Das zweite Leben eines altgedienten Hela

Berthold Müller und Erich Lämmle verbindet eine lange Freundschaft und das Wirken im Oldtimerclub Großerlach. Als gemeinsames Projekt haben sie einen alten Traktor erstanden, den es herzurichten galt: Ein Marathon, bei dem auch Mitglieder mit angepackt haben.

Berthold Müller fährt stolz eine Runde mit dem neuen alten Schmuckstück. Fotos: privat

Berthold Müller fährt stolz eine Runde mit dem neuen alten Schmuckstück. Fotos: privat

Von Christine Schick

MURRHARDT/GROSSERLACH/ASPACH. „Erich und ich haben uns gesagt, wir haben schon eine Reihe alte Motorräder und Autos restauriert. Insofern war die Frage, was fehlt uns eigentlich noch? Genau, ein Schlepper! Und so kamen wir auf unser Projekt“, erzählt Berthold Müller (71). Der Murrhardter kennt Erich Lämmle (69), der in Aspach lebt, schon aus dem Studium an der Hochschule in Ulm. Sie haben sich damals der Feinwerktechnik und ingenieurtechnischen Fragen gewidmet – nicht die schlechtesten Voraussetzungen also, um das Vorhaben anzugehen. Am Anfang steht die Suche nach einem passenden Restaurationswunschobjekt, einem alten Traktor, den sie zu neuem Leben erwecken können. In einem kleinen Ort bei Ansbach werden sie schließlich fündig. Dort erstehen sie einen Hela D24/22, Baujahr 1955, und bringen den Schlepper per Anhänger nach Großerlach-Morbach, wo das Vereinsgelände liegt.

Die erste Begutachtung ergibt, dass der Hela D24/22 in einem einigermaßen passablen Zustand ist, auch wenn der Bericht der beiden schnell klarmacht, wie umfangreich das Projekt ist, das sie im Frühjahr 2014 beginnen. „Wir waren fasziniert! So eine Maschine herzurichten ist etwas ganz anderes“, erzählt Berthold Müller. Handfestes Werkzeug wie Hammer und 30er-Schlüssel gehört ebenso zu dieser Geschichte wie Kraft, Dranbleiben und systematischer Ab- und Wiederaufbau. Nach einem ersten Reinigen und einer längeren Pause bauen sie die Beleuchtung und die Bedienung des Mähwerks aus. Nach und nach zeichnet sich ab, dass vor allem diejenigen Stellen Arbeit und Kraft erfordern, die das Auseinanderbauen erschweren: rostige Schrauben und verbogene Teile des Gefährts.

„Die Überrollbügel rauszubekommen hat ewig gebraucht.“ Sitz und Kotflügel sind verformt. Berthold Müller geht davon aus, dass der Schlepper sich auch mal mit einer Hauswand angelegt hat. In ihrer Dokumentation halten die beiden fest: „Die Demontage der Kotflügel zeigt sich als Problem. Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen. Wir stellen uns der Herausforderung und bleiben Sieger.“

Der Kampf mit dem Überrollbügel und Kotflügel wird gewonnen.

Auf einen ersten Motortest folgt der Abbau der Räder, allmählich ist nur noch ein Torso des Schleppers vorhanden. Die zwei machen sich an die Elektrik und die Kraftstoffleitungen. Dichtungen und Ölleitung sind nicht mehr intakt, auch die Bremsen müssen überholt werden – so die Diagnose. Damit sie die vielen Einzelteile später wieder zuordnen können, organisiert Berthold Müller Orangenkistchen, in die die Innereien feinsäuberlich nach Abbauabschnitt wie Anlasser, Elektrik oder Bremsen einsortiert und beschriftet werden. So manches Stück kann sandgestrahlt und wiederverwendet werden. Allerdings haben auch einige dem Verfall nicht standgehalten, sind so verrostet, dass sie neu beschafft werden müssen. Im Zweifel können die beiden auf das Reparaturhandbuch zurückgreifen, das ihnen der Verkäufer mitgegeben hat und das für die Oldtimer-Restaurierer Gold wert ist. „Da haben wir wirklich Glück gehabt. Die Bücher waren früher für die Landwirte wichtig, weil sie alles selbst gemacht, sprich repariert haben.“ Diese Unterlagen sind auch entscheidend, als es um die Frage des genauen Anstrichs geht. Wie sah der Traktor aus, als er frisch aus der Fabrik kam? Klassisch grün mit roten Felgen – ist das Konzept fürs spätere Lackieren.

Beim Vordringen ins Innere müssen auch immer wieder die Stellen gereinigt werden, die zuvor verdeckt waren. Die beiden Schaffer bleiben lange an ihrem Projekt dran, müssen schließlich aus Zeitgründen doch pausieren. Das wiederum registrieren die anderen Mitglieder des Oldtimerclubs Großerlach, die eigentlich schon darauf warten, den alten Schlepper auferstehen zu sehen. „Sie haben irgendwann gesagt, jetzt können wir da nicht mehr zugucken“, erzählt Berthold Müller und lacht. Er und Erich Lämmle erhalten im Herbst 2019 tatkräftige Unterstützung von weiteren Mitgliedern – Manfred Welz, Otto Fritz, Dieter Haag, Patrick Schmidgall, Markus Götz, Achim Fritz und Thomas Schad. Sie ergänzen sich in ihrem Wissen und beim Arbeiten. „Rund 90 Prozent der Arbeit lief im Vereinsheim, ab und zu hat auch mal einer ein Blechle mit nach Hause genommen, um es auszubeulen“, erinnert sich Berthold Müller. „Man merkt, was da auch noch für ein technischer Wissensschatz vorhanden ist.“ Er empfindet es als Ehre und großen Gewinn, dort mit seinen Mitstreitern zusammenarbeiten zu können. Dies versucht er auch ein Stück weit durch den regelmäßigen Jahresrückblick zu würdigen, bei dem er die Einzelnen auch mal mit ihrem persönlichen Hintergrund, weiteren Hobbys und ihrem Engagement für die anderen vorstellt.

Es wird auch mal ein Blechle mit nach Hause genommen zum Ausbeulen.

Der Hela D 24/22 entwickelt sich bis zum Frühjahr 2020 prächtig: Nachdem viele Gussteile sandgestrahlt, geschliffen und grundiert sind, folgt die Lackierung und der allmähliche (Wieder-)Aufbau. Stück für Stück wird der Schlepper zusammengefügt. Weitere Schritte sind Auspuff und Elektrik sowie Austausch der Kraftstoffleitungen. Ziel ist eigentlich, im März 2020 beim TÜV vorstellig zu werden. Doch da tauchen bekanntermaßen neue, ungeahnte Probleme auf. „Das Coronavirus hat uns im Griff. Alle Räder stehen still“, schreiben die beiden in ihrer Rückschau. Der Termin kann aber nachgeholt werden, ein Clubmitglied kümmert sich darum, dass der Schlepper in seiner Werkstatt später von offizieller Seite begutachtet werden kann. Erich Lämmle übernimmt die erste Tour und stellt fest: „Es ist schon etwas anderes, einen Schlepper zu fahren.“ Berthold Müller sichert mit seinem Fahrzeug von hinten ab.

Nachdem noch ein paar Kleinigkeiten gerichtet waren, erhält der Hela sein Kennzeichen: BK HL 24. Es ist geschafft. Der Oldie-Schlepper läuft, sieht gut aus. „Eine gewisse Patina darf er aber schon haben“, meint Berthold Müller. Im Rückblick auf das Marathonprojekt sagt er: „Es war richtig schön!“ Und es reizt ihn sehr, irgendwann, wenn die Temperaturen wieder milder werden, mit Erich Lämmles und seinem Hela einmal in aller Seelenruhe durch Murrhardt zu fahren. Gut möglich, dass er in einer mehr oder weniger weit entfernten Zukunft dann auch mal in der Walterichstadt bei einer Veranstaltung wie dem Murrhardter Frühling gemeinsam mit anderen Oldtimern des Großerlacher Clubs zu sehen sein wird.

Weitere Infos zum Verein unter www.oldtimerclub-grosserlach.de.

Erich Lämmle macht sich einen ersten vertiefteren Eindruck von seinem Hela D24/22 nach der Ankunft.

Erich Lämmle macht sich einen ersten vertiefteren Eindruck von seinem Hela D24/22 nach der Ankunft.

Der Torso: Bei der Restauration wird der Schlepper dekonstruiert und neu geschaffen.

Der Torso: Bei der Restauration wird der Schlepper dekonstruiert und neu geschaffen.

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Erstellt:
29. Januar 2021, 06:00 Uhr

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