Urteil gegen Boateng

Ein Veilchen, aber nur ein leichtes

Fälle wie der von Jerome Boateng gibt es viele in Deutschland. Sie werden nur nicht so lange verhandelt. Der Fußballer hat nun einen gefühlten Freispruch erhalten, kommentiert Christian Gottschalk.

Jerome Boateng steht mit seinem Anwalt und Berater zusammen.

© dpa/Peter Kneffel

Jerome Boateng steht mit seinem Anwalt und Berater zusammen.

Von Christian Gottschalk

In Sachen Fußball ist der Stern von Jerome Boateng gerade dabei, langsam aber sicher am Horizont zu verblassen. Der ehemalige Innenverteidiger mit Weltklasseformat kickt jetzt in Linz, die allererste Adresse ist das nicht mehr. In Sachen persönliches Ansehen ist der Stern des Weltmeisters bereits weitgehend erloschen. Die gerichtliche Schlammschlacht mit seiner Ex-Beziehung hat der Skandal-interessierten Öffentlichkeit ein Bild des Fußballers präsentiert, das nicht wirklich als Vorbild taugt. Dass das Gericht nun auf eine Strafe verzichtet und es bei einer Verwarnung belässt, dass die Vorsitzende Richterin ausdrücklich darauf hinweist, vom Vorwurf des notorischen Frauenschlägers sei nichts übrig geblieben, es wird an der bereits erfolgten Vorverurteilung nicht viel ändern.

Es gibt viele Boatengs in Deutschland

Was wirklich genau zwischen Jerome Boateng und seiner damaligen Freundin vorgefallen ist, wird deren Geheimnis und weitgehend unaufklärbar bleiben. Die eigene Brille verschleiert in Beziehungsstreitigkeiten dieser Heftigkeit meist den Blick auf die Sicht des anderen. Das ist die eine Erkenntnis nach vielen Jahren vor Gericht. Eine andere Erkenntnis zeigt sich beim Blick auf andere Gerichte. Es gibt eine Menge Boatengs in Deutschland. Ehestreitereien mit zum Teil brutalen Handgreiflichkeiten sind kaum einem Amtsrichter fremd. Mal entzündet sich die Rauferei an der Fernbedienung, mal am Kaninchen, mal am vergossenen Bier. Allen gemein ist: Außer den Beteiligten ist selten jemand dabei. Die Rechtsfindung ist kompliziert – wenn hier überhaupt ein Recht gefunden werden kann. Es geht bei Müllers und Schmidts nur meistens deutlich schneller als bei Jerome Boateng. Und es schaut nicht die halbe Nation dabei zu.

Sanktion wird von Gerichten selten genutzt

In der Causa Boateng ist der Ex-Fußballer nun mit einem blauen Auge davon gekommen. Es ist zudem nur ein ganz leichtes Veilchen. Die umgangssprachlich als „Geldstrafe auf Bewährung“ bezeichnete Sanktion ist eine Möglichkeit, die von deutschen Gerichten so gut wie nie genutzt wird. Im Ergebnis liegt sie deutlich näher an einer Einstellung des Verfahrens denn an einer Verurteilung. Und im Vergleich zu den ersten beiden Urteilen, bei denen Boateng zu einer Millionenstrafe verurteilt worden war und zum Teil als vorbestraft gegolten hätte, ist die jetzige Entscheidung praktisch ein Freispruch. Ob es auch das letzte Wort in der unappetitlichen Schlammschlacht ist, das ist allerdings mehr als fraglich.

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Erstellt:
19. Juli 2024, 12:22 Uhr

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