Grube Messel
Das „Fenster zur Urzeit“ ist seit 30 Jahren Unesco-Welterbe
In ihr forschen Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern. In der Grube Messel liegen die Zeugnisse einer längst vergangenen Welt. Seit 30 Jahren wird dies auch gewürdigt.

© dpa/Helmut Fricke
Drohnenaufnahme eines Sees. Dort, wo heute die Grube Messel liegt, lag vor 48 Millionen Jahren ein von dichtem Regenwald umsäumter Kratersee. Doch das Gewässer verlandete im Lauf mehrerer Hunderttausend Jahre - zurück blieb eine Fülle an Fossilien.
Von Markus Brauer/dpa
Am Rande der kleinen Gemeinde Messel in Südhessen liegt eine zunächst unscheinbare Grube. Bäume, Geröll, kleinere Wasserflächen lassen zunächst nicht auf die Bedeutung dieses Areals schließen. Doch die eingezäunte Grube kann in einem Atemzug mit dem Grand Canyon, Yellowstone oder den Galapagosinseln genannt werden.
Einer bedeutendsten geologischen Ort
Sie gehört weltweit zu den bedeutendsten geologischen Orten. In ihr findet sich zu Stein erstarrt die Geschichte der Erde vor 48 Millionen Jahren. Vor 30 Jahren wurde die Grube Messel Deutschlands erstes Unesco-Weltnaturerbe.
Die deutsche Unesco-Kommission bezeichnet das außergewöhnliche Areal als „Fenster zur Urzeit“. „Es gibt rund 1400 beschriebene Arten“, sagt der Geschäftsführer des Welterbes Grube Messel, Philipe Havlik. „Es gibt aber eine Dunkelziffer, die voraussichtlich genauso groß ist.“
Nach einer Studie von Wissenschaftlern des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums in Frankfurt am Main war der Artenreichtum damals höher als im heutigen Mitteleuropa.
Über die gesamte Grabungszeit sind unter anderem 72 Vogeltypen, mehr als 50 Säugetiere und mehr als 800 verschiedene Grünpflanzen dokumentiert. Insgesamt beinhalten die Analysen der Wissenschaftler Daten aus mehr als 50 Sammlungen.
Gesamte Urzeit- Biodiversität erfasst
„Die Grube Messel ist so besonders, weil ihre Sedimente reich an verschiedenen Organismen wie Mikroorganismen, Pflanzen, Pilze, Wirbellose und Wirbeltiere sind, die sonst selten zusammen fossilisieren“, heißt es in der Studie. Bis alle Arten vollständig dokumentiert seien und die gesamte Biodiversität dort erfasst ist, werde es noch mehrere Generationen dauern. Besonders die Vielfalt von Pflanzen und Insekten sei noch unzureichend untersucht.
Grube Messel – Fenster zur Urzeit
Die in den Ölschiefer eingepressten und konservierten Funde zeigen, wie die Welt vor Millionen Jahre in der damals tropischen Region aussah. Mit mittlerweile mehreren Zehntausend Fossilien-Funden können Wissenschaftler ein relativ genaues Bild der damaligen Lebenswelt und des Klimas zeichnen. Zu den aufsehenerregendsten Entdeckungen gehören Urpferdchen und Krokodile, aber auch Insekten und Spinnen wurden bereits gefunden.
Die in den Ölschiefer eingepressten und konservierten Funde zeigen, wie die Welt vor Millionen Jahre in der damals tropischen Region aussah. Mit mittlerweile mehreren Zehntausend Fossilien-Funden können Wissenschaftler ein relativ genaues Bild der damaligen Lebenswelt und des Klimas zeichnen.
Die Funde sind Zeugnis einer Welt lange nach dem Aussterben der Dinosaurier und lange bevor die Evolutionsgeschichte Neandertaler oder den modernen Menschen hervorbrachte.
Zu Stein gewordene Zeitzeugen
In einem weitestgehend sauerstofflosem See in einem Vulkankrater sammelten sich in einem tropischen Klima inmitten eines Dschungels tote Tiere und Pflanzen. Versteinert erzählen sie heute, wie die Welt in einer Vulkanlandschaft vor Millionen Jahren aussah. Urpferdchen nicht viel größer als ein Dackel, Krokodile, beim Liebesakt gestorbene Schildkröten, eine Boa mit Eidechse im Magen, Pflanzen und viele weitere Arten finden sich dort im Ölschiefer bei Grabungen.
Die Fossillagerstätte gebe einzigartigen Aufschluss über die frühe Evolution der Säugetiere im Zeitalter des Eozäns, heißt es bei der Unesco. „Sie dokumentiert die Entwicklungsgeschichte der Erde vor 48 Millionen Jahren. Erhaltungszustand, Menge und Vielfalt der dort gefundenen Fossilien sind einzigartig.“
Arten, wie es sie heute nicht mehr gibt
Die dort gefunden Arten sind Havlik zufolge nicht so wie die jetzt auf der Erde lebenden Tiere. Die Grube sei quasi die „Ursuppe“ für die heutige Welt nach den Dinosauriern. Es gebe keine Tiere, keine Pflanzen mehr, die noch so wie damals seien.
„Es gibt Ideen, diese Schicht zu untersuchen, das ist aber sehr kostspielig“, erklärt Havlik zu möglichen tieferen Grabungen. Dafür müsse massiv eingegriffen und das Grundwasser abgesenkt werden. Da müsste bergmännisch vorgegangen werden.
Eine Schicht 150 Meter unterhalb der Oberfläche umfasse rund eine Million Jahre der Erdgeschichte, erläutert der Experte. Bergmännisch sei hier in der Vergangenheit schon gearbeitet worden. So hätten die Römer bereits eine Tongrube daraus gemacht. In den 1850er Jahren habe der industrielle Abbau begonnen, um aus dem Ölschiefer Erdöl zu pressen.
Welterbe statt Deponie
In den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wäre aus dem Schatz für Wissenschaftler weltweit dann fast eine Mülldeponie geworden. Betonierte Abladerampen oder auch die Grubenzufahrt sind Havlik zufolge noch heute Zeugnisse dieser Pläne der hessischen Landespolitik. „Der Bau wurde nur eingestellt, weil es einen Formfehler im Antrag gab.“
Gesellschafter der Grube sind heute das Land Hessen mit 65 Prozent und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit 35 Prozent. Alleine das Land stellt nach Angaben des Wissenschaftsministeriums im laufenden Jubiläumsjahr einen „Ermächtigungsrahmen“ für das Welterbe in Höhe von 968.300 Euro bereit, nach 774.300 Euro im vergangenen Jahr. Ein Subventionsfall blieben die Ticketpreise Havlik zufolge dennoch.
Die größten Sammlungen von Fossilien aus der Grube haben die Senckenberg Gesellschaft und das Landesmuseum in Darmstadt. „Museen weltweit haben Fossilien aus Messel“, unterstreicht Havlik, der seit zwei Jahren Geschäftsführer ist. „Hier passen alle Puzzleteile zusammen, damit Fossilien nicht zerfallen.“
Zielmarke 50.000 Besucher angepeilt
Die Welterbestätte will der 46-Jährige umkrempeln. Es soll digitaler werden und verschiedene Erzählebenen geben. Künftig soll man auch bei der Präparation der Funde zuschauen können und es soll wechselnde Ausstellungen geben.
„Wir bringen neue Themen und neue Forschung rein.“ So peilt Havlik auch höhere Besucherzahlen an. Seien dies vor zwei Jahren noch 22.000 gewesen, habe sich die Zahl im vergangenen Jahr auf 34.000 erhöht. Havlik ist ehrgeizig: Seine Zielmarke liegt bei 50.000 Besuchern.