Die Stadtkirche beherbergt viele Grabstätten

Die Ausgrabung in der Stadtkirche vor 50 Jahren (3) Fast 50 bedeutende Personen fanden dort ihre letzte Ruhestätte. In den ältesten Gräbern waren Mönche der ersten kleinen Zelle bestattet, in der jüngsten Gruft Prälat Friedrich Christoph Oetinger.

Die Aufnahme zeigt die Öffnungen der Grabstellen von einem Gerüst aus, das damals innerhalb der Kirche aufgestellt war. Foto: Carl-Schweizer-Museum)

Die Aufnahme zeigt die Öffnungen der Grabstellen von einem Gerüst aus, das damals innerhalb der Kirche aufgestellt war. Foto: Carl-Schweizer-Museum)

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Wie viele alte, bedeutende Kirchen diente auch die ehemalige Klosterkirche als Begräbnisstätte für meist bedeutende Persönlichkeiten. Im Lauf der Ausgrabungsarbeiten entdeckte das Archäologenteam nahezu 50 Grabstätten, über die wichtigsten berichtet Ausgrabungsleiter Rolf Schweizer. In den ältesten waren Mönche der ersten kleinen Zelle aus der Zeit um 750 bis 800 bestattet. Sie befanden sich in einem Areal, das sich unmittelbar an die später abgebrochene Westwand der ehemaligen St.-Trinitatis-Kapelle anschloss.

Dieser erste Begräbnisplatz wurde vom östlichen Chorbereich und Altarraum der ersten Klosterkirche Walterichs um 828 völlig überbaut. Insofern waren die Mönche letztendlich doch noch rings um den neuen Altar im Inneren bestattet. Nicht Teil der Ausgrabung, aber von besonderer Bedeutung für das Kloster war das Grab für das Herz des 840 verstorbenen Kaisers Ludwig, der um 816/17 das Kloster gestiftet hatte. Nach alter Überlieferung soll es in einer silbernen Urne in die Klosterkirche gebracht und an einem besonderen Ehrenplatz aufbewahrt worden sein. Bis zur Zeit der Reformation soll die Urne sich in einem 600 Jahre später angefertigten gotischen Ehrengrab befunden haben, so Schweizer.

Grab aus Steinplatten mit aufwendiger, symbolischer Konstruktion

Zentral in der Mittelachse des Langhauses fand sich unter einer massiven Steinplatte eine Grabstätte, die an jene Walterichs erinnerte. 40 Zentimeter darunter lag ein aus sieben verschieden großen Steinen hergestellter Kasten mit zwei Deckplatten, die einem flachen Walmdach ähnelten. Eine in der Mitte längs verlaufende, erhaben herausgearbeitete Firstleiste teilt sich zum Fuß- und Kopfende hin gabelartig, und jeder dieser Zweige läuft jeweils auf die Ecke aus. Verlängert man diese Linien gedanklich, trafen sie jeweils auf eine der vier Ecken des Langhauses, was die Verbindung des Bestatteten zum romanischen Neubau verdeutlicht.

Er war 60 bis 70 Jahre alt, auch fand man im Grab braune Farbspuren eines Gewandes sowie Lederschuhe. Indes ist nicht bekannt, ob er ein adeliger Stifter, Klostervogt oder kirchlicher Würdenträger war. Der Grabkasten war aus insgesamt sieben Steinen und den beiden Deckplatten zusammengesetzt worden, wobei sich an drei Teilen Reste römischer Inschriften fanden, berichtet der Zeitzeuge. Anfang des 11. Jahrhunderts schuf eine hochadelige, doch nicht genau bekannte Familie im nordöstlichen Nebenchor vor dem Altar ihre Gebetskapelle und Grablege. Dazu gehört auch das Grab eines Ritters, der bei einem dramatischen Duell ums Leben gekommen und um 1100 bestattet worden war. Darin fand das Grabungsteam einen Beutel mit Sühnegeld: 340 Münzen mit einem Silbergewicht von etwa 185 Gramm. Darunter waren neben sogenannten Ulmer Pfennigen etliche unbekannte: 17 zeigen auf der Vorderseite das Bild eines sorgsam frisierten, bärtigen Geistlichen mit Abtsstab und Kreuz. Hinzu kommt eine nur noch schwer entzifferbare Randschrift, die die Namen Murhart und Walterich vermuten lassen. Schweizer nimmt an, dass der Geistliche Walterich darstellt und das Kloster zeitweise das Münzrecht besaß, die entdeckten Münzen wurden wohl in der Zeit um 1100 bis 1120 geprägt.

Es fand sich auch eineFrau mit Kind unter den Bestatteten

Obwohl nach alten Vorschriften in Gotteshäusern von Männerklöstern keine Frauen bestattet werden durften, fanden doch mindestens zwei ihre letzte Ruhestätte in der einstigen Klosterkirche. In deren Zentrum entdeckte das Grabungsteam eine exakt gemauerte Gruft, in der eine Frau mit einem Kind bestattet war. Rolf Schweizer nimmt an, dass sie die nach 1235 wohl überraschend verstorbene Schutzherrin Richenza war, die auch Richina oder Ruchina genannt wird. Sie war eine geborene Gräfin von Beilstein-Wolfsölden und mit Graf Gottfried II. von Löwenstein verheiratet.

Vorher war sie die „Regis wib – Frau des Königs“ genannte Gefährtin des Stauferkaisers Friedrich II., mit dem sie die Tochter Margarete hatte. In der westlichen Hälfte des Westchors und nahe der südlichen Mauer fand das Team eine noch völlig intakte Gruft, in der sich ein schwarz gestrichener Sarg befand. Er war bemalt mit einem Kreuz und einem Rosenstock in voller Blüte. An der Wand darüber stand das dazu gehörende Grabdenkmal für Maria Juliana Haselmaier, die 1721 im Alter von 51 Jahren verstorbene Ehefrau des Prälaten Wilhelm Conrad Haselmaier: Diese Eheleute waren die Urgroßeltern des Dichters Friedrich Hölderlin. Als letzte Person bestattete man den berühmten Prälaten Friedrich Christoph Oetinger, der im Alter von 66 Jahren nach dem verheerenden Stadtbrand 1765 nach Murrhardt gekommen war und am 10. Februar 1782 im Alter von 80 Jahren starb. Diese außergewöhnliche Persönlichkeit erhielt ihre Grabstätte an einem besonderen Platz vor dem nordöstlichen Vierungspfeiler, so nahe wie möglich beim Altar und gegenüber der Kanzel, die sich bis zur Renovierung der Kirche in der Vierung befanden. So hatten die nachfolgenden Pfarrer und Prediger auf der Kanzel stets das Grabmal Oetingers vor Augen. Umgekehrt, so glaubte man, konnte der Prälat dadurch jedem Nachfolger auf der Kanzel „aufs Maul“ schauen. Seit 1975 steht Oetingers Rokoko-Epitaph, das Steinmetzmeister Conrad Ludwig Söhnle schuf, am südöstlichen Vierungspfeiler, wo sich zu Lebzeiten des Prälaten und noch bis 1972 die Kanzel befand.

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Erstellt:
27. Dezember 2023, 06:00 Uhr

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