Ein klares Votum der alten Weggefährten

Erwin Weitbrecht und Manfred Haerer, die unter dem damaligen Trainerneuling Ralf Rangnick beim FC Viktoria Backnang spielten, und Roland Stampfl, der beim FCV einst sein Nachfolger wurde, halten den Backnanger für den optimalen Fußball-Bundestrainer.

Wohin führt sein Weg? Ralf Rangnick zählt zu den Kandidaten als Bundestrainer, aber auch auf Schalke ist sein Name ein Thema. Foto: Imago

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Wohin führt sein Weg? Ralf Rangnick zählt zu den Kandidaten als Bundestrainer, aber auch auf Schalke ist sein Name ein Thema. Foto: Imago

Von Steffen Grün

Die Aussagen von Marc Kosicke in einem Interview mit Sport1 vor drei Tagen waren an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Der Berater von Ralf Rangnick bestätigte, dass sein Klient „interessiert ist am Job des Bundestrainers. Ralf hat ja selber gesagt, dass er frei ist und Lust drauf hätte.“ Alles Weitere liege am DFB, das in den letzten Tagen aufgekommene Thema, der Backnanger könnte als neuer Sportvorstand zum FC Schalke 04 zurückkehren, sei dagegen „noch ganz weit weg“. Wenn es am Ende wirklich so sein sollte, dass beide Angebote auf Rangnicks Tisch liegen, „wäre das ein mega Luxus-Problem für ihn, sich zwischen der emotionalen Klub-Aufgabe oder Deutschlands liebstem Kind Nationalmannschaft zu entscheiden“, betonte Kosicke. Wir haben mit ehemaligen Weggefährten gesprochen, was sie davon halten würden, wenn Ralf Rangnick auf Joachim Löw folgt.

Für Erwin Weitbrecht ist die Sache eindeutig: „Ich sage es zu meinen Bekannten, die nicht so viel mit Fußball zu tun haben, schon seit Monaten. Es kann für mich nur einen Nachfolger für Joachim Löw geben, und das ist Ralf Rangnick.“ Das flammende Plädoyer kommt nicht von ungefähr, denn der 63-Jährige kennt seinen klaren Favoriten von Kindesbeinen an. „Wir haben bereits in der D- und C-Jugend bei Viktoria Backnang zusammengespielt“, erzählt Weitbrecht, den viele als Kult-DJ Buzzi aus dem Hotel Sonnenhof kennen. Später war Rangnick beim selben Klub wieder sein Mitspieler, aber auch sein Trainer, denn der spätere Bundesligacoach erwarb sich die ersten Meriten bei seinem Heimatverein. 1983 heuerte Rangnick als Spielertrainer beim FCV an und es war „nie ein Problem“, dass einige Fußballer älter als ihr Vorgesetzter waren, erinnert sich Weitbrecht, der selbst auch rund sechs Monate mehr auf dem Buckel hat. Der Mittzwanziger sicherte sich den Respekt der Truppe mit seinen Fähigkeiten, „man hat schon damals erkannt, dass er ein Toptrainer ist, aber diese Entwicklung war natürlich nicht vorauszusehen“. Weitbrechts Wunsch ist es, dass Rangnick nach der EM im Sommer das Löw-Erbe antritt: „Er hat alles, was ein Bundestrainer braucht. Er hat verschiedene Spielsysteme drauf und kann ein Team auch motivieren. Es gibt keinen Besseren für mich.“

Auch Manfred Haerer kann sich seinen Ex-Coach als Deutschlands obersten Fußballlehrer „gut vorstellen, aber ich glaube, dass er mehr sein will als nur Bundestrainer. Ich denke, dass er im DFB auch organisatorisch etwas bewegen will.“ Deshalb sehe er ein gewisses Konfliktpotenzial in einer Zusammenarbeit mit Nationalmannschaftsmanager und DFB-Direktor Oliver Bierhoff. Diese Tendenz, sich nicht allein mit der originären Trainerrolle zu begnügen, habe sich bei Rangnick bereits in den Achtzigern in Backnang gezeigt, erinnert sich der 58-Jährige, der seit 2016 im polnischen Breslau lebt: „Er hat sich damals schon nicht nur um das Training und die Mannschaft gekümmert, sondern auch um das Drumherum und die Entwicklung des ganzen Vereins.“ Das führte bei der Viktoria zu einem rasanten Aufschwung und zum Durchmarsch von der Bezirks- in die Verbandsliga bis 1985. „Er hat viele neue Sachen probiert und wollte dabei auch immer die älteren Spieler mitnehmen“, sagt Haerer, der selbst eher zu den Jungspunden gehörte und 1984 trotzdem zum Kapitän gewählt wurde. Die für die damalige Zeit revolutionären taktischen Ideen, die Ralf Rangnick seinem Team eintrichterte, hätten den Unterschied gemacht, ist der frühere FCV-Kicker sicher.

Sollte Rangnick jetzt wirklich Bundestrainer werden, dürfte ihm in Haerers Augen etwas anderes sehr helfen: „Er kann gut mit Leuten umgehen und dürfte deshalb auch kein Problem damit haben, mit den unterschiedlichen Charakteren in den Bundesligavereinen klarzukommen.“ Nun wartet der frühere Kicker, der später zum Tänzer wurde, wie ganz Fußball-Deutschland darauf, wer letztlich Nationalcoach wird. Ist es Rangnick, „wäre das ein krönender Abschluss seiner Karriere. Er wäre in der Trainergilde ganz oben angekommen. Ich denke, das reizt ihn auch sehr.“

„Wir haben uns als gegnerische Trainer kennengelernt und uns sehr intensiv über die Spielbeobachtungen ausgetauscht“, erinnert sich Roland Stampfl an die Bezirksligasaison 1983/84, als er den SV Allmersbach unter seinen Fittichen hatte und Ralf Rangnick den FC Viktoria auf Titelkurs brachte. „Wir hatten viel Kontakt, haben regelmäßig telefoniert – so bin ich später auch sein Nachfolger in Backnang geworden“, sagt der 64-Jährige, der derzeit die SVG Kirchberg betreut. 1985 war das, als der aufstrebende Coach zu den Amateuren des VfB Stuttgart wechselte und einen geeigneten Kandidaten suchte, der seine Arbeit bei der Viktoria fortsetzt. Die Wahl fiel auf Stampfl, der das heute so einordnet: „Das war eine reizvolle Aufgabe für mich, aber sie war eine Nummer zu groß. Mir fehlte die Erfahrung.“ Zudem traf er auf eine Truppe, die auf Rangnick eingeschworen war und hatte mit der besonderen Konstellation zu tun, dass sein Vorgänger als Spieler weiterhin zum Kader gehörte. Die Backnanger rutschten als Verbandsliga-Neuling in den Keller, taumelten dem Abstieg entgegen und für Stampfl war schnell wieder Schluss.

„Ich kann mir keinen anderen als Ralf Rangnick als Nationaltrainer vorstellen“, sagt er über den eineinhalb Jahre jüngeren Kollegen: „Er hat das Fachwissen und hatte überall Erfolg, das wäre für den DFB die optimale Lösung.“ Als Voraussetzung sieht er es, dass die Chemie mit dem Nationalmannschaftsmanager passt, denn Rangnick werde „klare Vorstellungen“ haben. Sollte ein anderer Löw ablösen, kann sich Stampfl den alten Weggefährten auch bei Schalke vorstellen: „Ich glaube, in die Aufgabe könnte er sich richtig reinknien.“ Das Problem: Es wird Zeit brauchen, die Königsblauen nach ihrem fast sicheren Abstieg wieder in Gefilde zu führen, die Rangnick auf Dauer reizen. Also doch Bundestrainer? „Das wäre eine tolle Sache, der Höhepunkt seiner Karriere“, drückt Stampfl die Daumen.

Drei Klubs im Kreis trainiert

In Backnang geboren und aufgewachsen, beim FC Viktoria in die Trainerlaufbahn gestartet: Ralf Rangnick ist ein Kind der Murr-Metropole. Seinen Heimatklub hievte er als Spielertrainer von 1983 bis 1985 von der Bezirks- in die Verbandsliga, ehe er als Amateurcoach beim VfB Stuttgart landete.

1987/88 kehrte der frühere Mittelfeldakteur als Spielertrainer des TSV Lippoldsweiler nochmals auf den Platz zurück, von 1988 bis 1990 trainierte er den SC Korb. Mit dem erneuten Gang zum VfB, nun als U-19-Coach und ab 1992 als Sportkoordinator für den Jugend- und Amateurbereich, nahm die Karriere so richtig Fahrt auf. Es folgten Engagements in Reutlingen, Ulm, wieder beim VfB, Hannover, Schalke, Hoffenheim, erneut Schalke und Leipzig – und nun der DFB?

Ginge es nach den BKZ-Lesern, wäre alles klar – zumindest lag Ralf Rangnick bei der Umfrage auf www.bkz.de, wer neuer Bundestrainer werden soll, gestern Abend klar vorne. Bis Freitag kann gevotet werden.

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Erstellt:
18. März 2021, 06:00 Uhr

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