Zwei Stuttgarter für Berlin

Simone Fischer (Grüne) will sich als Bundestagsabgeordnete bei den Themen Soziales, Gesundheit und Pflege einbringen. Luigi Pantisano (Linke) geht derweil auf Konfrontationskurs und erteilt Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) erst mal eine Absage.

Luigi Pantisano würde gerne im Verkehrsausschuss mitarbeiten. Soziales, Gesundheit und Pflege sind Simone Fischers Themen.

© Lichtgut/Julian Rettig

Luigi Pantisano würde gerne im Verkehrsausschuss mitarbeiten. Soziales, Gesundheit und Pflege sind Simone Fischers Themen.

Von Konstantin Schwarz

Stuttgart - Die beiden neu gewählten Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Simone Fischer (Grüne) und Luigi Pantisano (Die Linke) haben sich am Montag auf den Weg nach Berlin gemacht. Seit dem Urnengang am Sonntag vertreten nur diese beiden statt bisher acht Abgeordnete die Landeshauptstadt im Parlament. Die Zahl könne sich weiter reduzieren, denn das Mandat von Fischer ist wegen ihres sehr knappen Vorsprungs im Wahlkreis Stuttgart I von nur 16 Stimmen gegenüber Elisabeth Schick-Ebert (CDU) noch nicht gesichert.

„Mit leichten Veränderungen durch Stimmenumwidmungen ist bis zum Amtlichen Endergebnis zu rechnen“, teilte die Stadt am späten Sonntagabend mit. Konkret werden nun die Niederschriften der Wahllokale geprüft und die ungültigen und vom Wahlvorstand per Abstimmung als gültig oder ungültig deklarierten Stimmzettel unter die Lupe genommen. Das ist ein üblicher Vorgang. „Eine komplette Nachzählung der Stimmen wegen eines knappen Ergebnisses sieht das Wahlrecht nicht vor“, sagt Matthias Fatke, der Leiter des Wahlamtes. Das endgültige Ergebnis werde durch den Kreiswahlausschuss am Dienstag um 16 Uhr festgestellt. „So lang bleiben die Zahlen vorläufig“, sagt Fatke. 16 Stimmen sind nicht viel, es ist das knappste Ergebnis in ganz Deutschland.

Fischer (45) fuhr am Montag mit dem Zug nach Berlin, wo sich alte und neue Grüne-Fraktionsmitglieder gegen 17 Uhr im Restaurant Weltwirtschaft treffen wollten. „Selbstverständlich warte ich das amtliche Endergebnis ab. Aber ich bin zuversichtlich, dass es reicht“, sagt die Landesbehindertenbeauftragte. Fischer hat bei den Grünen eine steile Karriere hingelegt. Erst im September 2023 wurde sie offizielles Mitglied, am 9. Juni 2024 zog sie mit 87 007 Stimmen (Platz fünf bei den Grünen) in den Gemeinderat ein, wo ihr nun Sarah Wölfle nachfolgen könnte. Fischers Amt als Behindertenbeauftragte beim Land ist auf die laufende Legislatur befristet, ihre Arbeitsstelle beim Land nicht.

Den Drang in die Bundespolitik begründet sie mit der Tatsache, dass Soziales und Teilhabe überwiegend durch Bundesgesetze geregelt seien. Als Kleinwüchsige stieß sie früh auf Widerstände. Mit sechs Jahren sollte sie – gesetzlich geregelt – in eine 60 Kilometer vom Wohnort bei Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis) entfernte Sonderschule mit Internat gehen. Ihre Eltern und der Rektor setzten sich jedoch dafür ein, dass sie am Ort bleiben konnte. Das Soziale, die Gesundheit und die Pflege seien weiter ihre Themen – egal ob in Berlin oder Stuttgart.

Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano machte sich am Montagmittag ebenfalls mit der Bahn auf den Weg nach Berlin, wo er als frisch gewählter Stuttgarter Bundestagsabgeordneter für Die Linke am Neulingstreffen teilnehmen sollte. Und er schickte gleich eine Absage zurück ins Stuttgarter Rathaus, adressiert an Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU). Dessen Wunsch, dass die beiden künftig einzigen Parlamentarier aus und für Stuttgart, Pantisano und Simone Fischer, bezüglich der Entwicklung des Rosensteinquartiers auf den ehemaligen Bahnflächen die „Stuttgarter Stimme“ sein sollten, erteilte er prompt eine Absage. Er werde sich „entschlossen gegen eine Änderung des Eisenbahngesetzes einbringen“, sagte Pantisano, der sich mit seiner Fraktionsgemeinschaft Die Linke/SÖS im Gemeinderat für den Erhalt der oberirdischen Bahnflächen einsetzt und so mit dem Oberbürgermeister auf Konfrontationskurs ist.

Pantisano ist in einem bildungsfernen Haushalt groß geworden. Die Mutter und der Vater stammen aus Kalabrien, haben selbst nur wenige Schuljahre absolviert und ein entbehrungsreiches Leben mit harter Arbeit gelebt. Es gibt bessere Startbedingungen für Kinder. Luigi Pantisano wurde in Waiblingen geboren, nach der vorübergehenden Rückkehr der Familie in die italienische Heimat dort eingeschult und zurück in Waiblingen in der dritten Klasse dafür gelobt, dass er „nun mit seinen Deutschkenntnissen am Unterricht teilnehmen“ könne. Bildungsungerechtigkeit hat er am eigenen Leib verspürt. Er trat mit 18 in die SED-Nachfolgepartei PDS ein und später wieder aus. Nach einem Intermezzo bei einer linken Grünen-Gruppe in Konstanz trat er 2017 in Die Linke ein.

Politische Spuren hinterlässt er seit fast neun Jahren im Gemeinderat, wo er sich neben der Facharbeit häufig deutlich gegen Ausländerfeindlichkeit, Sexismus und Rassismus ausspricht – und damit gegen die AfD, aber auch gegen die CDU und häufig auch gegen OB Nopper. Am Sonntag ging angesichts des guten Ergebnisses der Linken im Sitzungssaal ein Aufatmen durch die Reihen: „Wenigstens sind wir Pantisano los“, hieß es bei den Christdemokraten. Sie dürften sich zu früh gefreut haben: Die Arbeit im Wahlkreis und in der Stadt sei ihm mindestens so wichtig wie die im Parlament. Er werde deshalb natürlich in Stuttgart, wo er mit Frau und zwei Kindern lebt, omnipräsent sein. „Wir Linke sind schließlich nahbar und eine Kümmererpartei.“

Könnte er es sich aussuchen, würde Pantisano für seine Partei im Bundestag im Verkehrsausschuss aktiv werden. Der Stadtplaner und Architekt wäre aber auch für die Themen Stadtentwicklung und Wohnen im Ausschuss zu gewinnen.

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Erstellt:
24. Februar 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
25. Februar 2025, 21:59 Uhr

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