Niedriger Wasserstand
Der Bodensee lädt zum Wattwandern
Im vergangenen Sommer herrschte noch Hochwasser. Jetzt liegen die Pegel am Bodensee so tief wie schon lange nicht mehr. Der Tourismus fürchtet Negativschlagzeilen.

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Das Niedrigwasser sorgt auch am Konstanzer Trichter, wo der Bodensee in den Seerhein abfließt, für ein Naturschauspiel.
Von Eberhard Wein
Am Seegarten in Allensbach wirft ein Angler seine Rute aus. Statt an der Uferböschung steht er auf einer Trittleiter im seichten Wasser, beobachtet von den ersten Gästen, die auf der warmen Terrasse des Restaurants sitzen. Letztes Jahr klatschte hier zu dieser Jahreszeit das Wasser an die Ufermauer, in diesem Jahr kann man trockenen Fußes 20 Meter weit hinaus laufen. Manche reden schon vom Wattwandern am Bodensee. „Es ist wenig Wasser, aber es ist wunderschön“, sagt Rainer Brand, der an diesem sonnigen Nachmittag im Seegarten die Gäste bedient.
Noch im vergangenen Sommer war es die Berichterstattung über Hochwasser und Schnakenplage, die den Touristikern am See die Laune verdarb. In diesem Jahr überschlagen sich die Medien mit Meldungen über eine „Austrocknung“ von Deutschlands größtem Trinkwasserreservoir. Überall herrsche übler „Seegeruch“. Ein „Dürre-Desaster“ habe den See heimgesucht.
Die kleinste Insel ist gar keine mehr
Die Wahrheit ist weit weniger dramatisch. An vielen Stellen entstehen Sandbänke. In Lindau hat sich die kleinste Bodenseeinsel Hoy, die normalerweise 100 Meter vom Ufer entfernt liegt, mit dem Festland verbunden. Doch für Panikmache und Schwarzmalerei bestehe kein Grund, sagt Julia Binder von der Internationalen Bodensee-Tourismus GmbH – kein Wunder bei einem See mit 256 Metern Tiefe.
Nur vereinzelt müffelt es auf trockenliegenden Arealen nach verwesenden Quaggamuscheln, wobei der Großteil der invasiven Population immer noch unter Wasser liegt. Meist bringt eine leichte Brise frische Luft. „Wasserstandsschwankungen von 1,30 Meter im Verlauf der Jahreszeiten sind für den Bodensee normal“, sagt der Sprecher der Landesanstalt für Umwelt, André Postel.
Außergewöhnlich, aber nicht beispiellos
Tatsächlich ist die aktuelle Situation außergewöhnlich, aber keineswegs beispiellos. Aktuell liegt der Pegel Konstanz bei 2,72 Meter, das sind 70 Zentimeter weniger als im vergangenen Jahr zur selben Zeit. „Die Hauptgründe sind die sehr geringen Niederschläge der letzten Monate sowie eine unterdurchschnittliche Schneedecke und damit geringere Schneeschmelze im Einzugsgebiet des Bodensees“, sagt Postel. Allerdings hatte der See im April auch schon einmal acht Zentimeter weniger. Typischerweise fällt die Niedrigwasserphase auf die ersten drei Monate des Jahres. Der historische Tiefstwert am Pegel Konstanz wurde am 15. Februar 2006 mit 2,29 Meter gemessen.
Gelassenheit herrscht insoweit auch bei den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB). Für den offiziellen Saisonstart am 13. April gebe es kaum Einschränkungen, sagt der Sprecher der Stadtwerke Konstanz, Christopher Pape. Lediglich die Landestellen in Bad Schachen, Immenstaad und möglicherweise Langenargen könnten mit den aktuellen Pegelständen nicht angefahren werden. „Das ist aber auch in den vergangenen Jahren schon des Öfteren vorgekommen.“ Selbst im flacheren Untersee sei die Schifffahrt möglich. Auch bei den Fährbetrieben zwischen Meersburg und Konstanz sowie zwischen Friedrichshafen und Romanshorn gebe es keine Einschränkungen. Probleme gab es dort in der Vergangenheit lediglich bei Hochwasser.
Der Klimawandel verändert den See
Dass der Klimawandel den See verändert, steht für die Wissenschaftler im Seenforschungsinstitut in Langenargen jedoch fest. „Klimabedingt nehmen grundsätzlich die sommerlichen Hochwasserstände ab und die winterlichen Niedrigwasserstände zu“, sagt der LUBW-Sprecher Postel. Offen ist, wie sich dies auf die Natur am Bodensee auswirkt.
Vorerst wird der Pegel aber wohl noch weiter sinken. Bisher ist auch am Pegel Bregenz auf der anderen Seeseite keine Entspannung in Sicht. „Die Prognosen zeigen für die nächsten zehn Tage weiterhin einen sinkenden Wasserstand“, sagt Postel. Für die Touristiker ist es ein Naturschauspiel, dass man trotz allem genießen darf.

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Blick von der Reichenau über das Wollmatinger Ried.

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Am Ufer in Allensbach lädt der Gnadensee zur „Wattwanderung“

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Auch an der Schmugglerbucht bei Konstanz gibt es Sandbänke.

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Im vergangenen Jahr war die Schusse bei Eriskirch noch ein reißender Fluss.

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Der Bodensee bietet bei Niedrigwasser völlig neue Perspektiven.

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Am Konstanzer Hörle-Park ist ein breiter Kiesstrand entstanden.

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An der Mettnauspitze.

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Teile des Wollmatinger Rieds liegen trocken.

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Rund um die Insel Reichenau wird das deutlich.

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Unter den Pfahlbauten in Unteruhldingen steht noch etwas Wasser.

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Die kleinste Bodenseeinsel Hoy ist mit dem Festland verbunden.

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Die Boote liegen in Mannenbach am Untersee auf dem Trockenen.

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Am größten Strandbad am Bodensee, dem Hörnle in Konstanz, muss man weit hinauslaufen, um zum Wasser zu kommen.

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Trotz Niedrigwasser läuft der Fährbetrieb normal.