Dubai statt das frohe Fest in der Heimat

Der Ex-Allmersbacher Petar Segrt bereitet sich mit der tadschikischen Nationalmannschaft auf die Premiere des Landes beim Asien-Cup vor. Der Globetrotter in Sachen Fußball gilt mit seinem Team momentan als die positive Überraschung in Asien.

Nach dem Sieg mit der Nationalelf beim Merdeka-Cup erneut im Mittelpunkt tadschikischer Glückseligkeit: Petar Segrt (mit Pokal). Foto: privat

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Nach dem Sieg mit der Nationalelf beim Merdeka-Cup erneut im Mittelpunkt tadschikischer Glückseligkeit: Petar Segrt (mit Pokal). Foto: privat

Von Uwe Flegel

„Weihnachten und Silvester fallen aus.“ Wieder mal, denn Petar Segrt ist nun schon seit Jahren ein Weltreisender in Sachen Fußball mit Stationen unter anderem in Indonesien, Afghanistan und auf den Malediven. Diesmal ist der einstige Landesliga-Kicker des SV Allmersbach mit der Nationalelf von Tadschikistan im Trainingslager in Dubai. Dort bereitet sich die Auswahl der früheren Sowjetrepublik auf die erste Teilnahme des Landes an der Asienmeisterschaft vor. Ab Mitte Januar geht es in einer Vorrundengruppe mit China, Gastgeber Katar und dem Libanon darum, sich möglichst gut aus der Affäre zu ziehen. Haben der Kroate mit schwäbischen Wurzeln und sein Team mit der Qualifikation bereits Historisches geschafft, soll nun mit dem Einzug ins Achtelfinale Überraschendes gelingen.

„Wir sind die Einzigen, die zum ersten Mal dabei sind“, erzählt Segrt. Er hofft trotzdem, dass es im Vergleich mit den asiatischen Größen China und Katar zu Rang zwei oder wenigstens Platz drei reicht. Letzteres würde zum Weiterkommen reichen, wenn Tadschikistan zu den vier besten Drittplatzierten der insgesamt sechs Vorrundengruppen zählt. Für den 57-Jährigen ist klar, den Libanon muss seine Elf auf jeden Fall hinter sich lassen. Was ihm Mut macht, das ist: „Als ich vor zwei Jahren gekommen bin, lagen wir in der Weltrangliste 32 Plätze hinter denen, nun liegen sie einen Rang hinter uns.“ In Zahlen ausgedrückt heißt das: Segrts Elf steht nun auf Rang 106 statt auf Platz 121. „Hätte unser 0:0 vor einem Jahr gegen Russland gezählt, wären wir noch weiter oben“, so der in Calw aufgewachsene Coach. Da die Fifa aber Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine gesperrt hat, war’s kein offizielles Spiel.

Zwei Turniersiege und eine bislang hoffnungsvolle WM-Qualifikation

Der Trainer ist dennoch stolz auf das Geleistete und sagt: „Wir haben alle Ziele weit übertroffen.“ Er und sein Team haben sich nicht nur zum ersten Mal für den Asien-Cup qualifiziert. Sie haben auch mit dem Kings-Cup in Thailand im vergangenen Jahr und dem Merdeka-Cup in Malaysia vor zwei Monaten in Asien zwei renommierte Turniere gewonnen. Zudem ist Tadschikistan in der WM-Qualifikation in Runde zwei und ist dort in Gruppe G nach den Partien gegen Jordanien (1:1) sowie Pakistan (6:1) hinter Saudi-Arabien Zweiter. „Halten wir den Platz, sind wir in Runde drei.“ Es wäre erst das zweite Mal in der Geschichte des Landes, dass die Nationalelf so weit kommt. Wobei auf dem Weg zur Weltmeisterschaft 2026 in Kanada, Mexiko und den USA nach Runde drei auch noch eine Asienendrunde zu bewältigen wäre.

Ob Segrt da noch Trainer ist? Er selbst sagt nur: „Mein Vertrag hier läuft im Februar nach der Asienmeisterschaft aus.“ Was danach kommt, ist offen. Auch weil er und seine Spieler „mit unseren Erfolgen die Messlatte selbst sehr hoch gelegt haben“. Er hat gelernt, dass es im Fußball und insbesondere in Ländern wie Tadschikistan ein schmaler Grat ist zwischen heute gefeiert, morgen gefeuert. In Afghanistan zum Beispiel war er nach einem erfolgreichen Jahr mit dem Nationalteam erst der „Man of Hope“. Dann stand er nach einer Unterredung mit dem Verbandspräsidenten plötzlich ohne Pass und Gepäck mutterseelenallein vor dem Verbandssitz in Kabul. Als europäischer Nationaltrainer und in den Augen der Taliban Symbol für den westlichen Einfluss im Land ging es um sein Leben. Grund dafür war, dass er den Lieblingsspieler des Verbandsbosses nicht für ein Länderspiel nominiert hatte. In Nationen, in denen autokratische Herrscher den Sport gern als Vorzeigeobjekt benutzen, sollten solche Wünsche eben nicht oft unerfüllt bleiben.

Mittlerweile wird auch der eine oder andere Kompromiss gemacht

In Tadschikistan mit seinem Präsidenten Emomalij Rahmon ist das nicht anders. Mittlerweile spricht Segrt über das Erlebnis vor sieben Jahren in Afghanistan eher entspannt. Er, der zum Typ Frohnatur zählt, gesteht aber auch: „Ich denke schon, dass ich in all den Jahren diplomatischer geworden bin – so lange ich die Kompetenz habe, sportliche Abläufe selbst zu regeln.“ Auf Tadschikistan bezogen heißt das, Rücksicht darauf zu nehmen, dass Serienmeister FC Istiklol aus der Hauptstadt Duschanbe mehr oder weniger selbst entscheidet, wann seine zwölf Nationalspieler ins Trainingslager der Nationalelf reisen. „Mein Trainerstab und ich müssen dann sehen, wie wir sie noch in die Mannschaft integrieren“, erklärt Segrt. Wobei er wiederum die Not zur Tugend macht und Etablierte mit jungen Spielern ersetzt: „Den Merdeka-Cup haben wir mit einem Team gewonnen, das einen Altersdurchschnitt von nur 21,3 Jahren hatte.“

Überhaupt „bewegt sich hier im Fußball gerade viel“. Neben den Männern haben sich sämtliche Juniorenteams von der U 17 bis zur U 23 für den Asien-Cup qualifiziert. Auch weil sich Segrt von Beginn an darum kümmerte, im Nachwuchs Strukturen mit aufzubauen. „Da gibt es schon Widerstände, wenn du ältere Akteure nicht nominierst und dafür einen 17- oder 18-Jährigen holst“, sagt der Fußballlehrer und weiß: In solchen Situationen hilft nur rascher Erfolg.

Einsatzbereitschaft und Zusammenhalt sind die großen Stärken der Nationalelf

In Tadschikistan hat er den und urteilt: „Ich habe noch nie eine so gute und harmonische Mannschaft trainiert. Hier gibt jeder von der ersten bis zur letzten Minute alles.“ Das sei die große Chance, bei den nun anstehenden Titelkämpfe die erhoffte Sensation zu schaffen. Wichtig dafür sei, dass der Teamgeist passe, die Harmonie stimme. Dafür gibt er viel: „Ich bin für die Spieler eine Vaterfigur, stehe ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Sie sind zwar alle Profis, haben aber oft nicht viel mehr als der Rest der Bevölkerung.“ Wobei sich das für den einen oder anderen ändern kann. „Wir sind in Asien die Überraschung und immer öfter erkundigen sich Scouts aus großen Fußballländern nach unseren Spielern“, erzählt Segrt. Sein 25-jähriger Torwart Rustam Yatimov zum Beispiel sei ein Klassemann, der schon Portugals Superstar Cristiano Ronaldo in der asiatischen Champions League fast zur Verzweiflung getrieben habe.

Segrts Augen leuchten, wenn er davon berichtet. Er weiß: „Ich habe es geschafft, mittlerweile 27 Jahre lang Trainer im Profifußball zu sein. Als Spieler habe ich es nie so weit gebracht, so lebe ich trotzdem meinen Traum.“ Dafür nimmt er gerne in Kauf, dass Weihnachten und Silvester in der deutschen Heimat einmal mehr ausfallen, weil das Trainingslager in Dubai wartet.

Von Calw aus in die weite Welt

Der Spieler Aufgewachsen ist Petar Segrt in Calw. Beim dortigen FV war Spieler und Jugendtrainer. An Rems und Murr war er Anfang der 90er für den TSV Schwaikheim und den SV Allmersbach in der Bezirks- und in der Landesliga am Ball. Verletzungsbedingt hörte er mit 27 Jahren auf. Damals spielte er für Waldhof Mannheim II.

Der Trainer Von 1996 an war Segrt Jugend- und Co-Trainer beim VfL Bochum, dem MSV Duisburg und Waldhof Mannheim. Danach arbeitete er in Österreich für Zweit- und Drittligisten, ehe ihn Klaus Toppmöller in den Trainerstab der georgischen Verbands holte. Als Toppmöller im Frühjahr 2008 ging, war Segrt dort kurze Zeit für die Nationalelf zuständig. Danach waren die indonesischen Erstligisten Bali Devata und PSM Makassar erfolgreiche Stationen. Segrt: „Seither hat man mich in Asien auf dem Radar.“ Über seine Zeit als Nationaltrainer in Afghanistan drehten Till Derenbach und Andreas Fröhlich den Dokumentarfilm „Men of Hope“.

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Erstellt:
23. Dezember 2023, 06:00 Uhr

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