mehrgeschosswohnungsbau wie in der Zielformulierung des städtebaulichen Ausschusses, weiter keine zu große Verdichtung, eine Durchgrünung und Einbeziehung der Murr. Das Areal soll möglichst nachhaltig ausgestaltet werden mit Anschluss ans Nahwärmenetz der Stadtwerke. Damit liegt dieser Interessent den Zielvorstellungen des Ausschusses am nächsten.
Der zweite Interessent plant eine Mischung aus großflächigem Einzelhandel im Erdgeschoss samt Parkplätzen und darüber eine maximal verdichtete Wohnbebauung mit vier- bis fünfgeschossigen Teilgebäuden und einer Tiefgarage im Untergeschoss. Der dritte Interessent möchte ebenfalls großflächigen Einzelhandel in Verbindung mit Wohnen in den Geschossen darüber umsetzen, indes liegt noch keine konkrete Planung vor. „Damit tun wir uns schwer, das sehen wir kritisch, denn unser Einzelhandelskonzept würde das gar nicht ermöglichen“, unterstrich Mößner.
Der vierte Interessent plant mit einem Konzept ähnlich jenem der Erich-Schumm-Stiftung. Es soll eine Mischung aus Pflege, betreutem Wohnen und Wohnen entstehen. Die Bevölkerung soll mit ins Areal geholt werden, um eine Verbindung zum betreuten Wohnen und zur Pflege zu schaffen. Das Konzept ist ähnlich der Konzeption der Erich-Schumm-Stiftung, doch liegt auch hier noch keine konkrete Planung vor. Dieses Konzept sehen Stadtverwaltung und städtebaulicher Ausschuss ebenfalls kritisch. Beide bevorzugen klar das Konzept des ersten Interessenten, da es gut zu den städtebaulichen Zielen und zur Planung fürs Areal nördlich der Murr mit ähnlichen Nutzungen passt, daher sollen diese Planungen aufeinander abgestimmt werden.
Der Gemeinderat regte eine externe städtebauliche Beratung an
Die Planungen mit großflächigem Einzelhandel stehen im Widerspruch zum Einzelhandelskonzept der Stadt. Das Vorhaben in Richtung Pflege und betreutem Wohnen kombiniert mit Wohnen ist zwar ein guter Ansatz, allerdings ist bereits teilweise betreutes Wohnen auf dem Grundstück des Betonkubus am Obermühlenweg angedacht. Da die Erich-Schumm-Stiftung ein ähnliches Konzept verfolgt, soll dieses nicht weiterverfolgt werden. Der Gemeinderat regte eine externe städtebauliche Beratung an, wofür das Büro ARP Architekten-Partnerschaft Stuttgart GbR nach Auffassung der Verwaltung am besten geeignet ist.
Denn es hat laut Armin Mößner bereits viele Entwicklungen von vergleichbaren Arealen in Städten der Region geplant und ist bereit, die Stadt gewinnbringend städtebaulich bei der Abstimmung der Planungen untereinander zu beraten, ein konkretes Angebot steht indes noch aus. Daher soll es zunächst nach Zeitaufwand und nach Stundensätzen beauftragt werden. Die Fraktionssprecher signalisierten ihre Zustimmung zu diesen Vorschlägen der Stadtverwaltung. „Der Wohnungsbau ist für uns Priorität Nummer eins, wir stehen voll hinter der Zielsetzung des städtebaulichen Ausschusses und sind dafür, beide Arealteile parallel zu entwickeln“, betonte Mario Brenner (CDU/FWV). Auch Martin Stierand (MDAL/Die Grünen), Klaus-Peter Dörrscheidt (UL) und Elisabeth Zenker (SPD) sprachen sich für das erste Konzept aus.
Daraufhin beauftragte das Stadtparlament geschlossen die Stadtverwaltung mit der Bauleitplanung für das Grundstück der Schweizer Group am Obermühlenweg, nun Schweizer-Areal-Süd genannt. Dies soll durch die Aufstellung eines Bebauungsplans erfolgen. Städtebauliches Ziel ist eine Entwicklung mit Nutzungsschwerpunkt Wohnen, analog zur bereits laufenden Ausarbeitung eines Bebauungsplans für das Schweizer-Areal-Nord. Weiter beauftragten die Stadträte das Büro ARP Architekten-Partnerschaft Stuttgart GbR auf Stundensatzbasis nach zeitlichem Aufwand für die städtebauliche Beratung zur Entwicklung des gesamten Schweizer-Areals sowie dessen Ein- und Anbindung in die Innenstadt.