Yakuza-Gangs
Das organisierte Verbrechen in Japan sortiert sich neu
Japan ist ein Hort der Sicherheit für seine Bürger. Doch in der Unterwelt herrscht eine üble Fehde zwischen Mafiagruppen. Die größte dieser Gangs hat nun angekündigt, friedlich werden zu wollen. Alles gut also?

© AFP/Frank Zeller
Traditionelle Erkennungsmale der Yakuza-Gangster: Ganzkörper-Tattoos und ein verstümmelter kleiner Finger
Von Felix Lill
Vergangene Woche war es so weit. Drei Anführer des Yamaguchi-gumi, der größten und wohlhabendsten Gangsterbande Japans, haben der Polizei einen Brief übergeben, in dem sie geloben, für keine Unruhe mehr zu sorgen. Keine mysteriösen Todesfälle, keine Schießereien mehr?
Seit zehn Jahren hat sich diese größte aller Mafiagruppierungen des ostasiatischen Landes – in Japan meist Yakuza genannt – eine Fehde mit anderen Gangs geliefert. 2015 hatte sich eine mit den Bossen unzufriedene Gruppe vom Yamaguchi-gumi losgelöst und das Kobe Yamaguchi-gumi gegründet. In den Folgejahren kam es zu weiteren Abspaltungen, es wurde chaotischer, blutiger.
Gangster waren durch ihr Auftreten als Yakuza erkennbar
Wer Japan noch nie oder nur als Tourist besucht hat, dürfte sich darüber wundern, dass so etwas hier überhaupt passiert. Japan hat den Ruf als eines der sichersten Länder der Welt. Die Zahl angezeigter Straftaten pro Kopf ist niedriger als fast überall sonst. Wenn man in Japan sein Portemonnaie vergisst, kommt einem mit hoher Wahrscheinlichkeit kurze Zeit später jemand hinterhergeeilt, der es gefunden hat und übergeben möchte. Auch Gewaltüberfälle sind höchst selten.
Doch das Leben in der Unterwelt ist eine andere Angelegenheit. Viel von dem, was dort geschieht, wird ohnehin nie angezeigt – und bleibt Unbeteiligten verborgen. So wurden Yakuza-Gruppen über die Jahrzehnte große Player im Immobiliengeschäft, im Glücksspiel und Drogenhandel, in den Finanzdiensten. Nicht selten waren die Gruppen durch ihr Auftreten als Yakuza erkennbar: die Autos, die Anzüge, die Tattoos. Wer wollte, konnte sie meiden.
Die große Zeit der Banden begann nach dem Krieg
Im Jahr 2021, als sich aus dem Yamaguchi-gumi nicht nur das Kobe Yamaguchi-gumi, sondern auch das Kizuna-kai und das Ikeda-gumi herausgebildet hatten, urteilte die Nationale Polizeibehörde in einem Bericht: „Ihre Konflikte sind ernsthaft und unvorhersehbar geworden.“ Im selben Report hieß es aber auch: „Die Polizei ist kontinuierlich bemüht, Gewaltgruppen durch strenge Maßnahmen gegen illegale Aktivitäten und wirksame Durchsetzung der Gesetze zu schwächen und zu vernichten.“
Die große Zeit der organisierten Gangster folgte auf Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg, als fast alle Großstädte durch Bombenangriffe zerstört waren und es an Nahrung und Jobs mangelte, der Schwarzmarkt wucherte. Die Syndikate organisierten sich hierarchisch, übernahmen gegen Prämien oft den Sicherheitsservice für Geschäfte oder Wohnhäuser.
Auch die Demografie spielt wohl eine Rolle
In den 1960er Jahren wurde die Mitgliederzahl aller Yakuza-Gangs – die auch wegen ihrer Verbindungen in die Politik nie offiziell verboten wurden – auf 184 000 geschätzt. In den vergangenen Jahren aber hat die Polizei ihre Ankündigung aus dem Report von 2021, hart durchgreifen zu wollen, zusehends ernstgenommen. Im Jahr zuvor hatte sie den Konflikt der Splittergruppen offiziell als Bandenkrieg bezeichnet, womit sie diese genauer überwachen konnte. Auch wurde Yakuza-Gruppen verboten, Büros zu führen.
Dass das Yamaguchi-gumi nun erklärt hat, in Zukunft friedlich werden zu wollen, lässt sich als Zeichen seiner Schwäche lesen und der Schwäche der Yakuza an sich. Heute zählt das Yamaguchi-gumi laut Polizei noch um die 3300 Mitglieder, alle Yakuza-Gruppen insgesamt zählen noch rund 18 800 – ein Zehntel der Zahl in den 1960er Jahren.
Dabei sind die Aktivitäten der Polizei kaum der einzige Grund dafür, dass sich die Yakuza im Rückzug befindet. Auch die Demografie spielt wohl eine Rolle: Japans Bevölkerung altert seit Jahrzehnten in hohem Tempo, auch alle möglichen legalen Organisationen leiden unter „Nachwuchsmangel“, da im Land kaum noch Kinder zu Welt kommen. Zudem zeigt sich die Tendenz, dass in alternden Gesellschaften weniger Straftaten begangen werden. So ist plausibel anzunehmen, dass auch die organisierte Kriminalität insgesamt abnimmt. Gänzlich Geschichte sind die Machenschaften der Mafia in Japan aber damit noch nicht. Nicht nur, weil das Yamaguchi-gumi sich nicht aufgelöst hat und bloß einen bestimmten Konflikt beilegen will. Sondern auch, weil bisher unklar bleibt, inwieweit diverse kleinere Gruppen nun ebenso bereit sind, ihre Waffen ruhen zu lassen. Auch die Polizei bleibt in der Sache zurückhaltend.
Tokuryu heißt die neue Form des organisierten Verbrechens
Und es ist auch nicht so, dass die Yakuza die einzige Art von dubiosen Machenschaften wäre, die Menschen in Japan heute schlaflose Nächte bereiten. Eine neue Form des organisierten Verbrechens, die mehr ad hoc funktioniert, wird nun unter dem Begriff „Tokuryu“ zusammengefasst, was so viel wie „anonym und fluid“ bedeutet. Angeworben werden die derzeit rund 10 000 Aktiven oft durch Gelegenheitsjobangebote, wobei dann Drogenhandel, Überfälle oder Onlinebetrug betrieben wird.
Auch durch die Tokuryu-Gruppen entstehen Schäden in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr, teilweise gibt es Überschneidungen mit Yakuza-Gangs. So erklärte der Vorsitzende der Nationalen Polizeibehörde Anfang des Jahres nicht den Kampf gegen die Yakuza zur Priorität, sondern jenen gegen das Phänomen Tokuryu.
Mythenumwobene Yakuza-Gangs
Außenseiter Die Wurzeln der Yakuza reichen weit in die Vergangenheit – bis ins 17. Jahrhundert. Erste Gruppen, die sich später zu organisiertem Verbrechen entwickeln sollten, formierten sich aus Verurteilten, Glücksspielern, und anderen Außenseitern.
Tattoos Getreu einer viel älteren Überlieferung, nach der im 7. Jahrhundert ein Rebell durch den Kaiserhof mittels einer Tätowierung als Abtrünniger gebrandmarkt worden sei, machte die Yakuza diesen Vorfall zu ihrem Merkmal. Fortan erkannte man die Yakuza an ihren Tattoos.