Koalitionsvertrag fertig
Die eigentliche Arbeit beginnt erst
Der Koalitionsvertrag ist ausverhandelt. In der Praxis muss sich zeigen, was das Papier wert ist, meint Tobias Peter, Leiter unseres Hauptstadtbüros.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ
Gruppenbild mit Dame: Die neuen Koalitionspartner Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken (von links)
Von Tobias Peter
Friedrich Merz hatte sich vieles anders vorgestellt. Mit einem starken Wahlergebnis wollte er die Wahl zwischen mehreren Koalitionspartnern haben. Und er hatte gehofft, in Deutschland schon deshalb einen ökonomischen Aufschwung erreichen zu können, weil sich nach der Abwahl der zerstrittenen Ampel die Stimmung auf jeden Fall verbessern würde. Da lag er falsch.
Dass die US-Präsidentschaft Donald Trumps zu einer großen Herausforderung werden würde, war klar. Doch alle haben unterschätzt, wie radikal und schnell Trump die bisherige Weltordnung ins Wanken bringen würde. Sowohl, was Fragen der sicherheitspolitischen Verlässlichkeit als auch des fairen Miteinanders im Welthandel angeht. Trump steht für mehrere Zeitenwenden.
Mit Merz steht nun – da die Einigung auf den Koalitionsvertrag erreicht ist – voraussichtlich ein Kanzler ohne Regierungserfahrung vor einer der größten außenpolitischen Herausforderungen in der Geschichte der Republik. Konrad Adenauer war der Garant für die Westbindung Deutschlands. Helmut Kohl hat die Chance zur deutschen Einheit ergriffen und die europäische Einigung vorangetrieben. Merz muss einen erheblichen Beitrag leisten, dass Europa sich in der Welt eigenständig behaupten kann.
Eine wichtige Grundlage hat er dafür mit den Grundgesetzkorrekturen zur Schuldenbremse gelegt. Sie ermöglichen notfalls sogar unbegrenzte Militärausgaben. Merz hat Glaubwürdigkeit verspielt, weil er vor der Wahl vor allem über das Sparen gesprochen hat. Für seine Zeit als Regierungschef hat er aber entscheidend an Spielraum gewonnen.
Merz könnte Verhältnis zu Polen und Frankreich neu beleben
Gut ist, dass die SPD das Finanzministerium bekommt. Eine Arbeitsteilung, in der ein Koalitionspartner für Geldausgeben zuständig ist und der andere fürs Konsolidieren, wäre ein Problem gewesen. Für weniger Reibung könnte sorgen, dass Kanzleramt und Außenministerium künftig beide in Händen der Union liegen. Auch dass absehbar auch der bei den Soldaten und in der Bevölkerung beliebte Boris Pistorius Verteidigungsminister bleiben kann, ist ein Gewinn.
Außenpolitisch liegt in der Kanzlerschaft von Merz schon deshalb eine Chance, weil er die Beziehungen zu Frankreich und Polen neu beleben könnte. Olaf Scholz hat es nicht zuletzt im Umgang mit Emmanuel Macron an menschlichem Geschick gefehlt.
Koalitionspartner drücken sich vor wichtigen Herausforderungen
Deutschland muss zu wirtschaftlicher Stärke zurückfinden. Und das in Zeiten, in denen Trumps Zollpolitik enorme Schäden anrichtet. Die Koalition aus Union und SPD wird kritisch prüfen müssen, ob das, was sie zur Entlastung der Wirtschaft vereinbart hat, treffsicher und wirkungsvoll ist. Wenn nicht, muss nachjustiert werden.
Wichtig ist, dass Union und SPD sich nach einem harten Wahlkampf rasch einig geworden sind. Es ist richtig, irreguläre Migration und Missbrauch von Sozialleistungen strikter zu bekämpfen. Bei anderen Themen wie der Rente drücken sich die Parteien vor mutigen Reformen. Das ist falsch. Es würde die große Koalition, die längst eine kleine ist, aber vermutlich überfordern, alle Herausforderungen gleichzeitig anzugehen.
Vertrauen ist wichtiger als 140 Seiten
Mindestens so wichtig wie der mehr als 140 Seiten umfassende Koalitionsvertrag ist ohnehin, dass Merz und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen. Dass sie in den Verhandlungen schnell zueinandergefunden haben, weckt Hoffnungen.
Mit ein bisschen Glück sorgt CSU-Chef Markus Söder für möglichst wenig Chaos. Es werden viele Herausforderungen kommen, von denen man jetzt noch gar nichts weiß. Die eigentliche Arbeit für diese neue Bundesregierung beginnt erst.