Die Pandemie war wie ein kleines Erdbeben
Christine Nagel, Geschäftsführerin des Internatbereichs bei der Paulinenpflege, steht in Coronazeiten vor großen Herausforderungen.

Christine Nagel mit ihrem Mutmachgeschenk von den Kollegen. Foto: privat
WINNENDEN (mk). „Derzeit fehlen uns nur noch 20 Einzelzimmer, damit wir nach den Sommerferien trotz Corona wieder voll durchstarten können“, sagt Sozialpädagogin Christine Nagel über ihre derzeit größte Herausforderung. Dennoch sitzt sie alles andere als frustriert oder genervt in ihrem Büro. Dabei wäre es verständlich, wenn sie Frust schieben würde: Bereichsgeschäftsführerin Christine Nagel ist für den Internatsbereich der Paulinenpflege zuständig, in dem vor Corona rund 180 Schüler und 230 Azubis untergebracht waren. Und dann kam der Virus und sorgte auch im Internatsbereich für ein kleines Erdbeben.
Zunächst mussten ihre Internate Mitte März im Zuge der Coronakrise größtenteils geschlossen werden, weil die BBW-Azubis und die Schüler der Schule beim Jakobsweg nach Hause geschickt wurden. Für die hör- und sprachbehinderten Jugendlichen und Autisten war zunächst Homeschooling und Ausbildung per Google Classroom angesagt. Und für den größten Teil der Internatsmitarbeiterschaft mussten während der Schließung neue Aufgaben gefunden werden.
Schnell war auch klar, dass ihre Internate auch nach den Lockerungen nicht mehr so einfach in eine neue Normalität zurückkehren konnten. Auf Grundlage der Coronaverordnungen konnte der Neustart in den Internaten und somit auch in der Schule beim Jakobsweg und im Berufsbildungswerk ab Mitte Mai nur funktionieren, wenn für alle Schüler und Azubis, die nach Winnenden zurückkehren, ein Einzelzimmer zur Verfügung steht. „Durch diese Vorschriften haben bei uns auf einen Schlag 70 Zimmer gefehlt, da viele Azubis oder Schülerinnen und Schüler bisher in Internatsdoppelzimmern gewohnt haben“, beschreibt Christine Nagel den Zustand, als Mitte April gemeinsam mit der Hauswirtschaft der Paulinenpflege ein Hygienekonzept ausgearbeitet wurde. Statt zu resignieren hat sie zusammen mit ihren Kollegen die Ärmel hochgekrempelt und überlegt, wie das bei der heutigen Wohnungssituation zu stemmen sei: „Probleme sind dazu da, dass sie gelöst werden. Und so haben wir durch Bürotrakt-Umwandlungen einige neue Zimmer dazugewinnen können. Auch auf dem früheren Kinderdorf-Gelände haben wir einige Zimmer aufgetan.“ Außerhalb der Paulinenpflege wurde zudem ein Gästehaus in Weiler zum Stein angemietet. Zusätzlich wird versucht, einzelne Doppelzimmer durch logistische Kunststücke zeitversetzt von zwei Personen zu belegen, etwa durch Homeschooling oder Blockunterricht. Zwischen den jeweiligen Belegungen wird das Zimmer dann desinfiziert.
„Das können allerdings nur Notlösungen sein. Die beste Lösung sind einfach genug Einzelzimmer“, so die Sozialpädagogin. Sie hat die Hoffnung auf genug Wohnraum noch nicht aufgegeben. „Wer im Großraum Winnenden Wohnraum zu vermieten hat, kann sich gerne bei uns melden. Gemeinsam schaffen wir das“, so ihr Appell. Kreativ und innovativ muss ihr Bereich auch im Gruppenalltag sein, denn auch außerhalb der Zimmer gelten Hygiene- und Abstandsregeln, beispielsweise beim gemeinsamen Abendessen in den Gruppenräumen der Internate. Nagel: „Eine Internatsgruppe hat eine Vorrichtung gebastelt, damit unsere Jugendlichen wieder Karten spielen können. Eine Plexiglasscheibe schützt sie vor Ansteckung. Die Karten werden nach dem Spiel desinfiziert.“
Ihr Optimismus wird unterstützt von einer LED-Leuchtbox mit der Aufschrift: „Du rockst das!“ Ein Mut machendes Geschenk von ihren Kollegen, als sie Anfang 2019 Bereichsgeschäftsführerin des Internatsbereichs im Berufsbildungswerk und in der Schule beim Jakobsweg wurde. Wenn man Christine Nagel so sieht, wird klar: Einem Virus wird sie sich nicht geschlagen geben.