Beim Fest soll auch Kritikwürdiges thematisiert werden
Rudolf Steiners Anschauungen entfalten bis heute Wirkung. Die Resonanz ist aber nicht nur positiv. Beide Seiten werden aufgegriffen.
Von Alexandra Kratz
Stuttgart - Die Anthroposophische Gesellschaft feiert anlässlich des 100. Todestags von Rudolf Steiner am 30. März sein „Leben und Wirken sowie die Vielfalt der anthroposophischen Impulse“. Von Freitag bis Sonntag, 28. bis 30. März, stehen auf dem Schlossplatz Vorträge, Diskussionsforen und Workshops auf dem Programm. Eröffnet wird der Reigen am Freitag um 14 Uhr auf der Kulturbühne an der Ecke Königstraße/Schlossplatz. Anschließend können sich die Besucher in den rund 20 verschiedenen Zelten mit den verschiedenen Aspekten der esoterischen Weltanschauung beschäftigen.
Wolfgang Müller ist als Referent geladen. Er hat zahlreiche Zeitungsartikel und Bücher über die Anthroposophie veröffentlicht. In seinem aktuellen Buch „Das Rätsel Rudolf Steiner. Irritation und Inspiration“ (Kröner-Verlag) möchte er „Steiner und sein Werk von heute aus neu befragen“. „Steiners Gedanken und Anschauungen haben eine Relevanz auch für unsere Zeit und sogar weit in die Zukunft hinein“, ist Müller überzeugt. Er finde sich nicht in allen Punkten wieder, und er wolle niemanden überzeugen. „Mein Ziel ist es, dass die anthroposophische Gedankenwelt auf faire Weise im öffentlichen Raum sichtbar ist“, sagt der Autor.
Auch die Anthroposophische Gesellschaft möchte auf ihrem dreitägigen Fest dazu einladen „Steiners Impulse zu reflektieren und neu zu entdecken“, heißt es in der Ankündigung. Die Praxis der Anthroposophie in Bereichen wie der Waldorfpädagogik, der biodynamischen Landwirtschaft und der Kunst sollen erlebbar, kritikwürdige Aspekte aber auch thematisiert werden.
Die Anthroposophie fügt der materiellen und durch die Naturwissenschaften erforschbaren Welt eine geistige Dimension hinzu. Neu ist das nicht, ist es doch der Kern vieler Religionen. Aber Steiner ersetze den reinen Glauben durch ein Erkennenwollen, sagt Müller. Es gelte also, die geistige Welt mit der gleichen Intensität zu erforschen wie die materielle, denn die Naturwissenschaften reichten nicht, um die wirklich wichtigen Dinge zu erfassen.
Diese geistige Dimension, die schnell ins Esoterische triftet, beschert der Anthroposophie immer wieder massive Kritik. Müller spricht von einer „Furcht vor dem Übersinnlichen“. Damit allein lasse sich aber nicht erklären, warum Steiners Lehre bis heute so polarisiere. Schließlich sei viel Absurdes in der Welt, was aber nicht zu so viel Aufregung führe. Darum ergänzt Müller: „Die Anthroposophie gibt Anlass zum Befremdetsein, zum Beispiel mit ihrem Glauben an das untergegangene Atlantis.“ Richtig sei auch, dass Steiners Werk an einigen Stellen angreifbar sei. Manche Zitate seien unerträglich und rassistisch. Es seien aber eben nur einzelne Sätze in einem sonst unverdächtigen Ganzen. Die Kritik an der Steiner’schen Lehre habe auch „innere Gründe“, sagt Müller. Zum einen gebe es sicher Dogmatiker, die einem mit ihrer Arroganz auf die Nerven gehen könnten. Zum anderen sei die Anthroposophie in den 100 Jahren seit dem Tod Steiners stets „selbstzufrieden in der Nische geblieben“, anstatt ein Angebot an die Welt zu machen. Daher habe er sich bei seinem aktuellen Buch bewusst für einen nicht-anthroposophischen Verlag entschieden. Auch das Fest am Wochenende in Stuttgart soll die Anthroposophie „mehr in der Öffentlichkeit sichtbar machen“.
Das Programm zum Steiner-Festival ist zu finden unter: www.2025-steiner-stuttgart.de.