Ein Gleis und viele Einwände

Mit Blick auf den geplanten Neubau des Schanztunnels bemängelt der Haller Landrat Gerhard Bauer, dass gute Argumente für die Zweigleisigkeit nicht berücksichtigt werden. Der alte Tunnel könnte gleichwohl noch benötigt werden.

Der Schanztunnel bei Fichtenberg, gesehen vom Bahnübergang Plapphof. Zurzeit erfolgen vor Ort Probebohrungen beziehungsweise Bodenerkundungen zum Neubau des Tunnels. Sie sollen bis Mitte April abgeschlossen sein. Foto: Richard Färber

Der Schanztunnel bei Fichtenberg, gesehen vom Bahnübergang Plapphof. Zurzeit erfolgen vor Ort Probebohrungen beziehungsweise Bodenerkundungen zum Neubau des Tunnels. Sie sollen bis Mitte April abgeschlossen sein. Foto: Richard Färber

Von Richard Färber

Fichtenberg/Fornsbach. Er sei „mehr als frustriert“, so Gerhard Bauer, Landrat des Landkreises Schwäbisch Hall und Vorsitzender des Murrtal-Verkehrsverbands, in einer Stellungnahme zum Neubau des Fichtenberger Schanztunnels. Die Deutsche Bahn plant diesen Neubau eingleisig. Die Studie „Angebots- und Infrastrukturkonzept für Murrbahn und die Rems- und Obere Jagstbahn“, die den zweigleisigen Ausbau empfiehlt, spielt dabei keine Rolle.

Die Studie war von den drei Landkreisen Ostalb, Rems-Murr und Schwäbisch Hall sowie vom Verkehrsministerium in Auftrag gegeben worden. Sie habe, schreibt Bauer, die Vorteile der Zweigleisigkeit sehr anschaulich dargelegt und auch dargestellt, dass sich die Investition rechnen würde. Dass diese Ergebnisse nicht anerkannt werden, sei „in keinster Weise nachvollziehbar“.

Prognose sieht keinen Bedarf

Bauer verweist auf die alltäglichen Probleme im Personen- wie im Güterverkehr. Man könnte wesentlich schneller und auch attraktiver als der Individualverkehr werden. Bei den jetzigen Kapazitätsengpässen sei auch die Vorstellung, mehr Güter auf die Schiene zu bringen, „völlig undenkbar“. Er frage sich, wie so die Verkehrswende gelingen soll. Gerhard Bauer betont aber auch: „Wir geben den Kampf um diese dringend notwendige Infrastrukturmaßnahme für die Region nicht auf.“

Der Landrat hatte sich an den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann, den parlamentarischen Staatssekretär Michael Theurer im Bundesministerium für Digitales und Verkehr und an die Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, Clarissa Freundorfer, gewandt. Freundorfer habe auf die Prognose des Bundesverkehrswegeplans hingewiesen, teilt die Pressestelle des Landratsamtes mit: „Demnach lasse sich kein Bedarf für einen zweigleisigen Tunnel ableiten.“ Sie habe aber auch eingeräumt, dass die Ausführungen zur Zweigleisigkeit „bei entsprechendem Betriebsprogramm“ nachvollziehbar seien. Die Studie sei dem Bundesministerium vorgelegt worden, allerdings „ohne erkennbare Folgen“.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hatte zuvor ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Untersuchung in den laufenden Prozess zur Fortschreibung des Deutschlandtakts eingebracht worden sei. Ein vom Bund beauftragter Gutachter sei damit befasst, erste Ergebnisse lägen voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte vor. Man empfehle gleichwohl, parallel zur Neubauplanung die Möglichkeit der Zweigleisigkeit zu prüfen. Dies würde auch die Sanierung des Bestandstunnels beinhalten.

Nach aktuellem Planungsstand werden mit dem Neubau Tatsachen geschaffen. Der alte Schanztunnel soll verfüllt werden. Ein Querschlag vom neuen zum alten Tunnel sei nicht vorgesehen, heißt es in einer E-Mail der Deutschen Bahn vom 6. März. Mit einem solchen Querschlag auf halber Distanz würde der vorgeschriebene sichere Bereich geschaffen. Der alte Tunnel bliebe dann offen, müsste aber auch entsprechend aus- und umgerüstet werden. Zudem bleibe die Option auf ein zweites Gleis erhalten. Die Alternative wäre ein zusätzlicher Rettungstunnel oder -schacht, der mit dem neuen Tunnel gebaut werden müsste. Darauf weist der Fichtenberger Feuerwehrkommandant Michael Dix hin, der hauptberuflich bei der FBI GmbH in Geislingen Rettungs- und Einsatzkonzepte für Untertagebaustellen plant und erstellt und auch Ausbilder in Sachen Tunnel- und Grubenrettung ist. Er führt dazu die Tunnelbaurichtlinie des Eisenbahnbundesamts an. Die maximale Distanz zu einem solchen Rettungsstollen, Rettungsschacht oder Querschlag liegt danach bei 500 Metern.

Lehrreiche Übung

Diese Distanz ergibt sich auch aus einer Übung im Schanztunnel, die am 31. Juli 2010 begonnen wurde, dann aber wegen steigender Kohlenmonoxidwerte abgebrochen werden musste. Es habe sich gezeigt, dass bei einem Brandeinsatz im Altbautunnel keine Rettung durch die Feuerwehr möglich ist, schreibt Dix, der als Gruppenführer an der Übung beteiligt war. Der alte Schanztunnel ist 860 Meter lang.

Letztlich, so Dix in einem Facebook-Kommentar zur bisherigen Berichterstattung, müsse man wohl abwarten, wie die für die Planung zuständige Fachabteilung der Bahn die Situation einschätzt. Sie müsse jedenfalls noch vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens ein abgestimmtes Rettungskonzept vorlegen, das auch sichere Bereiche enthält. Abgewogen werden müsse zwischen einem „teuren, parallel zu führenden Rettungsstollen oder einer Verbindung zum bestehenden Tunnel (...). Wir dürfen gespannt sein...“

Dass (bisher) wieder nur dauerhaft eingleisig geplant wird, hatte auch Annette Sawade, ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Beauftragte für Verkehrspolitik in Baden-Württemberg bei der Allianz pro Schiene, in einem Brief an Clarissa Freundorfer bemängelt. Mittlerweile hat sich auch der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner (Bündnis 90/Grüne) in der Sache zu Wort gemeldet. Er fordert, den neuen Schanztunnel bei Fichtenberg so zu bauen, dass der Bestandstunnel gegebenenfalls als zweite Tunnelröhre genutzt werden kann. Diese Option dürfe auf keinen Fall verbaut werden, so Ebner. Beide verweisen auf die vorgelegte Studie.

Die Bahn argumentiert mit der Wirtschaftlichkeit, hält eine Zweigleisigkeit aber auch nicht für erforderlich

Vorgeschichte Die Ergebnisse der Studie „Angebots- und Infrastrukturkonzept für Murrbahn und die Rems- und Obere Jagstbahn“ wurden dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr Anfang Februar 2022 vorgelegt. Auch Vertreter der Deutschen Bahn waren in die Erarbeitung eingebunden. Eine Bahnsprecherin hatte dies im März dieses Jahres bestätigt, aber auch erklärt, dass der Bund die Ergebnisse der Studie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in die Planungen zum Deutschlandtakt oder den Bedarfsplan überführt habe. Auch die Auftraggeber hätten noch keine entsprechende Planung angestoßen. Man könne daher „nur mit den aktuell greifenden Regularien weiterplanen“. Deren Grundlage ist die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung von Bund und Bahn. Der Tunnelneubau ist darin als Ersatzinvestition enthalten. Für einen zweiten Tunnel beziehungsweise die Sanierung des alten Schanztunnels gebe es wegen des geltenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit keine Spielräume, teilte die Bahn damals mit. Es wäre ein „Neubau über dem Bedarf“. Dieser Bedarf wiederum fußt auf den im Bundesverkehrswegeplan 2030 prognostizierten Verkehrsentwicklungen. Die Notwendigkeit eines zweigleisigen Tunnels lasse sich daraus nicht ableiten. Zweigleisigkeit sei aber auch nicht erforderlich, da es auf der Murrbahn keinen Fernverkehr geben soll. Angedacht sei stattdessen ein Halbstundentakt zwischen Stuttgart und Hessental. Zugkreuzungen seien in Sulzbach an der Murr und Fichtenberg vorgesehen, so die Argumente der Bahn.

Landessicht Nach Auffassung des Landes ist der Ausbau der Murrbahn ein Projekt des Bundesverkehrswegeplans. Das weitere Vorgehen müsse daher der Bund festlegen. Man halte es aber für sinnvoll, wenn Bund und Bahn neben dem Neubau des Tunnels auch die Möglichkeit der Sanierung des bestehenden Tunnels und die Herstellung der durchgehenden Zweigleisigkeit im Abschnitt Fornsbach–Fichtenberg prüfen, ließ die Pressestelle dazu im Rahmen der Berichterstattung im März wissen.

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Erstellt:
11. April 2024, 06:00 Uhr

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