Tanzperformance übers Kümmern

„Alleine sind wir aufgeworfen“

Die Stuttgarter Choreografin Daura Hernandéz García kümmert sich ums Kümmern. In Ihrem Tanzstück „People Holding Things“ geht es um Fürsorge, Pflege und um kulturelle Unterschiede.

Blick in die Proben für das  neue Tanzstück „People Holding Things“ von Daura Hernandéz García. Die Choreografin (rechts) tanzt selbst mit.

© AN/Aleksej Nutz

Blick in die Proben für das neue Tanzstück „People Holding Things“ von Daura Hernandéz García. Die Choreografin (rechts) tanzt selbst mit.

Von Andrea Kachelrieß

Die Choreografin Daura Hernandéz García erhielt den Tanja-Liedtke-Award, um die Abhängigkeiten innerhalb von Pflegenetzwerken untersuchen zu können. Jetzt nähert sie sich in ihrem neuen Tanzstück „People Holding Things“ der Frage, warum wir uns um andere kümmern.

Frau Hernandéz García, Fürsorge und Pflege ist ein ungewöhnliches Thema für ein Tanzstück. Was hat Sie inspiriert?

Als ich im vergangenen Jahr für „Puta“ mit Tänzerinnen zusammengearbeitet habe, von denen einige auch Mütter waren, habe ich eine Kinderbetreuung organisiert. Eine andere musste sich um ihren alten Vater kümmern, auch darauf habe ich Rücksicht genommen. Dabei kam in mir die Frage auf, wer sich eigentlich um die kümmert, die sich um andere kümmern.

Ihr Stück heißt „People Holding Things“. Wie passt der Titel zum Thema?

Mir hat die Mehrdeutigkeit des englischen Verbs to hold gefallen. Es kann sowohl halten als auch aushalten oder tragen bedeuten. Es geht mir darum zu zeigen, dass unsere ganze Gesellschaft nicht funktioniert, wenn wir uns nicht gegenseitig unterstützen. Jeder ist eine Stütze, aber er braucht auch den Halt der anderen. Alleine sind wir aufgeworfen.

Sie kommen aus Spanien, inwieweit gibt es bei der Care-Frage kulturelle Unterschiede?

Mir ist in Deutschland wie auch in England aufgefallen, dass die Leute sich eher um ihre eigenen Sachen kümmern und sich nicht in die anderer einmischen. Wenn die Nachbarn heftig streiten, dann wird die Polizei gerufen, weil es zu laut ist – und nicht aus der Sorge heraus, dass etwas passiert sein könnte. In Spanien sind die Menschen eher überfürsorglich.

Vermutlich sind das wie in Deutschland eher Frauen. Wie sieht das auf der Bühne aus?

Wir sind fünf Personen, davon zwei Männer. Interessant war, dass auf die Fragebögen und Interviews, die wir zur Vorbereitung nutzen, vor allem Frauen geantwortet haben. Auch in Spanien sind Fürsorge und Pflege eher Frauensache. Mich interessiert das Thema aber auf einer ganz allgemeinen Ebene.

Auf einer Ebene, die auch mit der zunehmenden Einsamkeit zu tun hat?

Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich nach dem Motor gesucht, der uns zu Fürsorge und Pflege antreibt. Vielleicht handeln wir aus der Angst heraus, dass wir irgendwann selbst einmal einsam sein könnten. Diese Furcht vor einem Gefühl von Einsamkeit in der Zukunft spiegelt sich zu Beginn auch im Blick der Protagonistin.

Sie spielen in einem Architekturbüro. Wie kommt es dazu?

Mein Stück öffnet die Tür ins Innere einer Frau, deshalb wollte ich es nicht in einem Theater zeigen. Dort ist das Publikum distanzierter. Ich möchte aber eine Verbindung herstellen und das Publikum einladen, mehr als nur Beobachter zu sein. Jetzt spielen wir in einem Architekturbüro, das auf die Planung von Pflegeheimen spezialisiert ist und großes Interesse am Thema zeigt.

Info

TerminVorstellungen gibt es am 25. und 26. Oktober jeweils um 19 Uhr. Tickets sind begrenzt und müssen auf www.daurahernandezgarcia.com reserviert werden.

OrtGetanzt wird im Büro von „No w here architekten“, Schwabstraße 69/1.

KünstlerinDie kanarische Tänzerin, Produzentin und Schauspielerin Daura Hernández García lebt seit 2013 in Stuttgart. Sie wurde in Teneriffa geboren, in Madrid und London ausgebildet. An Produktionen der Staatstheater ist sie sowohl als Performerin („Ehen in Philippsburg“) als auch als choreografische Assistentin („Cabaret“) beteiligt. Sie erhielt den Tanja-Liedtke-Award, um die Abhängigkeiten innerhalb von Pflegenetzwerken untersuchen zu können.

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